Mit Teamgeist die Teufel gehörnt
Mit einem Sieg auf dem Betzenberg startet Dynamo Dresden in die 3. Liga
Ja, da ist er wieder, der alte Spruch aus dem American Football: Offense wins Games, Defense wins Championships. Wobei man zu diesem Spiel einschränkend anmerken muss: In Kaiserslautern hat die Hintermannschaft auch noch für das Tor gesorgt. In einem schwierigen Game mit einem Gegner samt Publikum zeigte die SGD, dass sie die dritte Liga ernst nimmt, als Sportgemeinschaft agiert und robust widersteht, wenn Zauberfußball nicht gefragt ist.
Die erste Halbzeit: Seb Mai, es sei
Was auffällt, ist die im Vergleich zum Pokal ausgedünnte Bank. Denn in Liga drei dürfen nur 18 Spieler im Kader sein, es sind auch nur drei Auswechslungen erlaubt. Warum hier die Corona-Regelungen vom DFB nicht weitergeführt werden, muss mir mal jemand erklären. Aber die Realitätsferne der agierenden Herren ist ja schon in der Vergangenheit zur Genüge unter Beweis gestellt worden. Von ihnen selbst.
Die Dresdner Startformation speist sich mit allen zehn Feldspielern aus dem Fluss der Neuzugänge, denn der aus Mainz gekommene Jonathan Meier spielt für Chris Löwe, der noch seine letztsaisonale rote Karte absitzt. Auf der Bank kehrt Marco Hartmann in die reisende Mannschaft zurück, ansonsten sitzen dort mit Sohm, Hosiner, Horvarth und Königsdörffer nur Offensivkräfte – ist ja auch mal eine Ansage des Trainers.
Mit dem Anpfiff läuft Dynamo wieder hoch an, aber als nach drei Minuten noch immer kein Tor für die Gelbhemden gefallen ist, wird auch der und dem Letzten klar, dass das hier eine anderer Abend ist als jener gegen den HSV. Es wird geackert, nicht eben zimperlich. Hier und dort wird schon in den ersten Minuten zugelangt. So sieht Paul Will bereits nach sechs Minuten Gelb für einen Hemdzupfer an der Grundlinie. Kann man geben, Hlousek wäre wohl Richtung Tor durchgekommen. Wenig später sieht Zuck ebenso die Karte, weil er Panagiotis Vlachodimos nur durch einen heftigen Schulter-Check à la Eishockey stoppen kann. Schiedsrichter Martin Thomsen wird seiner Linie treu bleiben und insgesamt acht Karten verteilen. Dann darf Patrick Weihrauch mal eben seinen Groundspeed unter Beweis stellen, indem er Zuck, der fast frei aufs Broll-Tor hätte zulaufen können, leichtfüßig überholt und dem FCKler im Vorbeilaufe ins Ohr flüstert: „Du. Heute. Nicht“. Abgeklärt geklärt.
Nun wogt das Spiel hin und her, viel Mittelfeld, wenig Strafraum. Die Angst vor dem Fehler obsiegt für eine Weile über den Mut zur Tat. Zögerlichkeit galore. Dann doch nach einer Viertelstunde eine kleine Druckphase der SGD, die in eine Ecke mündet. Die hebt Weihrauch am ersten Pfosten vorbei – direkt auf den Oberschenkel von Kraus, der reaktionsschnell den eigenen Keeper überwinden will. Der jedoch kratzt den Ball unter dem Querbalken heraus und kann – nun im Gras liegend – nur noch mit ansehen, wie Sebastian Mai durch den Strafaum schleicht und aus einem halben Meter Entfernung per Schädel einlocht. 0:1, zwei Spiele, zwei Tore, Seb Mai, es sei!
Das geht den roten Teufeln nun mächtig auf die Hörner, Paroli bieten, heißt die Devise. Drei Minuten nach der Dynamo-Führung spielt Pourié mit Meier und Mai Katz und Maus, bedient Huth, der aber aus fünf Metern direkt unter die Latte zielt, aber Kevin Broll hebt die Hand und lächelt leise. Nach der Ecke kontert Agyemang Diawusie auf seiner rechten Außenbahn, aber hier wie auch in anderen Situationen fehlen ihm hin und wieder Übersicht und Ruhe – sein Pass in den leeren Raum landet unerreichbar für Mitspieler bei Torwart Spahic. Der Ärger über sich selbst wirkt wohl noch nach, als sich die schwarzgelbe 11 nur drei Minuten später über eine Refereé-Entscheidung erst aufregt, dann den Ball zu lange in der Hand behält und Gelb sieht. Andere Schiris ermahnen und beruhigen vielleicht einen Spieler, der bisher nix angestellt hat, aber heute hat der Pfeifenmann eine Linie, die er durchzieht.
Jetzt verkleistert die Partie. Körperliche Ertüchtigung statt Fußballkost. Taktikfüchse mögen daran einen Gefallen finden, anzusehen ist es nur, weil die Richtigen in Führung liegen. Zuck holt mal den Hammer raus und verzieht knapp, Will auf der anderen Seite etwas unknapper. Schwarzgelb hat aber wenigens etwas mehr vom Ball, kontrolliert den Betzenberg. Christoph Daferner könnte sogar den Versuch starten, allein auf das FCK-Tor zuzulaufen, aber entledigt sich seines Mitspielers etwas zu ruppig. Abgepfiffen.
In der 43. Minute verändert sich dann das Spiel. Kurz vor dem eigenen Strafraum springt das Runde an den Arm von Paul Will, unglücklich zwar, aber nicht zu übersehen. Zweites Gelb macht einmal Rot. Man darf darüber streiten, ob dies zu hart ist, aber seien wir ehrlich: Was hätte der Dynamo-Fan getobt, wäre genau das auf der anderen Seite passiert und der Schiri hätte nichts getan?
