Wo Gott den Olaf traf
Die 8. Humorzone soll Dresden das Lachen zurückbringen
Das mit dem Lachen ist so eine Sache – vor allem in disen Tagen. Aber: Wenn man nicht mehr lacht, hat das Böse gewonnen. Manchmal muss man und kann nicht anders. Manchmal wundert man sich, dass alle anderen sich ausschütten, aber die eigenen Mundwinkel bleiben unten. Oder man findet etwas gar nicht komisch, muss aber lachen, denn es gibt schließlich auch die »ansteckende« Variante. Und dann wieder kann einem das Lachen nur vergehen, wenn es nicht schon im Halse stecken geblieben ist. Nüchtern und ganz wissenschaftlich gesehen ist das Lachen »gewöhnlich ein unwillkürlicher Akt, bei dem ein durch die Empfindungsnerven dem Gehirn überlieferter Reiz dadurch ausgeglichen wird, dass er auf die Nervenursprünge der beim Lachen in Kontraktion versetzten Muskeln übertragen wird. Demnach ist das Lachen eine sogenannte Reflexbewegung.«
Wir lernen also: Menschen, die auf der Bühne Comedy, Komödie oder Kabarett betreiben, sind auf der Jagd nach Reflexen. Und vom 9. bis 13. März wird dieses Treiben einmal mehr fast auf die ganze Stadt ausgedehnt, denn nach einem Jahr coronabedingter Pause kehrt das Festival nun auf die Dresdner Bühnen zurück – wenn auch nicht in der gewohnten Breite und Fülle. Denn noch immer gilt: Nur die Hälfte aller Plätze darf belegt werden – Stand Ende Februar –, was vor allem kleine Formate kaum durchführbar macht. Das ist zwar ärgerlich, aber Festival-Chefin Katina Haubold lässt sich davon nicht ausbremsen: Was irgendwie geht, findet statt! Und das sind immerhin knapp 50 Shows an fünf Tagen.
Mit der Idee eines Comedy-Festivals ging Katina Haubold schon lange schwanger, aber ihre Kinder waren noch zu klein, und der Stress deshalb umso größer, um sich auf alles in voller Güte konzentrieren zu können. Die Voraussetzungen für das Vorhaben waren trotzdem schon mal günstig: Mit der Agentour hatte sie eine Veranstaltungs- und Bookingfirma an der Hand, die im Lachgenre schon sehr erfolgreich und gut vernetzt war. Zudem ist die Anzahl der Comedy-Festivals landesweit extrem übersichtlich. Was also sprach für einen neuen Szene-Leuchtturm, dazu noch im tiefen Osten? Nichts. Viele Künstler und Agenten meinten: Macht mal los. Gesagt, getan und angepackt: Vom 19. bis 22. März 2015 ging die Premiere über die Bretter, Schirmherr Olaf Schubert gab dafür das bis heute gültige Motto aus: »Man darf auch mal lachen müssen.«
Der erste Jahrgang zeichnete bereits den Pfad, der auch heute noch gegangen wird: Große Namen wie Dietmar Wischmeyer, Torsten Sträter, Nico Semsrott, Michael Mittermeier oder Rainald Grebe waren ebenso zu erleben wie lokale Acts oder absolute Neulinge – Enissa Amani, Maxi Gestettenbauer oder Masud füllten seinerzeit noch das Kino Thalia. Zudem wurde über die Jahre eine weitere wichtige Programmsäule entwickelt: die Mix-Shows. Verschiedene Themen, passende Hosts. Festival-Warm-up, Newcomer-Wettbewerb, Zotenzone, Die Vorleser, Migrantenscheune, Eine ganz normale Freakshow, der Poetry Slam und seit 2018 die Flachwitzzone haben längst ein festes Publikum gefunden, dem es fast »egal« ist, wer auftritt, weil es Shows sind, in denen es immer etwas zu entdecken gibt, in denen sich Fame und New die Hand geben. Die Krone des Gemischten bleibt aber dann doch die Gala, moderiert vom Schirmherren persönlich. Auch hier bekommen die Berühmten ihren Platz wie auch die Neuentdeckungen inklusive »August«-Preisverleihung an den Nachwuchs-Publikumsliebling. Und: Es gibt bei der Gala einen Überraschungsgast. Unvergessen war 2015 der Surprise-Auftritt vom seligen Karel Gott, der mit Olaf Schubert im Duett »Fang das Licht« sang – nur selten mischen sich im Publikum Tränen des Lachens und der Rührung in solcher Weise.
