Zeitgeistige Lebensquellsuche

Die Sandsteinspiele servieren eine gediegene Wasserbadsuche mit Zeitgefühl

Foto: Andreas Herrmann

Auch die Sandsteinspiele gehören zu den (von der puren Anzahl her) raren Kulturhelden, die in allen Sommern der dritten Dekade des dritten Jahrtausends der Menschheit unterm Kreuz gnadenlos durchspielten und damit unsterblich in die sächsische Landesgeschichte eingehen.

Fest steht: Die Sparte Landschaftstheater ist als Mischform aus Naturspaziergang und Volkstheater mit der Umwelt (hier: eine malerisch gestaltete Kulturlandschaft) als Ausstatter (in der unheimlichen Hauptrolle) nachhaltig und gesund. In Reinhardtsdorf, dem ersten linkselbigen Bergdorf hinter Schöna, wenn man vom Böhmen kommend auf der Elbe, die eigentlich ja Moldau heißen müsste, heranpaddelt, gibt es dafür seit einigen Jahren einen rührigen Verein. Der hat für die sächsischschweizer Version mit stetem Zirkel-, Zschirn- oder Schrammsteinblick mittlerweile genug Selbstbewusstsein, das Thema vorzugeben, sich dafür den passenden Regisseur zu mieten, um sich mit rund vierzig Mitwirkenden und weiteren zahlreichen Helfern an sechs Wochenenden je zwei Vorstellungen für bis 300 Zuschauer zu gönnen. Wobei das letzte Ticketsechstel immer für Einwohner der Gemeinde, in der Fußball, Fasching und Feuerwehr als Identitätsfaktoren durchaus gut funktionieren und sich die Theaterlinge dennoch inzwischen gut integriert fühlen, vorreserviert bleibt. Der Karten-Rest wird bei Nichtbedarf drei Tage vorher freigeben. Da der Jahrgang 2015 ausgelassen wurde, müsste dieses Jahr sowohl zehnter Geburtstag als auch die zehnte Edition gefeiert werden.

Die 2023er-Version trägt den Titel »Wasser?! Eine spannende Reise zur Quelle des Lebens« und knüpft durchaus ein wenig philosophisch als auch in den Rollenkonstellationen an die Vorjahresversion an. Da hieß das Werk unter Obhut von Alexandra Wilke »In Zeit baden« – nun hat Arnd Heuwinkel, bei den ersten beiden Versionen mit der Theaterguppe Aspik in wagemutigen Hauptrollen hier zugange, seine fünfte Regiearbeit abgelegt, womit er seinen Lehrmeister Uli Jäckle, der vier Kerben im Sandsteinregiewanderstock hat, überholt.

Rund vier Stunden inklusive Grillpause, bei der die ausgereichten Klapphocker durchaus Sinn haben, dauert die Handlungsrundreise, die Szenen sind höchstens 500 Meter voneinander entfernt, die nötige Livelogistik für Akteure, Technik und Ausstattung, die vor und nach den kurzen Interventionen möglichst unbemerkt abläuft, ist ebenso erstaunlich wie die Geschichte selbst: Dabei hat die knallrote Bürgermeisterin (Anna Groschwitz), die ihren Sohn (Ludwig Jubelt), einen echten Naturfreund, in den Gemeinderat kooptiert hat, einen großartigen Plan: Das Talbad namens Schandau und dessen Therme soll mittels eines neuen XXXXL-Spaßbades mit kilometerlanger Rutsche getoppt werden. Der Sohn zögert als Einziger, der Beschluss gilt dennoch als einstimmig. Doch daraufhin verkrümelt sich der Dorfbadeteich – die zu Ferienbeginn frisch angereisten Urlauber bilden eine Widerstandsgruppe – und jagen fortan mit dem Gemeinderat das kostbare Nass um die Wette.

Dieses ist in Tropfenform samt Stöpsel (Vereinsvorsitzender Sebastian Lachnitt in einer Schlüsselrolle) geflohen, um der gemeinen Vertrocknung zu entgehen. Doch da kommt (Premiere war kurz vorm Kinostart) ein peitschenknallender Superheld mit Lederjacke und Cowboyhut gerade recht: Indy Ana Jones alias Claas Würfel (als einziger Profi gleichzeitig Adjutant von Heuwinkel). Er hat einen Deal mit einem Bienchenschwarm voller Intelligenz, auf die er allerdings zu selten hört – aber der feschen Meisterbürgerin würde er schon gern zum feuchtfröhlichen Glück verhelfen …

Nur der herrliche Ältestenrat, der sich zu Tanztee und Maumau an der Dorflinde trifft, kennt die Legende: Der Badesee verschwindet aller Jahrhunderte mal – helfen könne nur die kettenrauchende Regentrude. So geht es nach der Karte vom berühmten Rolf Böhm als Wandergrundlage auf die Quellsuche über insgesamt elf Stationen und drei Kilometer im natürlichen Wasserkreislauf rings um den Wolfsberg. Das kühle Waldbad (im vergangenen Jahr bei gefühlten 12 bis 14 Grad noch Pausenstation) ward dabei ausgelassen. Wie gewohnt, wartet am Ende ein großes Finale mit allen Truppenteilen.
Erstaunlich souverän gelingen nicht nur das Freiluftspiel, welches keine Schwächen duldet, sondern auch die chorischen Gesangsnummern. Auffällig – neben Jubelt und Groschwitz – ist vor allem Demian Guse als Tod namens Torsten. Auch Tom Jäger, der letztes Jahr als böser Zeitgeist ertränkt ward, hat nun als Anwalt der Anklage der enttäuschten wassersüchtigen Tourismuswutbürger wieder seine große Szene. Diesmal muss dafür Produktionsleiterin Elke Pieschner als allwissende Hilde dank Sensenmann ins Gras beißen – auch das gelingt rührend.

Zur Beobachtung dieser illustren wie fiktiven Dorfgemeinschaft bei der Wassertropfensuche vor der nächsten Eiszeit wartet eine zweite Staffel von sechs Vorstellungen an drei Wochenenden, die am 19. August (samstags um halb zwei oder sonntagsmorgen um elf) startet. Dabei gelten derweil die ersten vier Termine derzeit für Nichteinwohner als ausverkauft – so dass bis drei Tage vorm Start derweil nur die Termine am 9. und 10. September im Vorverkauf sind. Aber die Chancen, dass der Status »ausverkauft« verwässert wird, wird nicht nur von Wettergöttern prognostiziert. Man erlebt ein flüssig-fluffiges Ereignis.
Andreas Herrmann

Wasser?! Eine spannende Reise zur Quelle des Lebens von Arnd Heuwinkel (Text und Regie). Nächste Vorstellungen in Bad Reinhardtsdorf: 2. und 3. sowie 9. und 10. September.
www.sandsteinspiele.de