Willig inspirierend

Arthur Schopenhauer schrieb sein Hauptwerk in Dresden – Zeit für eine Ode im Großen Garten

Können Freud, Kafka, Schweitzer, Einstein Marcuse und Houllebecq lügen? Zumindest nicht (mehr) gemeinsam. Aber „Die Welt als Wille und Vorstellung“, gemeinhin als Hauptwerk von Arthur Schopenhauer, inspirierte nicht nur diese, sondern auch überlieferter Weise Richard Wagner, Max Horkheimer, Erich Kästner, Leo Tolstoi, Theo Fontane oder Wilhelm Busch – und das hält offenbar an. Und da dieses Buch, vor 200 Jahren echt analog erschienen, hier in Dresden geschrieben ward, wird dem nun gewürdigt: per feiner Ausstellung noch bis zum 23. Juni 2019 im Palais im Großen Garten samt spannendem Begleitprogramm. Der Name lautet: „... ein einziger Gedanke“ und die Kunst des Philosophierens – Arthur Schopenhauer in Dresden“ und holen endlich Werk und Autor in den hermeneutischen Kontext, in den sie gehören. 

Auch Dirk Hessel, dem Spiritus rector des gescheiten Ansinnens, hat es dermaßen erwischt, dass er nun mitten im größten sächsischen Garten des stärksten Augusts aller Zeiten und ohne die ringsherum vorstellungsarmen, unwillig umherschwirrenden Konzert-, Zoo- oder Akkuautobesucher zu stören, zwei Wochen eine Art Gedankenfestival der feinsinnigen Art bietet. Gemeinsam mit Maja Nagel, Julius Günzel und Ralf Bockholdt sowie Tristan Production konzipiert, bietet die Ausstellung bietet drei  Dauervorstellungen: Einerseits den Episoden-Film „Arthur Schopenhauer in Dresden“ mit ruhigen, teils geschickt überschnittenen Stadtbildern zum Text als einstündige Schleife, eine eigenwillige, 14-minütige Hörinstallation aus dem vierten Teil des Buches zwischen den steinernen Gesellen im mystisch beleuchteten Innenraum und eine Informationsstrecke über Entstehungs- und Wirkungsgeschichte im unteren Südsaal.  

Der Philosoph, der später sogar Nietzsche in sein Werk trieb, kam 1814 als 27-jähriger Frischdoktor in die Stadt, die ihm offenbar – neben den alten Indern sowie Platon und Kant – zur Quelle diente, ist nicht nur Moralist, sondern (was nicht dazu passt) vielleicht auch der erste Konstruktivist und wurde sogar von Loriot und Käthe Kollwitz porträtiert. 

Dazu gibt es an jedem der drei Freitage fachkundige Philosophen und am samstags (je 20 Uhr) immer auserwählte Kunst. So zeigen am 8. Juno Sprachkünstler Wolfgang Krause Zwieback und Musiker Gundolf Nandico das „Leben in der Blauen Stunde“, eine Woche später werfen (unter dem Label „performative Philosophie“) der Philosoph Rainer Totzke, der Poet Kurt Mondaugen und der Schlagzeuger Dirk Hessel ihre „Soundcheckphilosophiemaschine: Kunst und Leben“ an.

Am 14. Juni wird der Pariser Orientologe Urs App über „Schopenhauers Lieblingsbuch“ referieren, während am 21. Juni Marie Philosphieprofessorin Michèle Blondin aus Montreal sogar dem „Bildersturm in der Philosophie: Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung als Revolution“ annimmt. 

Die Ausstellung ist donnerstags und freitags ab 14, am Wochenende sogar schon ab 11 Uhr und jeweils bis 19.30 Uhr geöffnet und kostet für Erwachsene ab 18 Jahren drei Euro. Die Veranstaltungen kosten Erwachsene neun und Ermäßigte sechs Euro, herrliche Abendspaziergang eingeschlossen. Der Film startet zu jeder vollen Stunde neu. Zur Finissage am 22. Juni gibt es unter dem Titel „An den Rändern des Denkbaren: Zwischen mir und mir. Sehnsüchtige Körper“ ein Manifest samt Tekkno–Painting, Tanz und Skulptur. 
Andreas Herrmann