Schmidteinander

Wie Mannschaft und Trainer der SGD über Viktoria Köln siegen

Die große Fragen an diesem sonnengefluteten Sonnabend waren: Wie wird es nach den zwei gefeierten Siegen und dem etwas ernüchternden Auftritt in Verl weitergehen? Und welche taktischen und personellen Ideen wird Alexander Schmidt hervorholen, um seine Mannschaft zum Rückrunden-Halali in die richtige Spur zu bekommen. Und das gegen eine Mannschaft, die gerade einen Lauf hat und bei der der Trainerwechsel zu Ex-Dynamo Olaf Janßen durchaus gefruchtet hat.

Apropos Halali: Noch bevor es um die Jagd nach Punkten ging, hieß es erst einmal „Fox on the run“. Ein Rotpelz hatte sich in die Schüssel geschlichen und lieferte sich mit einer etwas genervten Security einen Wettlauf durch die Reihen von oben nach unten, von K nach O. Irgendwann wurden schließlich die Türen zwischen den Rängen geöffnet, so dass Reinecke entweichen konnte. Zwar gibt es die Tollwut hierzulande nicht mehr, aber es soll sich ja im Saisonabschluss keiner unserer Goldfüße noch einen Fuchsbandwurm holen.

Der Blick auf den Spieltagskader brachte die Rückkehr von Ransford Yeboah-Königsdörffer und Heinz Mörschel in die Startelf, von den Langzeitbankdrückern blieb Agyemang Diawusie drin, während Panagiotis Vlachodimos zunächst sein Sitzfleisch trainieren musste. Da Christoph Daferner mit Fünfergelb arbeitsfrei hatte, durfte man gespannt sein auf das Werwiewaswo.

Die erste Halbzeit: Offensive Glücksmomente

Hatten wir nicht schon immer wieder mal in dieser Kolumne gemeint, dass es doch sinnvoll wäre, Königsdörffer in die Spitze statt rechts raus zu stellen? Heute kam dieser Tag, denn Diawusies Arbeitsplatz war wieder die Außenbahn, während die auf der anderen Seite von Chris Löwe beackert wurde. Dass der Routinier vor Leroy Kwadwo den Runner gibt, dürfte auch für den Gegner überraschend gewesen sein, während es zu erwarten war, dass Philipp Hosiner wieder ganz vorn agieren wird. Ganz hinten war man zu dritt. Vorerst.

Schwarzgelb stößt an und macht sofort die Ansage, wer hier regiert. Forsch ging in Richtung Kölner Endzone und drauf mit Mann und Maus, wenn die Roten den Ball haben. Und sehr schnell zeigt sich die Viktoria beeindruckt, es gibt kein geordnetes Hintenrauskommen, wenn überhaupt, dann blindes Wegschlagen und Ballverluste. Da dauert es nur vier Minuten, bis es zur ersten dicken Chance kommt: Flügelflitzer Löwe hebt gekonnt den Ball von ganz draußen an den zweiten Pfosten, wo Diawusie von allen vergessen lauert. Frei halbrechts vor dem Tor dauert aber erst das Ballannehmen eine halbe Sekunde zu lange, dann rutscht ihm auch noch der Schuss erst über den Schuh, dann über den Balken. Und man hätte es ihm so sehr gegönnt.

Aber es vergeht kaum eine Minute, da spielt Diawusie erst einen Doppelpass mit Mörschel und geht dann solo in den Strafraum – gegen einen, gegen zwei, gegen drei. Den Ball eng am Fuß – wie man es von Messi kennt – dribbelt er sich durch, aber die Coolness springt von Null auf Gleich in den Überhitzungsbereich, als die 11 nur noch Mielitz vor sich hat. Der erfahrene Keeper geht zeitig runter und spekuliert richtig: Statt ins Eck zu legen oder gar zu lupfen trifft Diawusie aus Nahdistanz nur den Mann. So viele Haare kann man nicht haben, wie man sie raufen möchte (und ich habe noch eine Menge davon). Leider ist das auch der Moment, an dem für Diawusie das Spiel irgendwie beendet ist, denn mental erholt er sich von diesem Doppel-Missgeschick nicht mehr.