Inzwischen ist die Humorzone ein festes Ding im Kalender der Einheimischen wie auch vieler Anreisenden, die Urlaub einplanen. Künstler wie Chris Tall, Felix Lobrecht, Alain Frei, Florian Schroeder oder Sebastian Puffpaff konnten auch dank des Dresdner Festivals amtliche Karrieren machen. Zudem gibt es kaum noch eine Bühne, auf der noch nicht gespielt wurde – vom Kulturpalast bis zum Projekttheater, vom Blue Note bis zur Herkuleskeule, vom Ostpol bis zum Boulevardtheater, vom Schauspielhaus bis zur Schauburg, von der GrooveStation bis zum FriedrichstaTTpalast. Fehlen eigentlich nur noch das Theaterhaus Rudi und die Semperoper: »Man soll nie Nie sagen«, schmunzelt Katina Haubold. Spricht man mit den Beteiligten über das Branchentreffen, kristallieren sich auch die Besonderheiten heraus, die überaus geschätzt werden: Der herzliche Empfang (mit Beuteln für alle Auftretenden voller regionaler Produkte), die Atmosphäre im Festivalhotel, die nutzbringenden Shuttles, das hochklassige Catering und die famosen Aftershowpartys sind nur einige Punkte, weshalb alle gern wiederkommen. Nicht zuletzt ist es das Publikum, das in Scharen auch zu weniger bekannten Namen kommt, auch, weil ein Großteil der Vorstellungen Dresden-Premieren der jeweiligen Programme sind.
Übrigens: Erste pandemische Erfahrungen gab es dann 2018 mit einer heftigen Grippewelle. Da blieben nicht nur einige Plätze in den Sälen leer, auch auf der Artists-Seite klafften urplötzlich Lücken. Also wurde fix umgeplant: Comedians, die schon in Dresden waren, sprangen einfach ein und übernahmen die Jobs der Erkrankten, nichts musste am Ende abgesagt werden. Zwei Jahre später ging es dann ans Eingemachte: Von Mittwoch bis Freitag konnte gerade noch gespielt werden, mit dem Sonntag kam der Lockdown und die Absage aller Shows. Wie es gelang, am Donnerstag vor dem Corona-Aus um 16 Uhr eine 20-Uhr-Show mit Horst Evers, Johann König und Torsten Sträter vom Schauspielhaus ins Kraftwerk Mitte zu verlegen, ist noch heute Legende. Das letzte Wort hatte dann 23.59 Uhr in der Scheune ausgerechnet Der Tod mit seiner »Geisterstunde«. Es wurde viel gelacht. Wer konnte schon ahnen …
Was folgte, war die allerorten einsetzende Verschieberitis auf das kommende Jahr, in den Sommer, in den Herbst, in dem ja alles besser werden sollte. Wurde es nicht. Der Jahrgang 2021 schließlich musste komplett ausfallen. Der Return im März dieses Jahres nun ist ob der anhaltenden Auflagen und Beschränkungen ebenso eine Herausforderung. Logistisch sowieso, aber auch das Publikum muss sich erst wieder daran gewöhnen, in Veranstaltungen zu gehen und kauft dafür auch nicht – wie früher – monatelang vorher die Tickets, sondern mit Augenmaß erst wenige Wochen oder Tage vor dem Termin. Das macht eine Kalkulation nahezu unmöglich.
Aber jammern gilt nicht, wenn man auch mal lachen müssen darf. Und so stehen ab dem 9. März 46 Shows auf dem Programm der 8. Humorzone Dresden: »Das ist ein richtiger Kraftakt, weil man sich mit jeder Veranstaltung viel öfter beschäftigen muss, als es in Normalzeiten der Fall ist – man erstickt regelrecht in Mails zwischen Hygieneregeln und Kontaktnachverfolgungen.« Doch Absagen kommt für die Festival-Chefin nicht infrage, obwohl so manche gekaufte Eintrittskarte eine zweijährige Geschichte mit mehreren Daten erzählen kann.
