Smells like Team Spirit

Drei Tore und drei Punkte zum zweiten Advent: Dynamo dominiert Bielefeld

Foto: SG Dynamo Dresden

Es konnte einem ja das Fürchten lehren, was nach den letzten zwei Spielen über die wuchtvolle Spielweise des DSC aus Bielefeld berichtet wurde. Vor allem die Namen des Fast-Dynamos Kania und des schussgewaltigen Oppie waren medial in aller Munde. Dabei wurde auch der Heimatverein von Thomas Stamm aus dem Pokal geballert. Dagegen standen die letzten Begegnungen der SGD mit zwar anschwellender Form und wachsendem Erfolg, aber noch immer spielerischen Reserven nach oben.

Nun also das dritte Duell innerhalb der Tabellenspitze in Folge. Im anbrechenden Pre-Abend hörte es rechtzeitig auf zu regnen, und das Flutlicht malte die Wiese fein grün. Da war es schon merkwürdig, dass diese Partie nicht ausverkauft war. (Aber womöglich hieß es für einige: „Du immer mit deinem Scheiß-Fußball! Heute geht es zum Advent zur Oma Stollenessen!“ Was will man da machen?) Der Gäste-Stehblock immerhin war zu zwei Dritteln gut gepackt, die ersten Gesänge waberten hin und her. Es kribbelte in der feuchtkalten Luft. Denn wer heute hier gewinnt, hat schon mal einen Abstand von fünf Punkten auf den brotlosen fünften Platz (remember: Sachsenpokal-Aus).

Die Aufstellung wird verlesen – mit einem Fauxpas: Erst sagt Stadionsprecher Peter Hauskeller die falsche Trikotnummer von David Kubatta an, dann schweigt das Oval, als der Nachname gerufen werden müsste, während Hauskeller noch „39“ hinterhüstelt. Derweil schaffen sich gleich sieben Rasenausputzer im Strafraum vorm B1. Und zwar nur dort. Die Mannschaften kommen raus, keine Änderungen bei Dynamo. Hat der Trainer seine Stamm-Elf gefunden? Mit dem K im Rücken stößt Schwarz-Gelb an.

Die erste Halbzeit: Zwei Hüpfer zum Hallelujah

Es geht los, wie man es befürchten konnte oder musste. Nach 30 Sekunden tauchen die Ostwestfalen schon im Dresdner Strafraum auf, nach 90 Sekunden gibt es eine erste Fastchance am Sechszehner-Rand, nur der letzte Pass sitzt eben nicht (haha, das kennen wir ja). Der DSC macht Ansage, die SGD läuft dem Ball hinterher. Dann ruckt ausgerechnet der Youngster Jonas Oehmichen an. Gerade noch im Laufduell unterlegen, holt er in Minute fünf robust den Ball, geht mit voller Kraft links voraus und spielt scharf nach innen – aber am kurzen Pfosten lauert Goalie Kersken und packt zu. Kurzer Herzkasper, als Jonas Sterner einen No-Look-Pass in den Raum spielt, den kein eigener Spieler erreichen kann. Sofort ist ein Blauhemd da und geht Richtung Schreiber. Immer wieder fliegen Flanken in den SGD-Strafraum, vor allem Sascha Risch hat hier in der Anfangsphase seine liebe Mühe.

Doch nach zehn Minuten ändert sich das Bild. Den Rebound des ersten schnellen Dynamo-Konters drischt Aljaz Casar zwar deutlich in den Abendhimmel, aber die Naturgewalt des Strahls geht in das Mindset der Heimelf über. Innerhalb weniger Minuten straffen sich die Leiber und die Sportgemeinschaft mutiert zu einem Fußballmonster aus Kraft, Mut, Spiellaune und Fußballkunst. Wie Lukas Boeder sich als letzter Mann mit Ball am Fuß um den Gegenspieler wickelt, lässt einen kurz durchpusten, aber wenn man es kann …

Der Startflow von Bielefeld ist jetzt gänzlich verflogen, der Ball rollt durch die schwarzgelben Reihen. Hinten raus trotz Bedrängnis? Kein Problem mit Doppelpass deluxe. Und im Mittelfeld schuften Vinko Vinko Sapina und Niklas Hauptmann immer wieder gute Optionen für den nächsten Gegenzug raus. Nach einer reichlichen Viertelstunde schlägt es fast bei den Gästen ein, aber da ist zu viel Billard dabei. Die folgenden zwei Ecken bringen nichts.

Aber zwei Minuten später passt es dann: An der Mittelline klaut Boeder das Runde von des Gegners Schlappen, geht einige Schritte und passt an der Außenlinie entlang auf den startenden Jakob Lemmer. Und man darf es sich schon noch mal in Zeitlupe anschauen, wie der den Ball in vollem Lauf mit einer Drehung mitnimmt und dann mit Schmackes quer durch den Fünfer drückt. Verteidiger und Torhüter mühen sich redlich, segeln aber vorbei, während Oehmichen am zweiten Balken seinen schmächtig scheinenden Körper vor den Blauen schiebt und im Halbflug einnetzt. Einszunull, und schon wieder der wuselige Wuschelkopp mit der 25. Und wie der der sich freut! Er hopst einmal, zweimal. Nicht dieses pomadige, selbstdarstellerische Kniegerutsche zur Eckfahne. Nein, echte Freude. Es geht einem das Herz auf.

