Unterwegs mit Kind und Kegel
Review: Maria Taylor im Beatpol
Wenn Schallplattenfirmen ihre Veröffentlichungen vorab an Medienvertreter rausgeben, dann mittlerweile fast nur noch als MP3-Files. Wie schrecklich das klingt, weiß jeder, der noch eine HiFi-Beschallung aus Altbeständen von früher sein eigen nennen darf, Tonträger nach wie vor brav beim Fachhändler erwirbt und sich sein Gehör noch nicht durch permanenten Ohrstöpselgenuss bösartiger Techno-Beats ruiniert hat.
Sicher, manchmal werden auch noch Vorab-CDs im besser klingenden, handelsüblichen Wave-Format versandt. Etwas sehr Wichtiges fehlt zumeist jedoch auch dort, die Songtexte nämlich. Ein besonderes Handicap gerade bei Künstlern, die darauf bestehen, dass sich ihre Songs nicht vordergründig über die Songtexte erschließen, deshalb den Gesang tiefer in die Musik mischen, trotzdem aber eine Menge mitzuteilen haben.
Nachdem Songlyrics zu Maria Taylors jüngstem Album „In The Next Life“ nunmehr in einschlägigen Netzdatenbanken hinterlegt sind, zeigt sich eben, dass „A Good Life“ keine Ode an ein schönes Leben ist. Stattdessen formuliert es die Besorgnis, den eigenen halbwüchsigen Söhnen keine einigermaßen passable Existenz gewährleisten zu können, einfach weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dagegen sprechen. Und geschrieben wurde der Song lange bevor Donald Duck als fünfundvierzigster US-Präsident ins Weiße Haus eingezogen ist.
Der Rest aber trifft zu. Vergangenes Jahr vierzig geworden, ist „In The Next Life“ Maria Taylors Bilanzalbum. Nachdenklich schaut sie auf die Vergangenheit und sinniert über Familie, Kinder, das Leben und den Tod. Ob es Zufall war, dass erstaunlich viele Paare im Publikum gewesen sind, die die Vierzig offensichtlich hinter sich hatten? Vielleicht um sich zu erinnern, wie sich das damals angefühlt hat? Oder zu schauen, wie jemand anderes damit umgeht? Womöglich mit Udo Lindenbergs „Sie ist vierzig“ im Hinterkopf?! Kurz vor seinem Karriereknick, skizzierte der Panikrocker 1977 das traurige Bild einer Vierzigjährigen, die zur Hausfrau verdammt ist, von ihrem Göttergatten kaum noch wahrgenommen wird und in ihrer Verzweiflung den Abfluss vom Spülbecken ansägt, in der Hoffnung, der Klempnergeselle würde sich vernaschen lassen.
Was das angeht, kann bei Maria Taylor Entwarnung gegeben werden. So zierlich, wie sie wirkt, so kraftvoll ist sie auch. Erst auf der Bühne beginnen ihre Songs zu leben. Balladen werden noch leidenschaftlicher, Rocksongs noch rockiger. Sobald sie derber in die Saiten ihrer roten Gretsch Electromatic greift, geht es ordentlich zur Sache. Und sie ist der Chef, ohne jeden Zweifel. Sie zählt die Songs ein, sie gibt das Tempo vor, sie spricht zum Publikum, niemand sonst. Bei einem kurzen Interview vor ihrem Beatpol-Auftritt danach gefragt, weshalb auf „In The Next Life“ ihr Backgroundsänger Conor Oberst bei „If Only“ kaum zu hören ist, obwohl er doch ein so angesehener Musikerkollege ist und obendrein als zeitweiliger Lebensgefährte eine bedeutende Rolle für sie persönlich gespielt hat, fiel ihre Antwort ziemlich eindeutig aus. Wir leben im Zeitalter der Emanzipation, sagt sie. Früher habe sie für ihn Background gesungen, jetzt sei es eben umgekehrt.
Ihre Kinder hatte sie übrigens dabei. Sie zu Hause zurückzulassen, wenn Tourtermine anstehen, das sei noch zu früh. Also wurden kurzerhand zwei Flugtickets mehr gekauft. Unterwegs mit Kind und Kegel sozusagen. Und weil eben noch nicht in einem Altern, um zu verstehen, was Zeitverschiebung ist, sind die beiden aufgekratzt durch den Backstagebereich gepurzelt.
Dass sie demnächst auf die aktuelle politische Lage zu Hause in den USA eingehen wird, hält Maria Taylor für denkbar. Sofern ihr etwas Brauchbares einfällt, dann sicher. Am Entsetzen auf ihrem Gesicht, als sie über die Vereinigten Staaten der Gegenwart sprach, ließ sich schon jetzt ungefähr ablesen, wie es um das Land aktuell bestellt sein muss. Ein Populist im höchsten Regierungsamt, möge uns das erspart bleiben.
Bernd Gürtler
Maria Taylor 25. Februar, Beatpol