Natürlich beginnt das Ganze wieder mit dem Festival-Warm-up am 9. März in der Schauburg. Moderiert wird es diesmal jedoch nicht von Knacki Deuser, sondern von den wunderbaren Emmi & Willnowsky, die Miria Regensburg, Bademeister Schaluppke und Rolf Miller zu Gast haben. Und schon dieser Mittwoch zeigt die Bandbreite des Festivals: Johann König, Mathias Tretter, Florian Schroeder, Christoph Fritz, Stefan Danziger. Auch danach geht es noch vier Tage quer durch die Lachkultur. Bei Horst Evers etwa lesen diesmal Rainald Grebe, Leo & Gutsch und Olaf Schubert vor (10.3.), die wunderbare Clownin Gardi Hutter bringt »Gaia Gaudi« ins Kleine Haus (13.3.) und das »Witz Kommando« von Nizar marschiert ins Boulevardtheater ein (12.3.). So zeigt sich eine wahre Namensparade: Dave Davis, Pawel Popolski, Jan Philipp Zymny, Abdelkarim, Schwarze Grütze, Kay Ray, Postillion, Martina Schwarzmann, Timo Bomelino, Gregor Gysi …
Ein besonderer Abend dürfte der mit Thomas Kaufmann sein, der im Boulevardtheater mit »Mein Freund, der betrunkene Sachse« an Olaf Böhme erinnert (10.3.). Auf ganz andere Art außergewöhnlich sind die australischen The Umbilical Brothers, bei denen man auf alles gefasst sein muss mit Pantomime, Lichteffekten, Puppen … (11. März). Zudem wird es auch wieder musikalisch – gleich doppelt rappelt es erstmals in der GrooveStation mit Gankino Circus (10.3.) und Rise Against The Spülmaschine (11.3.), während in der Schauburg Ass-Dur ihre »Quint-Essenz« suchen (12.3.), und Ex-La-Brass-Banda Andreas Martin Hofmeir wandelt in der Schauburg erneut auf der Grenze zwischen Lesung und Musik (13.3.). Und weil das Stöckel’sche Familenevent diesmal nicht am Start ist, sorgen Daniel Wagner und Anna Wagner mit ihrer Märchenlandreise »Bei Vollmond spricht man nicht« in der Schauburg für generationenübergreifende Unterhaltung (12.3.). Ach ja, die Mix-Shows natürlich und und und.
Was für die Zukunft nicht auf der Agenda steht, ist Wachstum um des Wachstums willen. »Es soll überschaubar bleiben, eigentlich genau so, wie es 2019 war«, meint Katina Haubold und will auch deshalb keine Megashows in Messehallengröße, weil das den Charakter der Humorzone sprengen würde. Und es ist ihr wichtig, Humor vielseitig zu interpretieren, was auch Konzerte, Clownerie oder Lesungen etwa inkludiert. »Schwierig ist es momentan allerdings für den Nachwuchs«, ergänzt Haubold, die zwei fast spielfreien Jahre sind vor allem für weniger bekannte Künstler kaum aufzuholen. In allen Mix-Shows oder Formaten wie Nightwash bekommen die Neuen aber nach wie vor eine Bühne.
Zum Schluss noch ein persönlicher Blick. Was waren Katina Haubolds drei besondere Humorzonen-Momente? »Da gab es viele. Nur als Beispiele: Bei der ersten Humorzone spielte Torsten Sträter und wusste, dass – leicht zeitversetzt – auch Masud auftrat. Sträter wollte Masud unbedingt einladen, also fuhren wir ihn schnell hin und Masud wusste die Chance vor großem Publikum zu nutzen. Beeindruckend war auch die erste Vorstellung der Vorleser im Schauspielhaus und natürlich das Gott-Schubert-Duett bei der ersten Gala.«
Uwe Stuhrberg
8. Humorzone Dresden 9. bis 13. März, www.humorzone.de