Verdammt schön

Sie individualisiert meisterhaft Haare, er Fahrräder: Katha Frisur und Rad Felix in Pieschen

»Bis später«. Kurz spiegelt sich die Sonne in Bernds Brillengläsern, dann zuppelt er mit seinem blauen Klapprad von dannen. Katha und Felix schauen dem Nachbarn hinterher. Hier auf der Oschatzer Straße geht es familiär zu. Jeder kennt jeden. Schnell ist eine halbe Stunde verschnattert. Zumal, wenn der Kaffee in der Morgensonne auf dem Bürgersteig eingenommen wird. Noch einen letzten Schluck, dann beginnt für Katha und Felix das Tagwerk.

Im Frühjahr 2022 erfüllten sich Katha Wahrmuth und Felix Lange den Traum vom eigenen Laden. Sie als »Katha Frisur«, er als »Rad Felix«. Schönes Haar trifft schöne Räder, das klingt einleuchtend. Dafür zwei nebeneinander liegende Läden zu finden, gestaltete sich für das innige Pärchen wesentlich schwerer. Mit den Geschäftsräumen der einstigen Pieschener Kult-Eisenwaren-Handlung von Lolita Kliemann wurden die beiden 2021 fündig.

Fett prangt bis heute über dem rechten Teil der Ladeneinheit der Schriftzug »Werkzeuge Eisenwaren«. Hier, hinter braunem 70er-Jahre-Steinmosaik, befindet sich Kathas Reich. Puristisch, klar und edel geben sich die zwei Ebenen des in mattem Schwarz und warmem Holz gehaltenen Friseursalons – und spiegeln damit 1:1 die stylische Versiertheit ihrer Betreiberin wider. Die alten goldfarbenen Türen und Jalousien, die geölten Holzmöbel, mit Naturfarben getünchte Wände – all das harmoniert wunderbar mit dem Nachhaltigkeits-Konzept der Friseurmeisterin, welche ausschließlich ökologische Pflegeprodukte der Wiener Manufaktur »Less is more« verwendet. Coloriert wird mit veganen Farben.

Etwas rustikaler gestaltet sich das Raumgefühl in der Fahrradmanufaktur von Felix Lange nebenan. Auf dem alten Fliesenboden im Vorraum harren Restaurierungs- wie Reparaturaufträge ihrer Fertigstellung entgegen. Sie schielen zur Wand, an welcher der Meisterbrief des mit allen Wassern gewaschenen Zweiradmechanikers hängt. Ein weiterer Hingucker zieht bereits im Schaufenster alle Blicke auf sich: Randonneur ist die korrekte Bezeichnung für das anmutige silberne Reisefahrrad im Stil der 60er-Jahre. Von A bis Z erbaut von Rad Felix, der seine Babys als leicht, stabil, einfach zu bedienen und verdammt schön definiert.

»Radeln ist mehr, als sich hin und her zu bewegen. Es ist Couch und Therapeut«, sinniert der Mann mit dem dunklen Zopf. »Selbst die 10 Minuten zur Arbeit, geben mir die Möglichkeit, mich geistig zu sortieren beziehungsweise auf dem Rückweg den Tag Revue passieren zu lassen. Man sagt auch«, fährt der Radphilosoph in Plauderlaune fort, »Radeln entspricht der Geschwindigkeit der Seele.«

Der Weg zum schnittigen, leichtgängigen und individuell dem Körper des Besitzers angepassten Bike geht über die Fertigungsstätte in der hinteren Ebene des Ladens. Dort werden die Laufräder noch von Hand eingespeicht, auf Wunsch sogar mit knallbunten Speichennippeln. Im Gegensatz zur landläufigen Fahrradwerkstatt ermöglichen Sandstrahlkabine, Fräse und Drehbank das Modifizieren wie die Neufertigung von Bauteilen, welche im Handel nicht erhältlich sind. Hier treffen das enorme Fachwachwissen von Felix Lange und sein großes Verständnis für Ergonomie aufeinander.

Fahrräder von der Stange sind allesamt genormt, Menschen indes individuell. Sie haben lange oder kurze Beine, wiegen viel oder wenig, sind fit oder unsicher auf zwei Rädern. Ein Problem, dem Rad Felix forsch ans Leder geht. Bei dem 37-Jährigen werden aus Bikes von der Stange individuelle Fahrzeuge; dem Körper und den Bedürfnissen des Besitzers optimal angepasst. Traumräder, die wie ein maßgeschneiderter Schuh perfekt sitzen, funktionieren und lange halten. Das nennt man Nachhaltigkeit. Und davon ist Felix Lange großer Fan. So sehr, dass er Kunden mitunter davon abrät, sich von ihm ein komplett neues Rad bauen zu lassen, sondern lieber zum Neuaufbau unter Verwendung der alten Teile plädiert. Nachhaltig heißt aber auch, vorauszuschauen, ob die Kundin vielleicht in fünf Jahren Nachwuchs auf ihrem Drahtesel transportieren wird. Der Zeitrahmen für die Fertigung des Mercedes unter den Fahrrädern liegt bei drei bis sechs Monaten. Finanziell geht der Spaß ab 2.500 Euro los, Tandems kosten ab 5.000 Euro.

Sein absolutes Meisterstück (einen federleichten Panzer mit ausgewogener Sitzposition) erschuf Felix selbstverständlich für seine 45-jährige Verlobte Katha, mit welcher er zum Feierabend vorm Laden in der Abendsonne gechillt den Feierabend genießt. Meist gesellt sich dann auch Bernd mit dem blauen Klapprad dazu und spendiert ein Bierchen. Als Dank fürs Luftaufpumpen am Vormittag. So macht man das hier auf der Oschatzer Straße.
Mutti

Katha Frisur Oschatzer Straße 1, Termine nach Vereinbarung, www.kathafrisur.de
Rad Felix Oschatzer Str. 1, Dienstag bis Freitag 10 bis 12 und 14 bis 18 Uhr, www.rad-felix.de