Ruhe in Frieden?
Der Louisengarten ist mehr als nur eine Open-Air-Schänke
Die Äußere Neustadt rauscht mal wieder seit Tagen durch den Blätterwald – sowohl im gedruckten wie im digitalen. Ist es das Assi-Eck? Das nächtliche Massentreiben auf der Görlitzer/Louise? Der Müll im Alaunpark? Sind es Dealer, Taschendiebstähle, Kloppereien, Suffexzesse? Nein, nein und nochmals nein. Den Aufreger liefert der Louisengarten – eine seit etwa 25 Jahren ebenso beschauliche wie sympathische Freiluftschänke, Baulücke und der Wachstumsort für mehrere ansehnliche Bäume. Hier soll nach dem Willen der städtischen Behörden künftig ab 22 Uhr Schluss sein. „Lärmschutz“ rufen die Emissionsemissäre vom Amt. „Bestandsschutz“ ruft es nun aus der Neustadt heraus, auch via Pettiion, eingereicht vom SPD-Stadtbezirksrat Felix Göhler und zum Zeitpunkt von knapp 7.000 Menschen gezeichnet.
Betreiber des Louisengartens ist Tom Knappe, seit langer Zeit Gastronom und Veranstalter. Dass der Mann auch hart im Nehmen ist, zeigen seine früheren Einsätze als Taucher bei Greenpeace-Aktionen etwa gegen Atomwaffen, Atomkraft oder für Thunfische. Selbst die Justiz unter Präsident George W. Bush bekam ihn nicht klein, obwohl er nach einem Anti-Star-Wars-Raketen-Protest schon in der berüchtigten orangenen Gefangenenkluft steckte. Aber das Dresdner Umweltamt scheint ein ganz anderer Gegner zu sein als die US Army, denn hier geht es nicht um Moral oder politische Vernunft, sondern um eine fehlende Baugenehmigung und zwei Anwohnerbeschwerden. Und bei letzteren weiß man spätestens seit dem Sabotage-Aus: Eine reicht.
Als Tom Knappe 2018 das Grundstück zwischen dem vom Malwina e.V. betriebenen Kinder- und Jugendzentrum „Louise“ und der Kneipe Little Creatures erwarb, war er schon seit zwölf Jahren Pächter des Louisengartens, im Winter vermietet er sein Areal an die Betreiber der „Winter-Hüttn“. Was Knappe allerdings nicht wusste (aber wohl auch nicht erfragte): Die Vorbetreiber und Vorbesitzer stellten nie einen Bauantrag für den Biergarten. Das mag auch an den wilden Neunzigern gelegen haben, als der „Wildwuchs“ in der Äußeren Neustadt das Viertel zu dem machte, was es heute teilweise noch ist: Ein Gewusel aus Gastronomie, Kultur und Menschen aus aller Welt. Es wäre in all den Jahren eine Aufgabe der Stadtverwaltung gewesen, dieses Quartier mit besonderer Hand zu schützen. Mit dem Status des Sanierungsgebietes gelang sicher vieles, aber es wurde versäumt, Teile der Äußen Neustadt als Mischgebiet zu deklarieren, in dem andere Regeln gelten als in reinen Wohngebeiten. So wäre Zuzugswilligen von vornherein klar, dass sie hier nicht auf die gleichen Nachtruhebestimmungen hoffen dürfen wie etwa in Striesen oder Löbtau. Und da Dresden seit jeher unter einem überwiegend geriatrischen Eintagestourismus zum Thema ZwingerOperFrauenkirche leidet, ist es genau jener Hotspot auf der anderen Elbseite, der – so nervig er manchmal ist – Menschen unter 30 in die Stadt lockt.
Mit den Beschwerden vom vergangenen Jahr kam nun ein Stein ins Rollen: Das Umweltamt wurde im Wortsinne hellhörig und die fehlende Baugenehmigung ruchbar. Tom Knappe reichte diese nach, machte auch Angebote zur Kompromissfindung in Sachen Öffnungszeiten (23 Uhr in der Woche und 1 Uhr am Wochenende statt bisher open end) und Kapazitätsminderung in der Nacht. Abgelehnt ohne Vororttermin. The office is my castle. Schließung um 22 Uhr.