Nun noch den Vorprung in die Pause retten und durchpusten. Aber da ist noch der Handfreistoß: Ciftci stramm und flach ins linke Eck, aber Broll segelt genau richtig und verhindert den Einschlag. Keeeeeviiiiin, schreit die Fußballseele. Push, push, Abklatschen bei der SGD. Pause.
Die zweite Halbzeit: Brolletarier aller Länder ...
Normal wäre gewesen, dass die freie Position des spielfeldverwiesenen Will durch Hartmann ersetzt wird und ein Offensiver auf der Bank bleibt. Aber so denkt Markus Kauczinski nicht, er belässt die Mannschaft wie sie in die Pause gegangen ist. Ein Anrennen ist bei den Gastgebern noch nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Wieder Ecke von Weihrauch – diesmal rauscht der Ball über den Dutt von Mai und kommt auf Knippings Stirn. Doch auf der Linie bewahrt Schad seine Farben vor weiterem Schaden.
Weihrauch, heute auffälligster Spieler, schiebt immer wieder an, weil die Roten mit ihrer Überzahl noch nichts anzufangen wissen. Nur als Mai und Knipping vor dem eignen Tor zusammenschädeln und sich so mal ganz neu kennenlernen, zuckt man kurz zusammen. Aber nach einer Stunde beginnt Kaiserslautern ein Powerplay, dem es aber über weite Strecken an Power fehlt. Rieder schickt aus 20 Metern eine weitere Prüfung an Broll, die der Goalie souverän besteht.
Die Entlastung für Dynamo nimmt mehr und mehr ab. Vlachodimos läuft erst aussichtsreich ins Abseits, leistet sich dann einen dummen Fehlpass, will den Fehler ausputzen und kassiert Gelb nach Foul am eingewechselten Skarlatidis. Schon lange sieht das Spiel nach dritter Liga aus. Ach ja, da sind wir ja auch. Eine Viertelstunde vor Schluss kommt Königsdörffer für den etwas glücklosen und gelbbelasteten Diawusie. Kurz darauf kassiert auch Weihrauch den sonnenfarbenen Karton für eine sehr körperbetonte Aufräumaktion against Pourié.
Das Geschehen wird nun immer enger, keine zehn Minuten mehr, da kommt Stor für Daferner, der wie ein Ackergaul das komplette Feld beackert hat, mehr verteidigen musste als er hätte stürmen können. Meier, der nach einer Halbzeit Eingewöhnung besser ins Spiel gefunden hat, gerät in der 83. Minute in seine vielleicht wichtigste Aktion: Nach eine Kopfballerei bekommt Skarlatidis am rechten Pfosten den Ball in den Fuß und könnte aus Nahdistanz in die Kurze einschieben, aber der Linksverteidiger kann ihn entscheidend dabei stören. Dann gehen die Eingewechselten auf die Reise. Königsdörffer sprintet allen davon und passt genau im richtigen Moment auf den mitgelaufenen Stor, aber mit den Zehenspitzen kommt Hlousek dran und verhindert das 0:2.
Die Heimelf kommt jetzt nur noch hoch und weit, aber das Duo Mai-Knipping beherrscht den Luftraum, untenrum machen alle mit. Hartmann kommt für Weihrauch, führt sich mit einem Foul am Sechzehner-Eck ein, das ohne Folgen bleibt. Ein Ciftci-Kraftakt wird geblockt. Dynamo hat zwar einen Mann weniger, aber für den FCK sind es einige zu viel. Nachspielzeit. »Halt aus! Hallo! Noch vier Minuten bis Buffalo«, ruft es im Herzen – frei nach Fontanes „John Maynard“. So sind die letzten zwei Szenen bezeichnend für diese zweite Halbzeit: Erst klärt Huth versehentlich den aussichtsreichen Nah-Torschuss seines Mitspielers Hlousek, dann hält Broll den letzten Versuch von Skarlatidis. Keine Frage: Der dynamische Torwart so ganz in Grün ist an diesem Abend unser John Maynard – lasst uns heute alle Brolleten sein! Schluss. Aus. Sieg. Drei Punkte.
Fazit: „Beschissen gespielt“ (Mai), „nicht gut Fußball gespielt“ (Kauczinski), aber am Ende gewonnen. Nach zwei Kraftakten in einer Woche zeigt es sich, dass das viele Reden über „das tolle Team“ in dieser Saison wohl keine Worthülsen sind. Schon mit Spiel eins ist Dynamo Dresden in der dritten Liga angekommen und zeigt genau die Eigenschaften, die es braucht, um in Drecksspielen wie diesem erfolgreich zu sein. Und von denen wird es noch einige geben.
Zwei Anmerkungen: Schwach vom FCK-Publikum, dass nicht alle verkaufbaren Karten weggingen. Und: Danke nachträglich an den HSV-Couch, dass Hinterseer statt Terodde am Montag in der Startelf stand (siehe gestern).
Uwe Stuhrberg
1. FC Kaiserslautern vs. SG Dynamo Dresden
18. September 2020, Anstoß: 17.45 Uhr
Tore: 0:1 Mai (17.)
Dynamo Dresden: Broll, Becker, Mai, Knipping, Meier, Stark, Weihrauch (88. Hartmann), Will (42. Gelb-Rot), Diawusie (75. Königsdörffer), Vlachodimos, Daferner (82. Stor)
Zuschauer: 4.150
Schiedsrichter: Martin Thomsen
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