Vier im Hardtwald
Dynamo Dresden bezwingt in Hälfte zwei die ungemütlichen Sandhäuser
Immer wieder dieser Essvau. Diese Spiele nerven schon vorab, weil man weiß, dass es dort wenig bis nichts zu holen gibt – über die Jahre mit unterschiedlichen Teams ligaübergreifend hier wie dort. Zehn zu sechs Siege für die Sandhäuser bei sieben Remis, dazu 32:24 Tore. Ganz schlimm die 0:4-Heimpleite aus 2017, in der letzten Saison gingen beide Partien mit 0:1 in die Binsen. Dazu das Wellental der Ergebnisse in den letzten Wochen. Das eher maue 1:1 daheim gegen Saarbrücken machte wenig Hoffnung, dass es nun ausgerechnet in Sandhausen besser werden sollte. Die Punktrettung last minute unter Beteiligung zweier Einwechsler und wohl auch mit einem Quäntchen Abseits durfte man zurecht als lucky punch bezeichnen.
Mit der Aufstellung überraschte Thomas Stamm dann schon einmal: Mit David Kubatta, immerhin Totschütze gegen Saarbrücken, und Sascha Risch durften zwei Langzeit-Bankdrücker beginnen, Philip Heise saß dagegen auf der Bank – und blieb dort auch, etwas überraschend, bis zum Schlusspfiff. Jonas Oehmichen vertrat einmal mehr die Abteilung „Jugend forsch(t)“, denn Tony Menzel fehlt noch immer verletzt. Also dann …
Die erste Halbzeit: Oahr nee! Yesss!, Oahr nee!
Das Spiel beginnt wie die meisten der vergangenen Wochen. Dynamo drückt durchaus, hat das Leder, aber am Sechzehner fehlt es an Genauigkeit, Übersicht, Cleverness und Spieleranzahl. Versuche von weit weg verenden am Block oder in der Luft weit weg vom Netz. Es passiert wenig, wer mehr Puls braucht, muss sich einen doppelten Espresso einverleiben. Oder zwei. Auffällig ist aber, dass Christoph Daferner durchaus on fire ist.
Ausgerechnet als Sandhausen nach einer Viertelstunde etwas besser in Fahrt kommt, hat dann aber der wuselhaarige Oehmichen fast die Führung auf dem Fuß, dem nur knapp eine Jonas-Sterner-Flanke vom Schuh gespitzelt wird. Das war es dann aber auch mit dynamischer Offensiv-Herrlichkeit. Aber auch von der Heimelf kommt wenig bis nichts, ab und zu segeln Ecken oder Flanken in den Schreiber-Strafraum, aber wilde Kopfbälle in Serie sind alles, was denen folgt. Um es kurz zu machen: Es ist a little bit langweilig.
Die Hälfte der ersten Hälfte ist rum, wieder so eine Ecke der Weiß-Grau-Gestreiften. Kurz gespielt, weit und breit keines der Gelbhemden zu sehen, also Zeit für eine Bogenlampe nach Maß – und dann Kopf, Kopf, Kopf, Tor. Als Vorletzter hat am Fünfer Ex-Dynamo Jakob Lewald die Stirn dran, der auf Ex-Dynamo Dominic Baumanns gegeltes Haar ablegt, der wiederum rechts oben einnickt. Eigentlich, also wirklich eigentlich, steht Sterner dicht dran am Torschützen, ist auch drei Zentimeter länger, aber mehr als ein unterinspiriertes Hüpfen hat er in der Situation nicht parat. Also: 1:0, alles wie befürchtet.
Das Oahr-nee-Adrenalin ist noch nicht ganz aus der Hirnrinde gewichen, da schüttet es literweise Dopamin in die Hypophyse: Daferner stellt auf 1:1. Und das war Risch gut gespielt. Der Bankdrücker nutzt seine Chance, auf sich aufmerksam zu machen, und spielt einen perfekten Pass durch die linke Abwehrseite, den nur ein Jungspung wie Oehmichen erlaufen kann mit seinen 20 Lenzen – durchrasen bis kurz vor der Grundline. Sein Pass nach innen ist dann eigentlich semitoll, weil er genau dahin geht, wo keiner der Mitspieler lauert, obwohl diese mit 4:3 in der Überzahlt sind. Aber die Sandis spielen mit: der Goalie hechtet ins Leere, der Verteidiger geht auf Eigentor, dass Lewald (na klar) per Fallrückzieher verhindern will. Doch diese Moves standen wohl zuletzt nicht im Training, denn der Ball rutscht Lewald komplett über den Schuh zur Seite, wo Daferner nur noch den Oberschenkel hinhalten muss.
So, halbe Stunde rum. Jetzt geehhhts lohos! Denkste. Es wird nun gezupft und gehakelt. Halimi und Loch hätten beide klar Gelb sehen müssen, aber der an sich erfahrene Robert Kampka sagt sich offenbart: Dritte Liga? Kann ich auch! Also sagt sich Vinko Šapina, bei den ganzen Trikottests mache ich mit – abgepfiffen, rumgenölt, Karte gesehen. Pffff.