Nun gibt es in Verwaltungen verschiedene Möglichkeiten des Handelns. Eine ist es, vornehmlich ermöglichend zu agieren, also im Rahmen des Machbaren die Dinge laufen zu lassen und bei Streitfragen Gerichte entscheiden zu lassen, wo eventuelle Grauzonen enden. Andere Amtsdienerinnen und Amtsdiener sind gern selbst das Gericht und urteilen, wobei meist nicht ersichtlich ist, ob der Verhinderungsdrang aus der Angst entspringt, einen Fehler zu machen, oder schlichtweg aus einem Gefühl der Macht des Faktischen heraus. Beides wäre fatal. Unvernünftig ist es dazu.
Nehmen wir einmal an, der Louisengarten würde 22 Uhr schließen. Lassen wir auch den wirtschaftlichen Verlust beiseite. Was würde passieren? Ein großer Teil der Gäste würde das Nahegelegene aufsuchen, also die Kreuzung Görtlitzer Straße/Louisenstraße. Das bei Gutwetter vor allem am Wochenende nicht mehr beherrschbare und manchmal auch unberechenbare Gewirr aus einheimischen Feierwilligen und szenesuchenden Touristen bekäme auf einen Schlag Zuwachs – in einem Areal, dass die Behörden aus verständlichen Gründen längst aufgegeben haben. Dass in manchen Nächten die 13 umgeleitet werden muss, mögen manche als coolen Partyerfolg feiern, allerdings fehlt so die eigentlich großartige Bahnanbindung in einer Alkoholmeile, in der man eigentlich froh sein sollte, dass die nächste Haltestelle nur ein paar Schritte entfernt ist.
Dass es bei der räumlichen Nähe Louisenstraße, Görlitzer Straße, Alaunstraße mit dem Assi-Eck als Epizentrum kaum wirklich ermittelbar ist, woher welcher Lärm kommt, liegt zudem auf der Hand. Ebenso, dass es einfacher ist, gegen einen feststellbaren Gegner wie den Louisengarten vorzugehen als gegen eine anonyme Masse auf der Straße. Die Frage ist also: Warum das Ganze? Ein Planspiel zur Lärmbefriedung der Äußeren Neustadt? Denn wenn diese Entscheidung künftig für andere Locations herangezogen würde, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis das Treiben im Stadtteil nur noch indoor stattfinden darf, denn jede Beschwerde kann zur nächsten Schließung führen – ob nun mit oder ohne Baugenehmgung, #sabotage. Und da es Jahre dauern würde, die Gegend als Mischgebiet umzuwidmen, wäre auch das keine kurzfristige Hilfe im konkreten Fall. Angehen sollte es der Stadtrat aber auf jeden Fall.
Zunächst wird Tom Knappe den Streit ausfechten, samt Anwalt und – bisher – vereinzelter politischer Unterstützung. Sollte er unterleigen, verliert er mit der erzwungenen verkürzten Öffnungszeit – je nach Wochentag – zwischen 30 und 50 Prozent seines Umsatzes. Damit kann er das Open-Air-Lokal nicht sinnvoll bewirtschaften, schließlich hat er Grund und Boden nicht aus der Portokasse, sondern via Kredit bezahlt, dessen Raten bedient werden müssen. Geschäftsaufgabe und Verkauf wären die Folge, Angebote aus der Immo-Branche von über einer Million sind schon eingetrudelt. Mit dem worst case würde aber nicht nur ein beliebter Treffpunkt sommers wie winters verschwinden, sondern auch dringlich benötigte Frischluft für das Areal im wärmsten Stadtteil der City. Bäume würden gefällt für weitere Anwohnerinnen und Anwohner, die sich möglicherweise an der anwachsenden Ruhe und Beschaulichkeit im Quartier erfreuen können. Eine Ruhe in Frieden?
Uwe Stuhrberg
www.biergarten-dresden.de
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