Sieg über die Sonne
Die zehnte Auflage des Festivals »Literatur jetzt!«
Der Titel der zehnten, vom 4.bis 14. November stattfindenden Ausgabe von „Literatur Jetzt!“ zitiert die gleichnamige russische Oper aus dem Jahr 1913, die als erstes futuristisches Gesamtkunstwerk gilt. Das skandalträchtige Werk »Sieg über die Sonne«, an dessen Entstehung Welimir Chlebnikow, Kasimir Malewitsch und andere Avantgardisten beteiligt waren, schildert den Triumph der menschlichen Ingenieurskunst über die Sonne. Einerseits feierte die Oper die technische Bändigung der elementaren Energie unseres Zentralgestirns, andererseits wies sie bereits prophetisch auf die politische Sonnenfinsternis voraus, die aus einer zur totalitären Herrschaft verkommenen Utopie entstehen sollte.
Das Thema lag nahe, findet das vom Verein Livelyrix organisierte Festival doch in Kooperation mit dem Deutschen Hygiene-Museum statt und damit parallel zur Sonderausstellung »Shine on me. Wir und die Sonne«. Wie die Ausstellung umkreist auch das Festival die Sonne als das lebensspendende, potenziell aber auch zerstörerische Zentrum unseres Kosmos‘. In den meisten Kulturen der Menschheit erscheint die Sonne bis heute als ein grandioses poetisches, religiöses und politisches Symbol, als Sinnbild einer Kraft, die über alles menschliche Maß hinausgeht. Im Dialog von Literatur, Solarforschung und Kulturwissenschaft erkundet das Literaturfest diesen Raum zwischen Utopie und Untergang, zwischen dem Alltäglichen und dem Spektakulären, das sich immer aufs Neue unter der Sonne vollzieht.»Literatur Jetzt!« bietet ein energiegeladenes Programm aus Lesungen prominenter Autorinnen und Autoren, Buchvorstellungen, Podiumsgesprächen und multimedialen Aktionen, ein Poetry Slam und ein poetisches Stationendrama sowie eine Familientag mit Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene.
Eigens für den Auftakt des Festivals hat der Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge in Text, Bild und Ton einen Abend komponiert, an dem eine schemenhafte Kindheitserinnerung an Dresden ebenso zur Sprache kommt wie die Orientbegeisterung Karl Mays, ein verschollenes Gemälde von Caspar David Friedrich und die bis in die Gegenwart nachwirkende Bildgewalt von Zootieren im Bombenkrieg. Corinna Harfouch und Marcel Beyer stellen diese multimediale Arbeit Kluges vor, der als Kind die Zerstörung seiner Heimatstadt Halberstand erlebt hatte. Eng am gesetzten Thema sind ein Gespräch zwischen der Wissenschaftsjournalistin Sibylle Anderl und dem Schriftsteller Thomas Lehr unter dem Motto »Das Universum, die Astrophysik und das 20. Jahrhundert«, die Filmpremiere »Solreven – der Sonnenfuchs« von und mit Regisseur Frank Wierke sowie ein Familientag mit Führungen und kreativen Angeboten für Kinder.
Die Literatur steht im Mittelpunkt, wenn Denis Scheck »Druckfrisches« vorstellt. Der bekannte Literaturkritiker spricht dabei von seiner Liebe zur Literatur und erläutert, was in seinen Augen ein gutes Buch auszeichnet – und woran man Schund erkennt. Außerdem stellt er wichtige Neuerscheinungen und zeitlose Lieblingsbücher vor. Zu den Autoren, die in diesem Jahr aus ihren aktuellen Werken lesen, gehören Lucy Fricke (»Töchter«), Nora Gomringer (Texte zu den fantastischen Figuren und Bildern der in Dresden lebenden Künstlerin Daniela Hoferer), Georg Klein (»Miakro«), Judith Schalansky (»Verzeichnis einiger Verluste«) und Uwe Timm (»Ikarien«).
Bei einem »poetischen Stationendrama« unter dem Titel »Museum der Poesie« in den Räumen der Sonderausstellung »Shine on Me« bringen die Lütfiye Güzel, Artur Becker und Ron Winkler ihre lyrischen Welterkundungen performativ oder lesend zur Darstellung (Musik Richard Ebert, Saxophon). Eine Nacht der Lesebühnen (mit André Herrmann, Ivo Lotion, Maik Martschinkowsky und Ella Carina Werner), der Poetry Slam »Zur Sonne« (mit Dominik Bartels, Kaddi Cutz, Kirsten Fuchs, Christian Kreis, Jacinta Nandi und Stefan Seyfarth) oder ein von der Dresdner Lesereihe Ostkap gestalteter Abend mit junger Literatur und ein vervollständigen das Festival, bei dem sich der Schriftsteller Marcel Beyer in der Festival-Lounge als DJ präsentiert.
wonne
»Literatur jetzt!« 4. bis 14. November, www.literatur-jetzt.de