Direkt danach, es sind noch vier Minuten bis zur Pause, Freistoß für die Kurpfälzer. Und wieder flippert das Runde über Köpfe und durch die Reihen, bis Otto am rechten Pfosten freisteht und flach zum 2:1 trifft, auch, weil Kubatta dort allein gegen drei steht. Oahr nee, sowas schon wieder! Und abermals der Lewald mittendrin. Denkt sich das Sterner, als er ihn kurz darauf gelbwürdig wegsenst? Okay, erstmal Pause. Wozu auch immer sie gut sein möge.
Die zweite Halbzeit: Die wilden acht Minuten
Keine Wechsel, aber die Dynamischen rucken jetzt an. Fast hätte Oehmichen sein zweites Saisontour geschossen, schießt aber knapp links vorbei nach schönem Durchsatz und präzisem Pass von Jakob Lemmer. Auf der anderen Seit taucht Otto frei und nah vor Schreiber auf, wechselt jedoch in letzter Milisekunde die Sportart und geht auf ein Field Goal.
Es sind 53 Minuten rum: Auftritt Niklas Hauptmann. Das Mittelfeld-Ass hat bis hierhin wie eigentlich immer fleißig in alle Richtungen gearbeitet, aber augenfällig wird es erst jetzt. In der Hälfte der Hälfte Sandhausens nimmt er den Ball an, lässt mit einer Köperdrehung den Gegenspieler alt, also uralt, also Pleistozän-alt aussehen, geht paar Schritte und spielt einen oberaffengeilen (so sagten wir als Kinder) Pass, der die Defensive aufsägt wie der Fuchsschwanz den vertrockneten Weihnachtsbaum. Und Sportfreund Daferner ahnt, nein, er weiß, wohin die Reise des Balles geht. Bevor die überrumpelten Defender schnallen, was Phase ist, erläuft unsere 33 den Ball und geht auf den Torwart zu, der nur noch zusehen kann, wie er im Fallen überlupft wird. 2:2. Die gelbe Extase nimmt Formen an.
Das Tor nagt dann doch an den Nerven der SVer, die sich das hier sicher anders vorgestellt hatten. So verballern sie einen bestens verorteten Freistoß nah an der Sechzehner-Linie komplett in den Mülleimer. Und Freistöße bei Dynamo? Da war doch was. Überhaupt Standards. Neuerdings hat man in Dresden entdeckt, dass da was gehen könnte, dass man sogar Tore damit erzielen kann. Und so steht Risch nur sechs Minuten nach dem Ausgleich links außen mit einem solchen Freistoß vor dem Fuß, allerdings meilenweit von der Gefahrenzone entfernt. Der Ball segelt Richtung kurzer Pfosten, Sandhäuser fallen übereinander und Šapina versenkt maßgenau mit dem Scheitel ins lange Eck. 2:3! Was ist denn hier los?! Schmidts Katze ist ein Leisetreter gegen dass, was hier nun auf dem Rasen und den Rängen abgefeiert wird. Und wurde es nicht einfach auch mal Zeit, dass Vinko Šapina seine 2,14 Meter mal in ein Tor umwandelt?!
Noch während man in solcherlei schönen wie unnützen Gedanken verweilt, schlägt es bei Sandhausen schon wieder ein. Keine Atempause, Tor wer’n gemacht, es geht voran! Es ist der Rebound nach einer Ecke, den Sterner als zweiten Versuch per Flanke vor das Tor bringt, wo Casar mit aller Wucht den Schädel hinhält. Königsmann im Gästetor zeigt da noch eine monströse Handschuhparade, doch dann legt sich Oehmichen in der Luft quer und semmelt den Ball einfach ins Gewühl der Beine. Wie im Flipperautomaten sucht sich die Kugel nun den Weg ins Ziel und ward am Ende klar hinter der Linie gesehen. 2:4! Ist der Hund in der Pfanne schon verrückt oder wird er es erst jetzt?
Noch eine knappe halbe Stunde ist zu spielen, aber bei einigen Hartdtwäldlern geht der Kopf runter, wenn auch Versuche da sind, zu verkürzen. Der eingewechselte Kutschke hat aber noch mit einem Kopfballkracher an die Latte eine Möglichkeit wie auch Greil mit einer Doppelchance erst an Schreiber und dann an sich selbst scheitert. Es wird gewechselt und es hagelt Karten, kurz vor Schluss gar eine rote für Halimi, die dann doch etwas überzogen war. Im Prinzip hat der Referee in der ersten Hälfte zu oft weggeschaut, dann aber zu hart durchgegriffen. Pfeifen ohne Balance gegen beide Seiten. Dann ist Schluss und Dynamo geht als Tabellenzweiter in den ersten Advent. Nun kommt Bielefeld. Das wird das richtungsweisende Spiel in Richtung Spielpause.
Uwe Stuhrberg
SV Sandhausen vs SG Dynamo Dresden
30. November 2024, Anstoß: 14 Uhr
Tore: 1:0 Baumann (24.), 1:1 Daferner (29.), 2:1 Otto (41.), 2:2 Daferner (53.), 2:3 Šapina (59.), 2:4 Oehmichen (61.)
Dynamo Dresden: Schreiber, Sterner, Kubatta (76. Meißner), Boeder, Risch, Sapina, Casar, Lemmer (90.+5 Batista Meier), Hauptmann, Oehmichen (90. Berger), Daferner (76. Kutschke)
Ohne Einsatz: Mesenhöler, Duah, Heise, Marx, Bohdanov
Schiedsrichter: Robert Kampda
Fans: 6.447
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