Das Team als Ganzes zeigt sich jedoch unbeeindruckt, das zeitige Tor soll unbedingt her, und das ständige Anrennen macht Köln in der Birne weich. Da wir zeitges Tor als „innerhalb der ersten 15 Minuten“ definieren, nimmt Kevin Ehlers mit Anlauf seinem Gegenspieler den Ball einfach mal weg, geht ein paar Schritte nach innen und spielt vor den Sechzehner, wo Mörschel sich freigelaufen hat. Ballannahme und Vorwärtsbewegung kommen bei ihm wie aus einem Fluss und direkt auf der Strafraumlinie zieht er ab. Mit leichtem Touch eines Verteidigers geht der Schuss unten rechts rein. Einszunull. Kaum auszudenken, was hier mit Fans losgewesen wäre! Tja, Diawusie: So muss das. Aber wie sagte einst Stepi? Lebbe geht weider.

Das Hardcore-Pressing lässt etwas nach und erfolgt ein wenig tiefer, es kehrt ein bisschen Ruhe ein. Die Sportgemeinschaft behält aber nach wie vor die absolute Kontrolle, Köln bekommt offensiv nichts gebacken. Will, Stark und die Dreierbande Ehlers–Knpping–Kwadwo ziehen schlicht und ergreifend jeden Zahn, der mal vom Kuchen abbeißen will. Wird dann doch mal Gelbhemd überlaufen, steht dahinter sofort wieder eines bereit, vielbeinig ist das Bollwerk, das die Null halten soll. Währenddessen könnte Kevin Broll auch Grillen gehen. Seine wichtigsten Aufgaben sind bis hierhin, Rückpässe anzunehmen und Abschläge zu üben.

Es ist nicht ganz eine halbe Stunde vergangen, da endet das Post-Covid-Experiment mit Königsdörffer. Wie mit dem Trainer vorab vereinbart, gibt er das Zeichen, dass es nicht mehr geht, so kommt bereits in Minute 28 Vlachodimos aufs Grün. Und der braucht keine Eingewöhnungszeit: 120 Sekunden auf dem Platz, da bekommt er zwischen Fünferlinie und Elfmeterpunkt den Ball, schießt sofort, wird geblockt, versucht, sich in eine bessere Position zu schlängeln, doch eine Kölner lässt das Bein hinten raus stehen, was einer Einladung zum Elfmeter gleichkommt. Tja, und wenn man so nett eingeladen wird, dann nimmt man auch an. Franz Bokop pfeift und Hosiner schreitet zur Tat. Halbrechts flach und stramm ins Glücksgefühl, Mielitz bucht den Flug in die andere Richtung. Zweizunull. Fast gleichzeitig führt Wiesbaden gegen die Löwen, bei den anderen steht ein Remis.

Der zweite Treffer macht Dynamo etwas relaxter, aber nicht unaufmerksam. Das Gesamtbild bleibt: Viktoria weiß sich nicht zu helfen, Janßen wechselt zeitig Cueto ein. Bei Dresden werden immer wieder interessante Positionswechsel ausprobiert, die den Gegner zusätzlich verwirren. Nennenswert ist aber noch eine Aktion zwei Minuten vor der Pause, als Vlachodimos eine formidable Flanke auf den zentralen Hosiner spielt, aber bei der Annahme ist ein Handspiel unübersehbar. Zwar zappelt der Ball im Netz, aber der Schiri sagt: Gültet nicht.

Die zweite Halbzeit: Defensive Glücksmomente

Die Warmmacheinheit in der Pause zeigt an: Es kommen Niklas Kreuzer und Luka Stor. Auf der Pressetribüne ist man sich einig: Raus gehen Diawusie und Hosiner, letzterer aber nicht der Leistung wegen. Denn Alexander Schmidt hat eine Idee und zeigt sich dabei als Taktikfuchs. Mit der Zwei-Tore-Führung im Rücken will er nicht weiter auf das körperlich verschleißende Hochpressing fahren, sondern die Defensive stärken und die Kölner etwas tiefer stehend auskontern. Kreuzer hat diese Umschaltmomente ja im Blut und Stor hat ja gegen Ingolstadt mal ein Kontertor erzielt.