Was auffällt: Dynamo läuft nicht in die eigene Euphorie-Falle und will sofort das nächste Tor erzwingen. Man bleibt ruhig, lässt den DSC auch mal kommen, verteidigt aber gelassen, jedoch nicht lässig, weg, was da anrückt. Es ist allerfeinst zu sehen, wie etwa Sapina an der eigenen Torauslinie den Ball auf einem Bierdeckel behauptet, ohne ihn wegzudreschen. Dennoch versuchen beide Mannschaften hoch zu pressen, nur kommt die SGD damit besser zurecht. Spielaufbau bei Bielefeld? Hastnichgesehn. Dagegen immer wieder zeitige Balleroberungen der Hausherren, die aber nicht gut genug genutzt werden, mal verhaspelt, mal zu ungenau. Es dauert bis zur 27. Minute, dass die Gäste Morgenluft schnuppern wollen: Corboz marschiert ziemlich unbegleitet auf den Strafraum zu und müsste nur links auf den vollkommen freien Oppie spielen. Machterabernich. Der Egoshooter feuert deutlich drüber.

Ansonsten kommt von Blau nix bis gar nichts. Kein Wunder, da immer wieder zwei, manchmal drei Gelbe den Ballführenden attackieren. Immer wieder müssen die DSCler deshalb den Rückwärtsgang einlegen oder verlieren das Leder. Warum sich aber Kubatta nach einer halben Stunde Gelb holt, bleibt sein Geheimnis. Obwohl der Ball schon im Aus ist, teilt er mit einem harten Check aus und schickt den Gegenspieler mal die Bandenwerbung lesen. Who knows, vielleicht war das was Persönliches zu klären.

Es steht die Frage: Kann Dynamo noch vor der Pause nachlegen? Hauptmann hätte können, sein Schuss wird jedoch nach einer Maßflanke geblockt. Aber läuferisch, körperlich und spielerisch sitzt es, was Bielefeld oft zu einfachsten Fehlern zwingt. Und als es an der rechten Außenbahn heißt „Lemmer gegen alle“, ist die Zehn nur mit einem Foul zu stoppen. Und sie kommen nun immer mehr in Fahrt, ständig sind Oehmichen, Lemmer, Sapina, Hauptmann, Daferner, Sterner oder Risch dabei, Angst und Schrecken zu verbreiten. Nächster Konter, nächster Angriff … Mit Ach und Krach halten die Arminen dagegen, blocken, fälschen zu Ecken ab, hat der Torwart noch ein Körperteil dran. Bis zur 42. Minute.

Sapina verwickelt die Gegenspieler in ein Scharmützel an der Eckfahne, schleicht ein wenig zurück, und als er von Risch überlaufen wird, spielt der ihm den Ball mit der Hacke so genau in den Lauf, das Risch – ohne anzunehmen – sofort in den Fünfer flanken kann. Und Daferner tut, was ein Stürmer tut, und haut das Ding aus Nahdistanz in die Maschen. Zweizunull und die Bude tobt, als wäre man gerade aufgestiegen. Daferner geht steil mit hochrotem Kopf – alles muss raus, raus, raus! Die Gäste sind wütend auf sich selbst oder einfach nur bedröppelt.

Bis zur Pause gibt es noch ein paar Bemühungen der Arminen, den Anschluss herzustellen, aber kein Anschluss unter dieser Nummer. Für Casar und Sapina müssen noch die Medis kurz aufs Feld und Hauptmann hat Glück, dass er einer ausgeteilten Sense nur eine Ermahnung bekommt.

Die zweite Halbzeit: Meißner finalisiert

Thomas Stamm sah keinen Grund, jemanden auszutauschen, auch der gelbverwarnte Kubatta bleibt drauf. Bielefeld hingegen tauscht dreifach. Dynamo holt die siebente Ecke, gleich danach die achte. Arminia hat bis hierhin eine

Es entwickelt sich jetzt ein wenig ein Hauen und Stechen, ein Fighten um jeden Grashalm und Maulwurfshügel. Dabei ist das nicht über Gebühr unfair, aber durchaus sehr körperlich. Referee Florian Lechtner hat dabei alles im Griff, kaum eine Entscheidung von ihm wird diskutiert, er fällt kaum auf – und so soll es ja auch sein. Währenddessen walzert der K dauerhaft im Dreivierteltakt. Überhaupt: der Support. Keine Mätzchen, eine Ego-Action, kein Feuer – einfach nur brachiale Lautstärke. Auch mal sehr schön zu sehen und zu hören.

