Neubeginn zum Frühlingsanfang
Das Societaetstheater öffnet wieder nach dreimonatigem Bau
Es mutet ein bisschen wie ein kleiner Neubeginn mitten in der Spielzeit an: Nach dreimonatiger Bauzeit öffnet sich am Societaetstheater Dresden Mitte April wieder der Vorhang. Die Vorfreude ist dem Geschäftsführer und Künstlerischen Leiter Andreas Nattermann ins Gesicht geschrieben. Denn drei Monate lang war sein Theater wie gelähmt. Ein Baugerüst versperrte in dieser Zeit beinahe sogar den Weg zu seinem Büro unterm Dach, die Wände im Haus waren aufgemeißelt, die beiden Bühnen von Baulärm und Staub bedeckt. Selbst die Theaterkasse blieb geschlossen, weil in dem alten Gebäude das Entwässerungssystem erneuert werden musste. Inzwischen ist nun auch der Brandschutz auf dem neuesten Stand, die Bühnenböden wurden abgeschliffen – und die Wände leuchten in frischen Farben. Auf die Frage, wie man so eine unfreiwillige Spielpause als kleine Bühne überbrückt, runzelt Nattermann die Stirn. »Leicht ist es nicht. Ein paar Vorstellungen konnten wir glücklicherweise an anderen Häusern geben, am Schauspielhaus, in Hellerau, auch im Beatpol. Aber wir konnten natürlich nicht so oft spielen wie sonst. Die anderen Häuser sind ja alle gut ausgelastet und der Raum muss auch zur jeweiligen Produktion passen«, sagt er.
Ganz untätig waren Andreas Nattermann und seine rund zehn festen Mitarbeiter indes jedoch nicht. »Wir haben versucht, die Zeit sinnvoll zu nutzen, zum Beispiel die technische Kontrolle vorgezogen, die wir sonst immer im Sommer durchführen«, erzählt er. Zudem lief natürlich auch die Planung für die Zeit nach dem Umbau in den vergangenen drei Monaten bereits auf Hochtouren. Das Ergebnis ist schon virtuell zu sehen: Seit April steht die neue Webseite des Societaetstheaters online. Sichtbar hat sich ansonsten kaum etwas im Haus verändert – und auch in der Kunst bleibt die städtische Kammerbühne ihrem Konzept treu: In dem barocken Gebäude finden seit 1999 freischaffende Künstler und Gruppen aus der Region sowie Gäste aus dem In- und Ausland eine Bühne für ihre Produktionen. Sprech-, Tanz-, Musik- und Figurentheater gehören hier ebenso zum Programm wie Festivals, Werkstattveranstaltungen, Diskussionsforen und künstlerische Experimente. Ein festes Ensemble gibt es am Societaetstheater nicht, dafür aber feste Reihen und Kooperationen mit freien Gruppen. Auf zwei Bühnen sowie im Foyer und sommers auch im Garten führt das Societaetstheater damit auch fort, was der Dresdner Freundeskreis »Societaetstheater« 1776 initiierte: Geselligkeit und Austausch bei regelmäßigem Kunstgenuss.
Auf den kann sich das Dresdner Publikum nun ab Mitte April an historischer Stelle wieder freuen. Die ersten regulären Vorstellungen sollten am 12. und 13. April mit dem Theaterstück »Scheitern – aber richtig!« in der Regie von Amina Gusner stattfinden. Wegen einer Erkrankung fallen diese jedoch aus, am 13. April immerhin springt "Der Ring der Niegelungen" mit dem statt-theater Fassungslos ein. Anschließend kehrt mit »Faust ohne Worte« auch der Theaterzirkus Dresden mit Tom Quaas auf die Bühne zurück. Neben Repertoirestücken wie diesen stehen im April aber auch drei Premieren im Programm, die ihrerseits die bunte Vielfalt der Freien Szene am Societaetstheater zeigen. Der Dreierreigen wird am 20. April mit der der Premiere in der Reihe »Lyrik ist Happening« eröffnet. Das Munka-Kollektiv zeigt dabei eine poetisch-musikalische Performance mit Lesung und musikalischen Impros, Überraschungen nicht ausgeschlossen. Nur einen Abend später bringen die JuWie Dance Company und Yaron Shamir mit »Queens of Diamonds« eine Tanzproduktion über die Themen Spiel und Sucht in den Gutmann-Saal: Sie versprechen ein tänzerisch-soghaftes Werk über unsere Erbarmungslosigkeit, unsere Risikobereitschaft und Bereitschaft, einen Spielausgang zu akzeptieren. Die dritte Premiere stellt am 22. April schließlich eine Romandramatisierung ins Rampenlicht: In der Regie von Arne Retzlaff kommt Albert Camus »Der Fremde« mit Tom Quaas und Mario Grünewald auf die Kleine Bühne.
Kenner und Liebhaber des Societaetstheaters werden beim Blick auf den Aprilspielplan allerdings eine schöne Tradition des Hauses vermissen: Das Festival »Szene: Europa« muss in diesem Jahr aufgrund des Umbaus zwar nicht ausfallen, jedoch in den Juni weichen. »Wir werden dieses Mal die Kunst- und Theaterszene in Nordirland in den Mittelpunkt stellen«, verrät Andreas Nattermann und weckt schon zarte Neugier. Aufgeschoben ist schließlich nicht aufgehoben.
Zudem hat er mit der »Freakstadt Nr. 1« auch noch ein neues, gleichsam regelmäßig stattfindendes Minifestival auf der Startposition. Einmal im Monat will die Compagnie Freaks und Fremde ab 27. April für ein langes Wochenende die Regie im Societaetstheater übernehmen. Das heißt, dass neben Aufführungen auf der großen Bühne auch noch allerlei Freakiges drum herum zu erwarten ist. Vom Improtheater auf der Hauptstraße bis hin zur Diskussion im Foyer. Wer die Freaks kennt, weiß, dass der Phantasie hier keine Grenzen gesetzt sind und mit allerlei Überraschungen zu rechnen ist. So soll die »Saga«, eine improvisierte Schauspielserie in Fortsetzung, ebenfalls Teil der Freakstadt sein.
Es steckt also doch recht viel Neubeginn in diesem April am Societaetstheater, durchmischt natürlich mit altbewährtem Repertoire an historischer Spielstätte. Zum Schluss gibt Andreas Nattermann denn auch noch einen verheißungsvollen Ausblick auf ein besonderes Projekt. Im Herbst will er mit seinem Team am Societaetstheater an das Projekt »Am Fluss« anknüpfen und ein Festival über die Kultur des Ankommens mit und für Prohlis(er) realisieren. Kunst soll dabei mit Theater Hand in Hand gehen, in Zusammenarbeit mit Vereinen und Organisationen, die ohnehin schon in Prohlis wirken. So könnte sich das Festival »Am Fluss« langfristig ebenfalls zu einer Reihe wandeln. Zunächst jedoch bleibt die Vorfreude auf die ersten Vorstellungen im frisch renovierten Haus.
Nicole Czerwinka
www.societaetstheater.de