Allein, aber nicht passiv

Bei der Onlineperformance »Architecture of Separation« hat das Publikum die Regie

Es ist (leider) das Stück der Stunde: Die Tanzperformance »Architecture of Separation« beschäftigt sich nicht nur inhaltlich mit Corona. Vielmehr hat sich das künstlerische Team um die Tänzerinnen Amy Schönheit, Emily ShawRuss und Charles vor ziemlich genau einem Jahr gefragt, warum gestreamte Theater- und Tanzvorstellungen während des Lockdowns vergleichsweise selten wirklich angeschaut wurden, warum die allermeisten nach spätes­tens drei Minuten ein Tanzvideo nicht mehr weiterschauen – und das, obwohl Tanzclips zu den am häufigsten konsumierten Inhalten bei Facebook und Instagram gehören. Ihre Antwort: Weil die Zuschauerinnen und Zuschauer eine viel passivere Rolle haben als vor einer analogen Theaterbühne. Weil jemand anders vorher durch Schnitt und Kameraeinstellung entschieden hat, was das Publikum zu sehen bekommt.

Das multidimensionale Projekt »Architecture of Separation« möchte dies ändern. Die Performance wird am 3., 8. und 11. Dezember ebenfalls nur online zu sehen sein. Allerdings haben die Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich dafür auf einer Webplattform einloggen, mehrere Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden. Sie können zum einen aus den von fünf Tänzerinnen und Tänzern erzählten Geschichten auswählen, sie können das Geschehen aus mehreren Perspektiven betrachten, sie können dank der Aufzeichnung mit einer 360-Grad-Kamera die Szenen und die Szenerie selbst erkunden. Auch die Dramaturgie der Performance kann durch unterschiedlich gewählte Reihenfolgen selbst verändert werden. Selbst mehrfaches Anschauen der Performance ist möglich – und eben immer wieder anders möglich.

Der Inhalt kommt vielen sicher sehr vertraut vor. Die fünf Tänzer:innen, quasi gefangen in Containern, erzählen individuelle Erlebnisse während des Lockdowns – und von der kollektiven Erfahrung von Trennung und Verlust.

Das Projekt wurde möglich durch Förderungen des Fonds Darstellende Künste und der Landeshauptstadt Dresden. Hier macht Neustart Kultur vielleicht auch einen Neustart bei Übertragungsformen, im kulturellen Kommunizieren möglich. Natürlich ist es ein Experiment – auf das sich in Zeiten, in denen von großen gemeinschaftlichen Erlebnissen abgeraten wird, hoffentlich umso mehr Leute einlassen.
K.S.

Architecture of Separation
3., 8. und 11. Dezember, der Zugang ist jeweils ab 19 Uhr möglich. Die Tickets müssen jeweils bis spätestens am Vortag erworben werden. Tickets und weitere Informationen unter www.architectureofseparation.com