Willkommen im HipHop-Olymp
Die Antilopen Gang ließ den Alten Schlachthof beben
Ich muss gestehen, dass ich Konzerte meistens genauso angehe, wie auch den Rest meines Lebens: spontan, unvorbereitet und ohne jegliche Erwartungen. Quasi bin ich vor einem Konzert das Gegenteil von einem ordentlichen Fan, ich kenne meistens nur ein oder zwei Songs, hab keinen Plan wie die Bandmitglieder heißen und verpasse zudem noch regelmäßig die Vorband.
Bei der Antilopen Gang am 2. März im Alten Schlachthof war es dieselbe Ausgangssituation – bis auf den großen Unterschied, dass ich ausnahmsweise pünktlich war und sogar Juse Ju als Supportact komplett gehört habe. Von dem hatte ich bis dato noch nie etwas gehört, da mein Deutsch-HipHop-Repertoire bei den Orsons und Maeckes anfängt, über Dendemann, Sookee oder Beginner geht und kurzerhand bei K.I.Z. endet. Das war es dann aber auch.
Von den Antilopen kannte ich klischeehafterweise lange Zeit nur „Fick die Uni“, das lief dann aber in jeder Prüfungszeit in Dauerschleife. 2014 habe ich halbherzig in das Aversion-Album reingehört – „Beate Zschäpe Hört U2“ und „Verliebt“ sind davon hängen geblieben. Dazu kam in den letzten Wochen „Pizza“ vom neuen Album „Anarchie und Alltag“, aber lediglich, weil Pizza als die Pauschallösung für alles erklärt wird. Ja, ich glaube fest daran, dass uns Pizza retten kann. Schlussendlich war „Das Trojanische Pferd“ der Auslöser, dass ich die Antilopen live sehen wollte.
Ohne große Erwartungen saß ich dann in der überfüllten Bahn, schließlich war das Konzert seit Wochen ausverkauft, Richtung Schlachthof. Dort angekommen, tummelten sich vor der Bühne im kleinen Saal Väter mit ihren Teenietöchtern neben Punks, Hipstern, Hippies, älteren Semestern und Sparplanhaus-Pärchen. Punkt 20 Uhr war der Saal voll und Juse Ju legte los. Seine One-Man-Performance mit Sampler und freshen Dance Moves war erstaunlich gut, der Sound klang anfangs zwar nicht so überragend, wurde aber nach einer Viertelstunde besser. Gesellschaftskritisch, selbstironisch und mit ein paar starken Lines ebnete Juse 45 Minuten lang den Weg für die Antilopen Gang und brachte den Saal zum bouncen und jumpen.
Kurze „Umbaupause“, die mit Queens „We Are the Champions“ endete. Feuerzeuge wurden rausgeholt, den Refrain konnte jeder im Publikum mitsingen und ganz nebenbei wurde das Licht gedimmt. Dunkelheit. Dann stürmten Danger Den, Koljah und Panik Panzer die Bühne und von null auf hundert wurde geraved und der Saal tobte. Willkommen im HipHop-Olymp. Panik Panzer erkundigte sich kurz ganz höflich, ob er das Publikum beleidigen darf. Einstimmig war man der Meinung, dass das vollkommen klargeht. Also legte er los und ließ Sprachbomben auf Dresden fallen. Alles Gute kommt nun mal von oben und aus politischen Gründen geht das in Ordnung. Deutschland muss sterben, damit wir leben können. Also Atombomben auf Deutschland, das Loch dann fluten und ein Naherholungszentrum draus machen. Der Schlachtplan der Antilopen Gang wurde mit Applaus verabschiedet.
Nach ein paar Nummern vom aktuellen Album wurde kurzerhand das #AUA-Bühnenbild umgedreht und Schlagzeuger, Bassist und Gitarrist kamen zum Vorschein. Es ist klar, jetzt wird Punk gespielt, Wall of Death im Vier-Viertel-System gebildet und gepogt. Panik Panzer lässt dann aber nach ein paar Liedern verlauten, dass Punk tot, aber HipHop immer noch okay ist. Also wird wieder geswitcht und es ertönen die „alten“ HipHop-Stücke. Gekrönt wird das von Danger Dans Solo-Keyboard-Einlagen, die mit „Ölsardinenindustrie“ etwas an Maeckes Gitarren-Konzerte erinnerten und die nicht jeder im Saal so supergeil fand. Hat aber zum Gesamtkonzept der Gruppentherapie a la Antilopen Gang gepasst, und falls Danger Dan mal auf „Akustik“-Tour geht, wäre ich definitiv am Start. Nach drei Stunden und doppelter Zugabe, „Fick die Uni“ als vorletzter Song durfte da natürlich nicht fehlen, war das Konzert vorbei.
Durchgeschwitzt und glücklich habe ich mir klischeehafterweise noch die aktuelle Platte zugelegt, meine „nicht vorhandenen Erwartungen“ über Bord geworfen und mir auf dem Heimweg noch eine Pizza gegönnt. „Spontan, unvorbereitet und ohne Erwartungen“ wird es bei meinem nächsten Antilopen Konzert im „Naherholungszentrum Deutschland“ nicht mehr geben.
Felicitas Galinat
Antilopen Gang 2. März, Alter Schlachthof