So bekommt – wie zu erwarten war – Köln deutlich mehr den Ball, aber erst in der 56. Minute weiß Broll, warum er heute die Handschuhe angezogen hat. Schön legt er sich in die Halme, um den Ball zu ergreifen, allerdings war es eine leichte Übung. Nach knapp einer Stunde darf Marvin Stefaniak für den sehr fleißigen Paul Will weitermachen, der mit Stark eine gute Balance aus Balleroberung und Gegnerhatz an den Tag legte. Aber der Druck auf das Kölner Tor wird mit zunehmender Spielzeit immer geringer. Ein Schuss von Stor aus guter Position wird geblockt, ein Cueto-Kopfball auf der anderen Seite wird von Broll sicher gefangen – es ist die einzige Chance der Kölner, die man Torchance nennen kann.

Ab der 72. Minute haben wir dann zwei Löwen auf dem Feld, denn für Mörschel kommt Justin Löwe ins Spiel, immer leicht zu erkennen, weil er der einzige Fußballer auf dem Feld ist, der sein Trikot in die Hose steckt. Ansonsten können wir es hier abkürzen: Das Spiel ist durch, Dresden bringt das Ergebnis souverän über die Zeit und der Viktoria fehlen einfach an diesem Nachmittag die Möglichkeiten. Dass die Konter-Idee des Trainers nicht wie gewünscht aufgegangen ist, liegt unter anderem daran, dass die langen Pässe von hinten heraus entweder zu ungenau gespielt werden oder in der Spitze Laufweg beziehungsweise Ballannahme nicht stimmig sind. Aufgegangen ist hingegen der defensive Plan. So muss man letztendlich allen – auch den Eingewechselten – Respekt zollen, weil der Wille, das Ergebnis über die Ziellinie zu bringen bei jedem Spieler sichtbar war. Dass (nicht nur) bei Tim Knipping nach dem Schlusspfiff Tränen der Erleichterung flossen, zeigt, welche tonnenschwere Last hier abgefallen ist. Hektik dann nur noch auf der Pressetribüne, denn das Dynamospiel war vor den anderen zu Ende. Dann die Erleichterung: Die Konkurrenz spielt komplett remis. Hallelujah! Praise the Football-Lord!

Fazit

Genau genommen, war es ein großartiges Spiel. Trainer und Mannschaft haben sich diesen soooo wichtigen Sieg im Wortsinne erschuftet, weil alle Beteiligten nicht nur mit der notwendigen Arbeitsmoral ans Tagwerk gingen, sondern auch ein guter Mix aus Einzelkönnen, Teamwork und Mut zum Ausprobieren gezeigt wurde. Dazu kam ein breiter Kader zum Einsatz – es war ein tolles Schmidteinander, um einmal den Titel der längst vergangenen Show von Herbert Feuerstein und Harald Schmidt zu stehlen. Am kommenden Sonnabend kann der Aufstieg gelingen, der Pokalfight gegen Schiebock in der Wochenmitte wird ein Testfeld für die Wenigspieler und den Nachwuchs sein. Das Momentum ist jetzt dynamisch. Es muss jetzt nur noch genutzt werden.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs. Viktoria Köln

8. Mai 2021, Anstoß: 14 Uhr
Tore: 1:0 Mörschel (11.), 2:0 Hosiner (31. Elfmeter)
Dynamo Dresden: Broll, Ehlers, Knipping, Kwadwo, C. Löwe, Stark, Will (59. Stefaniak), Mörschel (72. J. Löwe), Diawusie (46. Kreuzer), Königsdörffer (28. Vlachodimos), Hosiner (46. Stor)
Ohne Einsatz: Kiefer, Kulke
Zuschauer: 0
Schiedsrichter: Franz Bokop
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