Pictures At An Exhibition

Woods Of Birnam feiern die Wiedereröffnung der Gemäldegalerie Alte Meister

Nach siebenjähriger Bauzeit wird die endgültige Wiedereröffnung der Gemäldegalerie Alte Meister Ende Februar 2020 kein gewöhnlicher Ortstermin für Kunstliebhaber. Großes kündigt sich an. In Kooperation mit Stephan Gräber von der Dresdner Veranstaltungsfirma Waterloo Produktion, den Staatlichen Kunstsammlungen sowie der Initiative »So geht sächsisch«, präsentieren Woods Of Birnam am Eröffnungsvorabend ihr viertes Album »How To Hear A Painting« im Rahmen einer aufwändigen Kunstinstallation im Schauspielhaus.

Die zweiundzwanzig Stücke des Albums sind Gemälden aus dem Bestand der Alten Meister abgelauscht. Ausgewählt wurde mit Bedacht. »Relativ schnell stand fest, dass wir auf biblische Motive verzichten. Die ›Sixtinische Madonna‹ zum Beispiel fehlt. Nicht weil die uns nicht gefällt oder wir finden, dass sie inzwischen selbst zu einer Ikone der Popkultur geworden ist, mit den beiden Engeln zu ihren Füßen. Wir wollten es eher bodenständiger, down to earth«, verrät Christian Friedel, Sänger bei Woods Of Birnam und nach wie vor Schauspieler, zuletzt unter anderem bewundert als Polizeifotograf und Kriminalassistent Gräf in »Babylon Berlin«. Keine unkluge Entscheidung, Raffaels weltberühmtes Renaissancegemälde auszuklammern. Schon deshalb nicht, weil sich jeder, der es riskiert, am gleichnamigen Konzeptwerk einer anderen Dresdner Rockformation messen lassen muss. Electras »Die Sixtinische Madonna« aus dem Jahr 1980 ist ohne Vergleich, weil geschrieben für Rockband und Chor. Ein Rockoratorium sozusagen, im gesamten Progressive Rock jener Zeit in dieser Form so schnell kein zweites Mal zu finden.

Die Struktur von Woods Of Birnams »How To Hear A Painting« freilich ist, unschwer zu erraten, angelehnt an Modest Mussorgskys »Bilder einer Ausstellung«. Ursprünglich eine Klaviermusik, besorgte Maurice Ravel ihre bedeutendste Orchesterfassung, die von Emerson Lake & Palmer verrockt und durch Isao Tomita auf den Moog Synthesizer übertragen wurde. »Bei Mussorgsky gibt es dieses berühmte Thema, das mehrfach wiederkehrt und den Gang durch die Ausstellung beschreibt. Das wollten wir beibehalten. Deshalb gibt es bei uns instrumentale Interludes, die von einem Bild zum nächsten überleiten. Es beginnt mit Matthias Stoms ›Die Alte mit der Kerze‹, sie ist unsere Hauptperson. Wir schauen in ihr Gesicht, in ihre Augen und können vielleicht ihre Gedanken, ihre Erinnerungen an ein reiches Leben erahnen. Die Bilder, die danach folgen, könnten Erinnerungen aus ihrem Leben sein. Das ist der rote Faden. In Absprache mit den Kunstsammlungen haben wir geschaut, dass wir auf Bilder eingehen, die nach der Wiedereröffnung der Alten Meister ausgestellt sein werden. Auch sind wir bemüht gewesen, nicht zu eindeutig zu sein.

Manchmal sind die Songs sicherlich deckungsgleich mit dem, was man in den Bildern sehen könnte. Meistenteils aber schafft die Musik eine Atmosphäre, die in tieferliegende Schichten vordringen lässt. Von einem Kurator wissen wir, dass bei verschiedenen Bildern durch den Transport etwas beschädigt und dann übermalt wurde. Oder Bildelemente sind übermalt worden, die als anstößig galten. Diese Schichtungen, etwas, das unter der Oberfläche liegt, das hat uns, weil wir eine atmosphärische Popmusik machen, sehr interessiert. Wie kann man die verschiedenen Überlagerungen deutlich machen oder zeigen, welche Geschichte sich hinter den Bildern verbirgt, wenn man vergisst, was man auf den ersten Blick erkennt?! Ein Interlude zum Beispiel heißt ›In De Klauwen Van De Adelaar‹. Dort ist Ganymed, eine Figur der griechischen Mythologie zu sehen, wie ein Adler ihn gepackt hat. Vorher steht ganz oft Amor im Fokus. Man könnte also annehmen, dass Ganymed Amor ist, der sich vor Angst einpullert. Diesen Weg sind wir beschritten.« Vorbei an »Neptun, der die See beschwichtigt« von Peter Paul Rubens, führt der Rundgang über »Juno in der Unterwelt« von Jan Brueghel d. Ä. zu Giorgiones/Tizians »Schlummernde Venus« oder Jan Vermeers »Briefleserin am offenen Fenster«.

Die jeweiligen Songs bei Woods Of Birnam heißen »The Wind«, »The Machine«, »Indulgence« beziehungsweise »Fruit«. Und tatsächlich sind das Songs oder Instrumentalstücke, keine Orchesterkompositionen. Angereichert allerdings durch Orchesterpassagen und Chorgesang, eingespielt von keinem geringeren Klangkörper als der Sächsischen Staatskapelle, die hier zum ersten Mal überhaupt einen Ausflug in die Niederungen der Populärmusik unternimmt. Motiviert womöglich durch den Umstand, dass die Arrangements von Sven Helbig stammen. »Wir trafen uns im Vorfeld mit ihm. Er hörte sich die Songs an und war recht schnell überzeugt. Aufgenommen haben wir die Staatskapelle in ihrem Proberaum in der Semperoper. Nicht nur, dass ich da durchweg mit Gänsehaut saß. Es war auch toll zu sehen, dass die Musiker sichtlich Spaß hatten.«

Die Liveaufführung wird zwar ohne Staatskapelle stattfinden, Orchester und Chor kommen dann aus der Konserve. Aber es ist zu erwarten, dass es ein ähnlich multimedialer Abend wird wie seinerzeit die Bühnenfassung von Woods Of Birnams Vorvorgängeralbum »Searching For William«. Mit Videoeinspielungen und Lichtshow, nur das diesmal nicht die Band im Mittelpunkt steht. Hauptattraktion sind die Gemälde, die als Bildprojektionen eingeblendet werden. Wie man sieht, was lange währt hat nicht nur das Zeug gut zu werden, sondern kann unter Umständen deutlich an Opulenz zulegen.
Bernd Gürtler

Woods Of Birnam
28. Februar, 20.30 Uhr und 22.30 Uhr, Schauspielhaus
www.woodsofbirnam.com