Im eigenen Land
Vorhaben der Landesbühnen zur neuen Spielzeit
Das Wichtige beim Pressegespräch zuerst: die Goldene Weintraube, Restaurant und Kantinenbetrieb der Landesbühnen Sachsen, wird mit der Gala zur neuen Spielzeit von Andrej Sarrassani übernommen. Intendant Manuel Schöbel scheint wichtig, dass die Versorgung im Haus funktioniert, denn seinem Ensemble wird er auch 2016 / 2017 viel abverlangen. Neben den Proben und Aufführungen in Radebeul sind die Aufführungsorte des mobilen Theaters weit im sächsischen Lande verstreut, von Bad Elster bis Torgau, von Hoyerswerda bis Böhlen gab es insgesamt 604 Vorstellungen. Das sind etwas weniger als die Jahre davor und in der neuen Spielzeit sollen es auch weniger Spielstätten werden, wieder mehr Konzentration auf die Orte, wo Publikum schon zu finden ist. Zum Beispiel auf dem Theaterkahn in Dresden, mit dem eine Kooperation eingefädelt wurde.
Die künstlerischen Vorhaben beeindrucken erst einmal durch Masse. 28 Premieren sind angekündigt, davon acht Uraufführungen. Fünf Premieren finden außerhalb des Stammhauses statt. Überschrieben ist die ganze Spielzeit, wie auch das große, hausfüllende Theaterspektakel „Irrtümer III“ (ab 15.10. nur fünfmal bis Ende Oktober im Spielplan!) mit Märchen und Mythen. Davon gibt es viel im Premierenplan zu finden, im Schauspielbereich zu Ungunsten der großen Klassiker-Stücke, die aber noch im alten Repertoire vertreten sind. „Für die Region werden neue Stoffe und Spielformate gebraucht“, stellt der Intendant dazu fest, „damit nicht nur das Bildungspublikum aus Gewohnheit kommt, sondern Theater auch für alle anderen von Bedeutung sein kein“. „A Streetcar Namend Desire“ heisst dann eine zeitgenössische Oper des deutsch-amerikanischen Jazzpianisten André Previn nach Tennessee Williams „Endstation Sehnsucht“. Premiere am 1.10. in der Regie von Sebastian Ritschel, die musikalische Leitung hat Operndirektor Jan Michael Horstmann inne. Als Chefdirigent in allen musikalischen Genres zu Hause, bringt er zwei Wochen vorher in Kooperation mit dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen die kaum original gespielte Marionettenoper „Philemon und Baucis“ von Joseph Haydn zur Premiere. Mit Rossinis „La Cenerentola“ in der Regie von Annette Jahns, einer ambitionierten, semiszenischen Aufführung von Camille Saint-Saens „Samson und Dalila“, der „La Traviata“ in der Regie von Hinrich Horstkotte und „Zorro - Das Musical“ geht es im Musiktheater durch die Spielzeit, traditionell abgeschlossen durch die Saison auf der Felsenbühne Rathen. (Die Aufführungen hier erweisen sich übrigens als Zünglein an der Waage der eingespielten Einnahmen. Eine verregnete Saison wie 2016, lässt die positive Besucherbilanz der Landesbühnen schnell auch mal wieder etwas abrutschen.)
Für die Tanzcompagnie stellt Direktor Carlos Matos vier neue Produktionen in Aussicht und startet im November mit seiner Choreografie „Marias Engel“ nach Bachs Magnificat und das des Sohnes Carl Philipp Emanuel. Im November folgt „Wunderland“, ein zweiteiliger Tanzabend nach Lewis Carroll. Den Chef Manuel Schöbel konnte er gewinnen als Regisseur für die Tanzperformance „Prinzessinnen“ mit seiner Frau Wencke Kriemer de Matos, als bewegtes Theater über mehrere räumliche Stationen wird die Reise eines Mädchens ins Erwachsenenleben erzählt. Im März 2017 choreografiert Carlos Matos dann einen „Tango Piazzolla“ als Suche nach dem Glück auf einem Weg zwischen Gestern und Morgen und lässt sich insgesamt in seiner vierten Spielzeit mehr von der Musik, als von dramatischen Themen inspirieren.
Künstlerisch und in der Zusammensetzung stabil - trotz einiger Kritik im vergangenen Jahr - umschreibt Oberspielleiter Peter Kube die Arbeit seines Schauspielensembles und beschwört das Theater als wunderbaren, sozialen Ort. Unterschiedlichste Vorhaben sind geplant, die die Darsteller auch als Tänzer oder Sänger fordern. Peter Kube selbst nimmt sich als Regisseur in der Kooperation mit dem Theaterkahn die etwas in Vergessenheit geratene Kriminalkomödie „Fisch zu Viert“ von Wolfgang Kohlhaase vor. Ein echter Knaller ist die angekündigte Schauspielarbeit von Opernsänger und –regisseur Axel Köhler, der „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ nach Robert Louis Stevenson inszeniert. Das Musical „Heute Abend: Lola Blau“ sollte in der Studiobühne ein Garant für volles Haus werden, als Kontrast kommt hier dann Taboris „Die Goldberg-Variationen“ heraus. Bündelung aller Kräfte verlangt im April die Uraufführung „In Gottes eigenem Land“, nach dem gleichnamigen historischen Roman von Eberhard Görner. Es erzählt anhand des Wirkens des deutschen Pfarrers Mühlenberg aus Sachsen die Geschichte der europäischen Siedler in den Kolonien Amerikas Mitte des 18. Jahrhunderts. Als Projekt im Rahmen des Förderprogramms Reformationsjubiläum mit Musik von Paul Heller realisiert, sollen neben den eigenen Solisten auch bis zu 50 Statisten (Community Players) sowie Transportfahrzeuge, Kutschen und Pferde zum Einsatz kommen. Theaterinteressierte können sich ab sofort an den Landesbühnen als Mitspieler bewerben, die Regie übernimmt der Engländer Damian Cruden. Als Märchen mit Musik für die ganze Familie inszeniert Peter Kube danach für die Felsenbühne Rathen „Die goldene Gans“ nach den Brüdern Grimm.
Viele kleine Produktionen für Kinder und Jugendliche ergänzen das Programm. Gleich im September bringt das Figurentheater für die Kleinen in einer KITA „Siehst Du schon die Wichtel flitzen…“ heraus, für Kinder gar ab 2 Jahren soll das Musik-Tanz-Theater-Erlebnis „Lausch mal, was da hüpft“ funktionieren, während sich „Der Prozess“ nach Franz Kafka als mobile Produktion mit dem jungen.studio am Gymnasium Coswig heraus kommt. Unter Leitung von Steffen Pietsch startet das junge.studio als fortgesetzte Kooperation mit dem projekttheater mit dem Drogenstück „Big Deal“ in die Spielzeit. Es bringt im Haupthaus für Familien „Von einem, der auszog, das Gruseln zu lernen“ auf die große Bühne und verantwortet auch die Mono-Oper „Das Tagebuch der Anne Frank“. Dazu kommen vielfältige andere, gezielt an junges Publikum gerichtete Aktionen.
Eine Begegnung mit dem bunten Theaterkosmos der Landesbühnen Sachsen ist auf vielfältigen Wegen in Dresden und Sachsen für Kulturinteressierte fast unausweichlich. Die genaueren Koordinaten und alle inhaltlichen Infos sind in einer fetten Spielzeitbroschüre (Gestaltung schech.net) zusammengefasst und auch auf der Website nachzulesen.
Isolde Matkey