Theater im Wald, gerollt oder gehört
Mit „Second Life“ bekommt Dresden ein denk-würdiges Festival
Da steht ein Theater vor dem Theater. Das eine, Schauspielhaus genannt, erhebt sich mit all seiner steinernen Macht über den Postplatz. Das andere passt gerade so auf einen Autoanhänger und findet vom 8. bis 10. Juli seinen Platz davor auf der Freifläche am Riesenrad. Und so heißt das herangezogene Ganze auch passend „Rolling Stadttheater“. An allen drei Tagen gibt es hier ab 18.30 Uhr ein Spektakel, das jeweils eine ganze Theaterspielzeit spiegelt – jede Performance eine Premiere, es gibt Dramaturgie, Intendanz, ein Musical, einen Klavierabend, eine Ballettaufführung oder ein Konzert. Das Besondere: Viele der Rollen werden mit lokalen Größen besetzt, und an jedem der drei Abende werden es andere sein. So tummeln sich hier etwa Dieter Beckert, Scotty Böttcher, Andi Valandi, Isolde Matkey, Heike Zadow, Ulla Wacker, Tim Schreiber, Lara Liqueur, Holger John, Wolf-Dieter Gööck, Falk Töpfer, Christoball, Katharina Lattke, Max Rademann oder Ju von Dözschen im Lineup. Deshalb wird die Inzenierung an jedem Tag eine andere sein – ein wahres Theaterabenteuer bei freiem Eintritt und einer allabendlichen Premierenfeier. (Update: Am 8. Juli findet das Ganze wegen des zu erwartenden Dauerregens im Societaetstheater statt.)
Ausgedacht hat sich das „Rolling Stadttheater“ die Crew von Glanz und Krawall, die das Projekt in Kooperation mit dem Societatetstheater in die Stadt bringt. Denn die Drei-Abende-Show ist auch Teil des Festivals „Second Life“, das vom 8. bis 17. Juli Theaterformen in neuen, re- und upgecycelten Versionen und Dimensionen zeigt.
Da gibt es zum Beispiel im Foyer des Societatetstheater »Gute Nacht – eine Hörspiel-Installation zum Nicht-Einschlafen« von Pragmata. Vom 8. bis 11. Juli von 15 bis 19 Uhr kann jeweils zur vollen Stunde genau eine Person wildgewordene Schlaflosigkeit durchleben, (Un)Ruhe erfahren. Im gleichen Zeitraum biegt Georg Traber im Apfelgarten des Hauses „Draten“. Es entstehen Figuren, Abstraktionen, der Material-Dompteur mittendrin. Oder nehmen wir das zoologische Theater „Le Predator“ von Julian Bellini. Wie der Titel verrät, geht es in der etwa 20-minütigen Performance um Raubtiere. Aber was hat das mit Bildern, Papier oder einem Toaster zu tun? Wer ist die Beute und wer der Jäger? Herausfinden kann man das am 8., 9. und 11. Juli im Theatergarten (15 bis 19 Uhr) sowie am 10. Juli im Prohliser Wäldchen (16 bis 19 Uhr).
Dass bei einem solchen Festival auch Cie. Freaks und Fremde nicht fehlen dürfen, liegt auf der Hand. Und so gibt es am 8. Juli (10.30 Uhr) sowie am 9. Juli (11.30 Uhr) indoor „Glück – Eine kurze Geschichte der Menschheit“. In der neuen Figurentheaterproduktion für Groß und Klein geht es um die Suche nach dem Glück und die vielen Fragen, die sich damit verbinden.
In die Heide geht es mit „Human Tree Trime“ am 11. Juli (11, 12 und 13 Uhr). Mit dem Klub Girko trifft man sich am Eingang zum Konzertplatz Weißer Hirsch und taucht mit Musik ein in die Welt des Holzes, der Balance, der vergänglichen Bilder, der Strukturen der Natur. Am selben Tag gibt es im Prohliser Wäldchen ein ähnlches Thema mit „Flüsternde Bäume“. Hier wird ein leiser Erzählraum geschaffen mit Geschichten unter und aus dem Blätterdach, begleitet vom Sound des Stahlcellos von Jan Heinke. Den Sonntag beschließt dann eine Glockenperformance im Theatergarten: „Die Glöckner“ aus Mülheim bewegen sich in einer Choreografie aus kraftvollen Läutebewegungen, meditativen Klangbildern und archaischen Gesängen.
Mit dem Thema Nachhaltigkeit und Kunst beschäftigt sich der Roman „Fest der Folgenlosigkeit“, aus dem Friedrich von Barries am 12. Juli im Theatergarten lesen wird. „Anthropos, Tyrann (Ödipus)“ war eine Kooperation der Volksbühne Berlin mit dem Theater des Anthropozän – am 13. Juli ist das Stück als Online-Aufführung im Gutmann-Saal zu sehen, live präsentiert von den Protagonisten Frank Raddatz und Alexander Eisenach.
Aus Spanien kommt die schon beim Schaubudensommer gefeierte Compañia Zero en Conducta. Vom 14. bis 17. Juli ist auf der Gartenbühne jeweils 20 Uhr das Puppenstück „Trashhh!!! Und Nymio“ zu erleben, das sich mit der zauberhaften Welt der weggeworfenen Dingen auseinandersetzt. Am letzen Festivaltag geht es sinnbildlich noch einmal in den Wald, den Zauberwald. In Kooperation mit 1001 Märchen erzählt Brit Magdon die Geschichte von der Hexe Baba Jaga, der schönen Wassilissa und Iwan, der seine verlorene Liebe sucht. Dazu musiziert Makiko Gubarew-Miyake auf tönernen Tieren. Alle Infos zu Tickets, Zeiten und Orten gibt es über den Link unten.
JH
Second Live 8. bis 17 Juli, Societaetstheater, Postplatz, Heide, Prohliser Wäldchen
www.rollingstadttheater.de
www.societaetstheater.de