Mittendrin und nicht dabei
Der SVS bleibt Dynamos schlimmster Albtraum
Wenn es etwas Gutes im Unguten der dritten Liga gab, dann das, dass man nicht in „dieses Dorf“ (dessen Name nicht genannt werden darf) fahren musste. Eine 3.500-Kilometer-Busfahrt in den Rhein-Neckar-Kreis, 450 Leute im Stadion und nach Hause reist man nicht mal mit dem Spatz in der Hand. Und was passiert? Die gehen runter und wir nicht hoch. Und was passiert noch? Der gleiche Mist wie einst in vergangenen Jahren, nur eine Etage höher – obwohl beide Teams fast komplett anderes besetzt sind. Hat einer von uns schon gelebt, als wir das letzte Mal dort gewonnen haben? Lebt im Hardtwald ein Voldemort-ähnliches Fußballmonster, das an bestimmte Mannschaften Flüche verteilt?
Ein Kullerball entscheidet
Markus Anfang lässt dieselbe Elf von der Leine wie beim Heimsieg gegen Bielefeld. Aber irgendwie ist das an diesem Abend doch eine andere Mannschaft. Können Namen wirklich wie Schall und rauch sein? Vom Anpfiff weg lahmt der Dynamo, macht sich eine exorbitante Flügellahmheit breit. Mann könnte fast meinen, dass die Schwarzgelben überrascht sind von dem, was sie hier erwartet. Dabei war doch vorher jedem klar: Die Weißhemden werden konzentriert verteidigen – verbissen, clever, robust – und haben mit Dennis Diekmeier einen hinten drin, der das Geschehen auf dem Grün denkt und lenkt. Überflüssig anzumerken, dass da auch ein gewisser Tim Knipping spielt, der den nunmehrigen Gegner aus dem Effeff kennt. Und ganz genau so ist es gekommen: Die Heimelf spielt gefühlt 90 Minuten Manndeckung, aber eine Taktik, diese zu brechen, ist entweder nicht im iPad gewesen oder aber aus dem Kurzzeitgedächtnis der Dynamischen gewichen.
Der erste Aufreger allerdings ist dann mal wieder Pfeife des Dresdner Anhangs, und das nicht zum ersten Mal. Dass das auch bei den eigenen Spielern für Verwirrung sorgen kann, ist wohl noch niemandem aufgegangen oder es ist den Verantwortlichen schlichtweg egal. Kinderquatsch mit Michael, Niveau 4 bis 6 Jahre.
Nach 15 Minuten gibt es über links so einen Diekmeier-Moment, der Scholze an den Dresdner 16er schickt und dieser scharf nach innen spielt. Stefan Drljaca rettet nur Zentimeter vor der Linie, Kevin Ehlers drischt raus. Derweil spaziert Kyu-Hyun Park Kilometer entfernt an seiner Außenlinie entlang und sammelt Pilze, Kleeblätter oder was auch immer. Überhaupt erwischt der Südkoreaner einen Tag, der mit rabenschwarz nicht annähernd beschrieben werden kann. Nichts gelingt, seine Pässe sind meist fehl und der Heimkapitän wirkt dazu eine Nummer zu groß in dieser Partie. Und so ergibt sich schnell das Bild vom ballbesitzenden Gast, der aber mit der optischen Überlegenheit sowas von nichts anfangen kann. Es bahnt sich ein langweiliges, dröges 0:0 an, mit dem ich vorab auch – einigermaßen – zufrieden gewesen wäre. Aber wenn das das von allen Seiten heraufbeschworene „Topspiel“ der Liga gewesen sein soll, dann bewahre der Fußball-Gott.
