Reißt die Tore auf zu wildem Treiben!

20 Jahre Schaubudensommer

Der Dresdner Schaubudensommer ist eines der schönsten und kleinsten internationalen Theaterfestivals im Osten der Republik, wenn nicht sogar der ganzen Welt. Seit nunmehr 20 Jahren werden Anfang Juli hinter der Dresdner Scheune in einer illustren Atmosphäre aus Schaubuden, Zelten, Karussells, einer wunderbaren Tribüne für Klönsnack, Schwoof und Entdeckerlaune tausende Paare und Passanten bezirzt, bekehrt, verwandelt und verzaubert. Hier kreiert das Team um Helmut Raeder Jahr für Jahr einen Ort, an dem die Zeit als Kontinuum ausgeknipst wird. Wer da ist, ist da. Und nirgends sonst. Und eigentlich will man auch nicht mehr weg. Weil es ein so wunderbar sorgloser und poetischer Platz ist, an dem Muse und Inspiration ständig mit von der Partie sind. Vom 6. bis 16. Juli ist es wieder soweit – ein Grund für einen kleinen Palusch mit dem Schaubuden-Impressario Helmut Raeder.

Drum: Reißt die Tore auf zu wildem Treiben

Für Menschen jeglicher Couleur!

Wir wollen uns der Kunst verschreiben

Mit Herzen, Augen, Sinnen und Gehör.
Die Buden wollen irritieren.

Die Welt steht Kopf. Die Nacht wird Traum.

Lasst Euch verführen, unterhalten und frisieren!

Hier ist für Vieles und fast Alles Raum!
(Gedicht: Heiki Ikkola)


SAX: Helmut, 20 Jahre Schaubudensommer – was überwiegt mehr: die Freude oder auch ein bisschen Wehmut?
Helmut Raeder: Das Erstaunen. Das freudige Erstaunen darüber, dass das Konzept offenbar immer noch lebendig ist und auch nach 20 Jahren immer wieder neues Publikum anspricht. Und dass Menschen, die damals vielleicht als Kind an der Hand ihrer Eltern hierher gekommen sind, nunmehr mit ihren eigenen Kindern die Schaubuden besuchen. Das erfüllt einen natürlich auch mit Stolz.

SAX: Das heißt, den Schaubudensommer darf es auch noch in 20 Jahren geben?
Helmut Raeder: Naja, wir haben als kleines und engagiertes Team immer gesagt, wir machen das, weil wir selbst sehr viel Freude und Energie aus diesem Festival herausholen. Und so lange wir für uns mehr an positiver Energie und Erlebnissen generieren, als wir Schweiß und Tränen hineinstecken, so lange machen wir das. Aber für uns sind natürlich auch die Rahmenbedingungen nicht unwichtig. Wir sind von Orten abhängig, beispielsweise von der Scheune oder vom Schulhof der Dreikönigskirche. Der fällt beispielsweise spätestens im nächsten Jahr weg.

SAX: Wie ist es denn eigentlich losgegangen mit dem Schaubudensommer?
Helmut Raeder: Losgegangen ist es 1997 mit drei Buden und keinen Besuchern. Unter dem Begriff Schaubude/ Schaubudensommer konnte sich hier in Dresden niemand etwas vorstellen und deswegen sind alle konsequent an uns vorbeigegangen. Ursprünglich lief das auch nur fünf Tage lang und am letzten Tag kamen dann doch noch Neugierige und Schaulustige, so dass wir dachten, wenn wir hier dran bleiben, kann es vielleicht doch noch was werden. (lacht)

SAX: Was sind aus Deiner Sicht besondere Sternchen unter den vielen Highlights gewesen?
Helmut Raeder: Besonders gern denke ich an die Zeit zurück, in der wir mit dem Maschinenkünstler Jim Whiting zusammengearbeitet haben. Er war einer der ersten, die auf uns zukamen und mitmachen wollten. Damals war er noch in Leipzig mit seinem Bimbo Town. Eines der schönsten Projekte, welches er hier realisierte, war seine Geisterbahn, mit der man in fahrenden Betten über die Baubrache ratterte und dabei in eine Liegestadt gebettet zu zweit in den Sternenhimmel gucken konnte.

SAX: Und die Highlights in diesem Jahr?
Helmut Raeder: Künstler der ersten Stunde sind da, zum Beispiel der Puppenspieler Peter Waschinsky aus Berlin oder auch Wolfgang Lasch. Es gibt zwei Künstler, die ihre Kunstfiguren hier auf dem Schaubudensommer zur Welt gebracht haben und seitdem gern immer wieder kommen. Das sind Anna Mateur und Die Echse, gespielt von Michael Hatzius. Von den neuen Geschichten finde ich persönlich den Objekttheaterspieler Ariel Doron aus Israel sehr spannend. Das sollte man nicht verpassen, genauso wenig wie die spanische Cia. Zero en Conducta. Sehr berührend und sehr besonders ist auch das Figurentheater Teatr Figur Kraków aus Polen, die Schattentheater spielen, das die höllischen Seiten des Lebens thematisiert – ein Stück über Kinder im Warschauer Ghetto. Ein sehr berührender Kontrast zum sonstigen Festivalprogramm.

SAX: Und was noch?
Helmut Raeder: Am ersten Sonntag, dem 9. Juli, wird es wieder einen Familienschaubudensommer geben. Ganz nach dem Motto: Wenn die Eltern sich bis in die Puppen vergnügen, soll auch der Nachwuchs nicht zu kurz kommen. Puppentheater, Clownerie, Musik und Verrenkungen, dazu Wolken von Zuckerwatte und Eselreiten. Für die Kleinen ist also auch gesorgt, schließlich ist das unser Publikum der Zukunft.
Tanja Mette

20. Dresdner Schaubudensommer
: 6. bis 16. Juli
www.schaubudensommer.de