Aber was ist denn heute in Oehmichen gefahren? Schon wieder läuft er allen auf und davon, findet Lemmer mit einem finessen Anspiel durch die Reihen, aber der Dresdner Zehner verhaspelt sich mit den Füßen und sein Schuss findet kein Ziel. Wenig später rast Casar wie ein D-Zug über das Feld, hat mehrere Optionen vor dem Sechzehner, spielt dann aber einen Pass ins Nirvana. Aber immerhin: Smells like Team Spirit.

Und dieser Zusammenhalt ist jetzt umso wichtiger, da Arminia unbedingt ein Tor will, die Frische der Wechsel macht sich auch langsam bemerkbar. Aber entweder wird auch auf engstem Raum von Dynamo kollektiv verteidigt, oder aber Tim Schreiber ist da, wenn notwendig, etwa, als Oppie aus spitzem Winkel doch mal abschließen kann. Fast im Gegenzug hält Daferner aus 20 Metern einfach mal drauf, aber drüber.

Eine Stunde ist rum, es geht nun hoch und runter. Bielefeld kann seine Unsicherheiten nicht abschütteln, Dynamo diese final aber nicht nutzen. Hier Flanken, dort Seitenläufe, alle haben alle Füße voll zu tun. Robin Meißner kommt für Jakob Lemmer und Schreiber ist außerhalb seines Handbereiches mit Köpfchen zur Stelle.

Dann die 63. Minute. Was ist denn heute in Oehmichen gefahren? Hatten wir das nicht gerade? Schon wieder läuft er quer über die quietschgrüne Wiese, irgendwie können die Blauen damit nichts so recht anfangen: Ja, wo läuft er denn hin? Und dann geht es blitzschnell und blitzgescheit. Mit dem Rücken zum Tor bekommt Daferner den Ball, spielt einen Schnittstellen-Doppelpass mit Hauptmann und steht urplötzlich frei vor Kersken. Und etwas zu nah dran. Denn: Je näher dransten am Torwart, umso großer dessen Abwehrchance. Mit dem Fuß wird der Einschlag verhindert, während der nachrückende Oehmichen zu überrascht ist und über den Ball stolpert. Aber genau für solche Fälle ist ja Robin Meißner da, der absolut richtig steht und aus dem Spiel heraus einen Elfmeter verwandelt. Hah, das Publikum so: Oauuuhh, hmmmneiiiin, jaaaaaaa! Dreizunull. Das Ding sollte eingetütet sein.

Sollte, aber ist es eben nicht. Denn es dauert keine drei Minuten, da muss der eingewechselte Biankadi das Tor für die Alm-Kollegen machen, aber Risch grätscht nur Zentimeter vor der eigenen Linie mit Hochrisiko dazwischen und Schreiber begräbt den Ball in seinen Handschuhen. Nach 71 Minuten wechselt auch Dresden dreifach: Kutschke, Marx und Berger kommen, Oehmichen, Daferner und Hauptmann gehen.

Noch eine Viertelstunde zu gehen und jetzt ist es fast ein Duell: Sapina testet Kersken, Oppie wiederum Schreiber. Beide Torhüter bleiben Sieger. Mit ablaufender Zeit geht die SGD dann aber nicht mehr auf das vierte Tor, sondern will vor allem keinen Treffer fressen. Oft wird er Ball nur hinten rausgedroschen, während Bielefeld wenigstens noch am Ergebnis schrauben will. Denn, und das sieht man den Gästen bei aller Bemühung an, der Drops ist gelutscht. Spätestens als gleich zwei (!) Arminen das leere (!) Tor nach einer sehr guten Hereingabe aus einem Meter Entfernung nicht treffen, ist klar, wer das Ding heute Abend ziehen wird. Dafür hatte Stefan Kutschke gar noch den vierten Dresdner Treffer auf dem Fuß, scheitert aber an Kerskens, der den Schuss durch die Hosenträger verhindern kann.

Für die letzten fünf Minuten kommt Bünning für den großartig aufspielenden Sapina und Risch holt sich ein Sinnlos-Gelb für Ballvertüddeln nach Schiri-Pfiff (wegschlagen kann man auch nicht sagen). Der Rest ist Auslaufen, Wegschlagen, Wegverteidigen, Zeit totschlagen. Und dann ist Schluss. Mannschaft und K wiegen sich noch drei Stunden im SG-Dynamo-Walzer. Mannheim kann kommen.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs. DSC Arminia Bielefeld

8. Dezember 2024, Anstoß: 16.30 Uhr
Tore: 1:0 Oehmichen (19.), 2:0 Daferner (42.), 3:0 Meißner (62.)
Dynamo Dresden: Schreiber, Sterner, Kubatta, Boeder, Risch, Casar, Sapina (84. Bünning), Hauptmann (71. Berger), Lemmer (61. Meißner), Oehmichen (71. Marx), Daferner (71. Kutschke)
Ohne Einsatz: Mesenhöler, Batista Meier, Heise, Menzel
Schiedsrichter: Florian Lechtner
Fans: 27.668
www.dynamo-dresden.de