Wie ein Rauschen im Wald
Review: Arbouretum im Beatpol
Richtige Songs sind das bei ihnen gar nicht. Um als richtige Songs durchzugehen, müssten gängige Songformate strenger eingehalten werden, bedürfte es charmanter Melodiebögen und der Leichtigkeit, mit der sich Songs normalerweise ins Ohr schmeicheln. Vor allem würden Textzeilen benötigt, die sofort hängen bleiben, sprich zum Gassenhauer taugen. Oder sollte tatsächlich jemand der Ansicht sein, die Passage "When rust has spread to everything/ And weeds have choked the garden/ In air so thick it's hard to breath" aus Arbouretums "Call Upon The Fire", jüngst erschienen auf "Song Of The Rose" könnte irgendwann im Stadionoval selige Wiedererkennungserlebnise bescheren ähnlich "We gotta get out while we're young/ 'Cause tramps like us/ Baby, we were born to run"?
Na aber, entgegenet Sänger, Gitarrist und Hauptsongschreiber David Heumann bei einem Interviewverabredung vor dem Beatpol-Konzert. Auf jeden Fall sei es doch so, dass erstaunlich viele im Publikum mit den Songtexten vertraut sind und manch einer selbstverständlich mitsingt. Sehr oft werde sogar der Gedankenaustausch gesucht, was die Interpretation angeht.
Darauf lässt er sich aber bestimmt nicht ein, oder? Immerhin sind Arbouretum-Songs von einer hermetischen Beschaffenheit, die vermuten lässt, dass es dem Künstler weniger darum geht etwas mitzuteilen als vielmehr sich hinter seiner Kunst zu verbergen wie ein scheues Rehkitz im Unterholz?! Auch in diesem Punkt weit gefehlt. Selbstverständlich äußere er sich zu seinen Songs, sagt David Heumann und legt auch schon los. "Call Upon The Fire", verrät er, handelt von Vergänglichkeit. Hinter "Comanche Moon", ebenfalls von "Song Of The Rose" und neben "Call Upon The Fire" in Dresden auf dem Spielplan, steht eine Geschichte, die ein Freund aus Texas erzählte. Die Ortschaft, in welcher der Freund lebt, wurde dereinst bei Vollmond von Indianern aus der Nachbarschaft angegriffen. Ein Akt der Verzweiflung, die Ureinwohner wollten ihr Land nicht widerstandlos den Okkupanten überlassen, und sind mit ihrer Attacke derart gründlich gewesen, dass sich der Tag der Heimsuchung tief ins kollektive Bewusstsein der Anwohner eingebrannt hat und von einer Generation zu nächsten als Mahnung weitergegeben wird.
Das berühmte "Rote Buch" des Schweizer Psychoanalytikpioniers und Siegmund-Freud-Schülers Carl Gustav Jung, auch das bestätigt David Heumann vorbehaltlos, sei ihm sehr wohl eine wichtige Inspiration. Allerdings beschränkt er sich keineswegs darauf, den opulenten Pachtband einfach nachzuerzählen. Die einzige tatsächliche Übereinstimmung finde sich in "The White Bird" vom Album "The Gathering". Stattdessen mache er sich Jungsche Methoden zur Mobilisierung des Unterbewusstseins für sein Songschreiben zu nutze. Und weil er doch vorzugsweise auf eine aus der Natur entlehnte Bildersprache zurückgreift, seine Band Arbouretum heißt, was auf Bäume und Wald hindeutet, erlaubt das dann nicht die Schlussfolgerung, dass der Wald für ihn eine Metapher für das menschliche Unterbewusstsein ist? "Habe ich noch nie drüber nachgedacht", antwortet Dave Heumann. "Unterschreibe ich aber sofort."
Auf die Bühne gebracht wurden die Stücke, wie sie auf den Tonträgern enthalten sind. Als träge Erscheinungen, die einem schnell langweilig werden, sofern es nicht gelingt, sich auf die minimalistischen Binnenmelodien der Gitarre oder des Keyboards einzulassen. Oder Bass und Schlagzeug zu folgen, die weniger damit beschäftigt sind, die Musik voranzutreiben, sondern für ein stetiges Gleichmaß sorgen. Ein Sound jedenfalls, der den Raum ausfüllt wie ein Rauschen im Wald.
Ach ja, und der Bandname Arbouretum bezieht sich zweifellos auf den Begriff Arboretum, der aber eben einen botanischen Garten speziell für Bäume bezeichnet, keine Baumschule. Wer das behauptet, hat den Unfug abgeschrieben, den andere auch schon bei anderen abgeschrieben hatten.
Bernd Gürtler
Arbouretum 11. Juni, Beatpol
www.arbouretumband.tumblr.com