Ohne Federlesen
Deichkind machten in der Groove Station Remmidemmi
Warum-up-Shows in kleinen Clubs machen derzeit die Runde, am Sonnabend etwa kommt Marteria in das Puschkin und Deichkind waren eben gestern in der Groove Station. 200 Tickets wurden dafür nach einer Anruf-Aktion verlost, was zum einen dazu führte, dass der Laden nicht komplett vollgestopft wurde, zum anderen waren nicht nur Deichkind-Hardrcore-Fans da, sondern auch einige, die das Spektakel einfach mal kennenlernen wollten. Und das sollte sich lohnen.
„Power of Love“ stand auf einer Art Bettlaken-Triptychon im Background, bevor kurz vor 21 Uhr die Deichkind-Crew die Bühne stümte. Und es ging von 0 auf 100 in 0,1 Sekunden – ohne Federlesen im Wortsinne: Zum Remmidemmi-Überhit flogen zerissene Kopfkissen durch die Gegend, was einen Mix aus ballernden Beats, fliegenden Armen, hüpfenden Körpern, spitzendem Sekt und waberndem Gefieder zu Folge hatte. Gleich danach ging es mit „Ich habe eine Fahne“ weiter – vong der crazyness her war es jetzt schon nicht mehr zu toppen.
Aber Deichkind sind eben Deichkind. Und wenn die Posse eines kann, dann das Level hochalten. „Wir ziehen in den Krieg, unsre Waffe ist Musik“ donnert es von der Bühne, auf der mal vier, mal acht Leute tanzen, pogen, rappen, fotografieren, crowdsurfen. Es ist ein hirnfickender Kindergeburstag für Fast- und Ganzerwachsene auf Stroboskop-Basis. Da fehlen natürlich weder „99 Bierkanister“ noch „Illegale Fans“, „Son ’ne Musik“ oder „Arbeit nervt“, bei letzterem Stück kommen dann auch die berühmten LED-Pyramiden-Helme zum Einsatz. Es bohrt sich HipHop in Punk Rock – und das noch mal in einem Club erleben zu dürfen, ist schon etwas Besonderes, zumal es am 28. Juli bei den Filmnächten am Elbufer um einiges größer, bunter, aber auch distanzierter zugehen wird.
In der Groove Station war nach etwa 50 Minuten alles vorbei. Die Show gab sich somit ebenso short wie knackig, fokussiert und konzentriert – ein langer Moment des Wahnwitzes. Mit einer kurzen Zugabe wollte man das Publikum dann wohl eher runterkommen lassen, als man zu den Akkorden von Nirvanas „Lithium“ (gespielt auf einer von den Ballroom Studios geborgten Gitarre) ein paar Zeilen von „Remmidemmi“ wiederholte. Der Rest war Barrio Katz zum Aftershowtanz und dann doch noch einiges an Federlesen – auf den Klamotten, aus den Haaren, aus dem Sinn.
Uwe Stuhrberg
Deichkind 10. Mai, Groove Station