Nun kam es aber bekanntlich anders. Park spielt einen Freistoß in die Hände des Keepers. So ungefährlich wie ein Ammenmärchen – und das betrifft komplett alle Standards in diesem Spiel, egal von auch immer sie getreten wurden. In der 18.Minute wird es aber fatal: Der Goalie fängt also ganz lässig die Freekick-Gurke, sieht am Mittelkreis Ehlich verwaist herumlungern, spielt aus der Hand einen perfelten halbhohen Ball und ebenjener Ehlich marschiert. Es geht drei gegen vier, der Rest hat es vom vorherigen Freistoßgeschehen noch nocht geschafft. Rechts ist El-Zein mitgelaufen, bekommt den Ball, schlägt einen Haken um Borkowski wie auch Park und zeiht aus 18 Metern ab. Einschlag unten links bei Drljaca. Weiß bejubelt das Einszunull, ratlose Gesichter bei Gelb. Und da ist guter Rat auch teuer. Warum verhindert niemand die Ballannahme im Mittelfeld? Warum gehen weder Borkowsko noch Park auf den Mann? Und wieso dreht sich Kammerknecht weg und macht für den Schuss noch den Weg frei, bei dem Lewald dem eigenen Keeper noch die Sicht nimmt? Wir kennen das noch recht frische Wort „Restverteidigung“, hier waren es nicht mal die Reste. Und zu allem Überfluss war es noch nicht mal ein schöner satter Strich, sondern etwas aus der Rubrik „flüssiger Kullerball“.
Und sonst so?
Wir können das hier beenden, denn es bleibt dabei: Bis auf „Situationen“ bekommt Dyanmo hier nichts gebacken. Die alte Leier vom letzten Pass, der misslungenen Flanke, dem Schuss neben/über das Tor muss ein weiteres Mal gesungen werden. Mit dem Dreifachwechsel Lemmer–Meier–Schäffler für Park–Borkowski–Kutschke wird es etwas besser, aber nicht wirklich gut. Lemmer ist mit seinem Tempo auf Rechts noch ein vesprechen für kommende Spiele Schäffler hat zwei Situationen, kann aber nichts draus machen. Nur Will und Hauptmann spielen halbwegs auf Normaltemperatur, können aber auch nicht überall sein. Und was auch auffällt: Wenn die SGD am gegenerischen Strafraum auftaucht, wird ohne Kopf und Auge geschossen – was nicht deutlich vorbei geht, wird schlicht von der vielbeinigen und konzentrierten Heimabwehr geblockt. Kaum wird im Einsgegeneins mal versucht, mit einem Haken eine bessere Position für den Abschluss zu finden.
So endet das Spiel mit dem knappsten aller Siege für die Wald-Mannschaft und einmal mehr fährt der Dynamo-Tross bedröppelt nach Hause. Jetzt müssen gegen Mannheim und Dortmund Siege her, damit die schlechte Laune nicht schon zu Saisonbeginn überhand nimmt. Und vielleicht bekommt der Dresdner Coach ja doch noch seinen Knipser, der auch Standards treten kann, eine Art eierlegende Wollmilchsau. Wenn man sich so manches vieltorige Spiel der Kontrahenten anschaut, scheinen diese schon welche gefunden zu haben. Dresden hatte hingegen im gesamten Spiel nur eine richtige Top-Chance, die Zimmerschied über den Balken jagte. Das gibt zu denken. Ebenso, dass nicht einmal alle möglichen offensiven Wechsel gezogen wurden, denn ausgetauscht wurden insgesamt nur vier Spieler.
Uwe Stuhrberg
SV Sanhausen vs. SG Dynamo Dresden
18. August 2023, Anstoß 19 Uhr
Tor: 1:0 El-Zein (18.)
Dynamo Dresden: Drljaca, Kammerknecht, Ehlers, Lewald, Park (61. Lemmer), Will, Zimmerschied (80. Herrmann), Hauptmann, Borkowski (61. Meier), Kutschke (61. Schäffler), Meißner
Ohne Einsatz: Broll, Kraulich, Berger, Oehmichen, Vlachodimos
Schiedsrichter: Matthias Jöllenbeck
Fans: 5.693
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