No matter what irgendjemand schwafelt

Review: Sting bei den Filmnächten am Elbufer

Es will nicht aufhören, dass die überregionale Berichterstattung den Eindruck erweckt, als seien Dresden und Pegida ein und dasselbe. Ganz ehrlich, dieses bunte ausgelassene Völkchen, das sich gestern Abend zum Sting-Konzert bei den Filmnächten am Elbufer einfand und bei "Englishman In New York", dem dritten Song der Setlist nach "Synchronicity II" sowie "Spirits In The Material World" lauthals die Textzeile "Be yourself no matter what they say" mitgesun-gen hat, sah das nach strammer Pegida-Gefolgschaft aus? Vielleicht sollte sich die sächsische Elbmetropole einfach jene Sting-Textzeilen zu Eigen machen. Klar, Pegida existiert und liegt der Stadt wie ein Mühlstein auf der Seele. Diesem Gedankengut, das die Wortführer der Bewegung verbreiten, gilt es entschieden zu wiedersprechen. Und um erneut bei Stings "Englishman" nachzufassen, ja, die Leute hier reden anders (nu genau!) und schlürfen ihren Kaffee traditionell auf andere Art (heeß und süsse muss'er sein). Aber ist Dresden nicht viel mehr als Pegida? Würden Hochrechnungen nicht ergeben, dass die Kunstsinnigen, Weltgewandten, Aufgeschlossenen, Hilfsbereiten nicht von jeher in der Überzahl sind? No matter what irgendjemand schwafelt?

Das nur mal am Rande, was einem eben bei einem Sting-Konzert so durch den Kopf geht. Der Auftritt selbst war im Übrigen ganz hervorragend. Auf die Bühne kam eine gut ausgewogene Kopplung von Greatest Hits und Songs des jüngsten Albums "57th & 9th". Da gerade mit letzterer Veröffentlichung wieder deutlich heftiger gerockt wird, gerieten die rhythmischen Nuancen solcher stark von Reggae-Einflüssen geprägten The-Police-Stücke wie "Message In A Bottle", "Walking On The Moon" oder "Every Breath You Take" arg ins Hintertreffen. Leichter auszublenden auch, dass der Frontmann und Hauptakteur Bassist ist. Einer Open-Air-Situation mit (laut Veranstalter) sechstausendachthundert Besuchern kommt eine schnörkellose Spielweise wohl aber doch mehr entgegen.

Nach einem fulminanten ersten Drittel, gab es mit "Mad About You", "Fields Of Gold" und "Shape Of My Heart" einen Balladenteil. Gegen Ende wurde es mit "So Lonely" und "Desert Rose" wieder druckvoller. Sehr schön am Schluss des offiziellen Teils war die Verbindung aus "Roxanne" und dem Bill-Withers-Klassiker "Ain't No Sunshine", welcher an prominenter Stelle der Julia Roberts/Hugh Grant-Kinoschmonzette "Notting Hill" zum Einsatz kam. Eine zweite Coverversion hieß "Ashes To Ashes" und stammt aus dem Repertoire von David Bowie, von Sting verknüpft mit "50.000", seinem Requiem für die teuren Toten der jüngeren Rockgeschichte.

Dargeboten wurde "Ashes To Ashes" von Joe (nicht eigentlich Luke?) Sumner, Stings Sohn aus zweiter Ehe. Er durfte auch das Vorprogramm mit eigenen Songs bestreiten und hatte in dieser Funktion zweifellos den undankbarsten Job des Abends abgefasst. Denn die Frage steht doch, ob es ihm je gelingen wird, aus dem Schatten des übermächtigen Vaters hervorzutreten oder ob es für ihn ausgehen wird wie für die meisten Sprösslinge mittelständischer Familienunternehmer, die das Erbe verwalten und sich später, wenn sie genauso alt sind wie ihre alten Herrschaften jetzt, fragen, ob sie mit einem ganz anderen Broterwerb beispielweise als Klempner oder Postbote ihrem eigenen Leben nicht weitaus mehr Zufriedenheit beschert hätten.

Die zweitundankbarste Aufgabe des Abends oblag zweifellos dem Sicherheitspersonal und besonders denjenigen, die den Konzertbesuchern ihre Rucksäcke und Taschen zur Aufbewahrung abnehmen mussten. Genau, richtig gelesen, Gepäckstücke umfangreicher als A4 dürfen generell nicht mehr ins Konzertareal mitgenommen werden. Ob das wirklich mehr Sicherheit verspricht? Wohl kaum, wenn man kurz rekapituliert, wie die Anschläge auf Rockkonzerte in Manchester und Paris verübt wurden. Aber sei's drum, die Konzertveranstalter können im Fall der Fälle (den selbstverständlich niemand herbeiwünscht) wenigstens sagen, dass sie nicht untätig gewesen sind. Und die gute Nachricht ist, die Schuhe dürfen anbleiben.
Bernd Gürtler

Sting
28. Juni, Filmnächte am Elbufer