Opulent in jede Richtung
Dorian Wood zelebrierte das Pathos im Jazzclub Tonne
In knapp eineinhalb Stunden hat der Musiker und Performance-Künstler Dorian Wood im Jazzclub Tonne einen Querschnitt seines Seelenlebens wie auch seines künstlerischen Schaffens gegeben – beides ist selbstverständlich untrennbar miteinander verbunden. Zuletzt fand solch ein Abend am 24. Oktober 2014 statt. Stunden, an die sich der Musiker offenbar auch heute noch erinnern kann. Wenn auch mehr an die Kälte, die damals Ende Oktober draußen bereits herrschte. Ansonsten könne er sich kaum an etwas aus seinem Leben erinnern, fügt Wood schmunzelnd hinzu. Man darf es glauben. Man muss es nicht.
So oder so nahm der Amerikaner mit den costaricanischen Wurzeln, der in einer ornamentierten schwarzen Robe – genäht von seiner Großmutter – auf der Bühne erschien, die Zuhörer mit auf eine Reise. Eine weite und tiefgehende Reise mit vielen Stationen: von ersten Kerben an der eigenen Seele im Kinderhaus im Dschungel von Costa Rica über zentralamerikanische Mythen von verdammten und verwandelten Frauengestalten bis hin zu Erlebnissen voller Freude, Verlust und Verbitterung in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Seine Adaption des amerikanischen Folk-Klassikers „House Of The Rising Sun“ ließ da Momente entstehen, in denen zwar faktisch ein Trio auf der Bühne steht, sich jedoch aller Fokus und Konzentration im Raum auf einen grimassierenden und singenden Dorian Wood richtet, der zusätzlich in einer Tour den Flügel bearbeitet. Mal brutal, mal sanft. Man hört und sieht, man leidet förmlich mit ihm und fühlt vor allem, welchen starken Hang zum Pathos Wood in alle Stücke legen muss. Eben, weil drunter nichts geht. Das Einzige, was dieses wuchtige Pathos teilweise in schlagereske Abwege führte, war der oft recht unbeholfene und altbackene Einsatz von Licht und Nebel.
Seine Begleitung an diesem Abend ist die, mit der er auch das aktuelle Album „XALA“ (das erste in seiner Muttersprache Spanisch) eingespielt hat: Xavi Muñoz am Kontrabass und Marcos Junquera, verantwortlich für Schlagzeug und Geräuschkulisse. Ein Team, das bestens eingespielt ist, sich nahezu blind versteht und warm und herzlich von Dorian Wood zum Abschluss vorgestellt wurde.
Kurzum: Es war ein Konzert mit Musik und Musikern von Format. Opulent in jeglicher Richtung. Das konnte an diesem Abend sicher jeder der leider nur rund 50 Gäste im Raum spüren.
Thomas Natzschka
Dorian Wood 15. November, Jazzclub Tonne