Mexican Standoff
Dresden und Berlin zeigen sich beide ebenso eisern wie dynamisch
Na das war mal eine Überraschung am Eingang für Funk, Fernsehen und Presse! Da stand als Türsteher und Controletti ein sehr bekanntes Gesicht am Piepsgerät, dass keinem Geringeren gehörte als Maik Wagefeld. Oben dann, in luftiger Höhe auf dem Balkon der Schreiberlinge, machte dann Cristian Fiel die Runde, haute mal jedem auf Schulter mit einem freundlichen „Hallo“. Fast schon familiäre Betreuung also. Das lenkte mich ein wenig ab, von dem dreckigen Remis, dass ich schon den ganzen Vormittag im Urin hatte. Und mein Urin sollte diesmal recht behalten.
Halbzeit eins: So-called „Duell auf Augenhöhe"
Noch vor dem Anpfiff gab es via Capo auf dem Rasen Unmut über die Ordensverleihung an Herrn Rangnick auf dem Semperopernball. Man kann jetzt über die Größe der Geschmacklosigkeit debattieren, allerdings muss man sich auch fragen, was so ein Orden wert ist, der spätestens seit 2009 durch die obskure Verleihung an den russischen Autokraten diskreditiert wurde. Man kann man es aber auch so sehen, dass RBL quasi die Putins des Fußballs sind – dann ist es auch schon wieder okay. Who cares?
Dann ging es los, und bereits nach wenigen Minuten hätte man wieder abpfeifen können, denn in den gesamten 90 Minuten sollte sich kaum etwas ändern am Geschehen auf dem neuen Grün. Denn von Beginn an hoben sich die nahezu gleichen Taktiken der Teams gegenseitig auf: ein Mix aus hohem Pressing und langen Bällen, dann wieder kontrollierter Spielaufbau und hartes (nur selten überhartes) Einsteigen. Augenfällig war in der Anfangsphase, dass Ex-Dynamo Toni Leistner iregdnwie übermotiviert und auch überfordert war. Bereits in Minute 21 sah er Gelb nach seinem dritten Foul in kurzer Zeit. Dann besann sich der Verteidiger wieder auf seine eigentlichen Qualitäten.
Ist so ein Spiel der großen Neutralisation nun eher spannend oder langweilig? Auf jeden Fall ersteres, wenn man Freude an fußballerischen Kleinigkeiten und taktischen Feinheiten hat: wie Hauptmann käuft, Lumpi kämpft, Stefaniak grätscht, Ballas jedes Duell gewinnt, Heise sich freispielt, Schwäbe risikofreudig den heranstürmenden Gegner mit einem Haken ausspielt. Aber auch die Berliner Roten stehen mit einer Monsterdefensive, durch die Schwarz-Gelb keine Lücken findet. Selbst die vielen Ecken oder einige Freistöße bringen kaum Gefahr – hier wie da nicht.
Was auffällt ist, dass mehrfach Seitenlinienpässe ins Aus gehen, vor allem die von Fabian Müller, der diesmal einmal mehr ordentlich, aber auch nicht im positiven Sinne auffällig spielt. Ich weiß, dass es Trainer nicht so gern lesen, wenn die Presse an ihren Aufstellungen herummäkelt, und normalerweise kommt das bei mir sehr selten vor. Aber wie schon gegen Nürnberg ist es verwunderlich, dass nach dem Hereinrücken von Philip Heise Fabian Müller auf rechts gesetzt scheint. Nicht, dass er einen schlechten Job macht, aber herausragend ist etwas anderes. Defensiv immer mal eine Unaufmerksamkeit, offensiv ist es defintiv zu wenig. Stellt sich die Frage, ob Nils Teixeira und Niklas Kreuzer trainings- und formtechnisch so weit dahinter liegen?
So bleiben im ersten Durchgang ein paar Tempovorstöße über den fix genesenen Erich Berko in Erinnerung, aber keiner davon wird gut zu Ende gespielt. Es ist ein Kampf, weniger ein Spiel. Und erst kurz vor dem Pausenpfiff gibt es doch noch eine Torchance, als Stefan Kutschke einen zu kurzen Rückpass auf Union-Keeper Jakob Busk erläuft, aber nicht mehr ins Tor bugiseren kann.
Halbzeit zwei: Wer zuerst zuckt, verliert
Die Hälfte zwei ist ein nahtloses Sequel der ersten 45 Minuten. Aufregung kurz in der 51. Minute, als Niklas Hauptmann dem Ball einflüstert „Was ist schöner als Fliegen?“ und ein Träumchen von einem Pass quer in den Lauf von Kutschke spielt, der aber im Strafraum kurz von der Kreisklasse träumt und auf diesem Niveau den Ball verspringen lässt. Kurz danach kann auch Marvin Stefaniak im Elfer nichts so recht mit dem Ball anfangen – wie überhaupt kaum auf das Tor geschossen wird. Einmal dann doch, nur auf der falschen Seite, als Simon Hedlund das Spielgerät aus über 20 Metern an den Dresdner Balken jagt.
Es ist nun ein großes Belauern in Bewegung, wer zuerst zuckt, verliert. Man kennt das vom Mexican standoff aus dem klassischen Western: Die Gegner (hier müssen es allerdings drei sein) stehen sich mit gezogenen Waffen gegenüber – wenn keiner schießt, überleben alle. Natürlich gibt es Versuche, das Spiel zu entscheiden, aber die Konsequenz ist mangelhaft – bei Hauptmann, bei Hartmann, beim eingewechselten Testrot oder bei Leistner auf der anderen Seite, der knapp neben das Tor köpft. Ohne Frage will hier jeder gewinnen, aber keiner ist bereit, zu hohes Risiko zu gehen. Dass Uwe Neuhaus nur zweimal wechselt, darf man vielleicht als Zeichen sehen, hier lieber hinten die Null zu halten, als am Ende ohne Punkte dazustehen.
Die wichtigste Erkenntnis dieses Nachmittags ist, dass Jens Keller zufrieden war, einen Punkt aus Dresden mitzunehmen. Und wenn ein langjähriger Zweiligist das beim Aufsteiger aussagt, dann heißt das auch: Die Leistung der Dynamischen wird auch von anderen Teams längst richtig eingeschätzt: Die SGD steht nicht durch fußballerische Fügungen auf Platz fünf, sondern weil hier gut, ideenreich und solide gearbeitet wird.
Uwe Stuhrberg
Dynamo Dresden vs. Union Berlin 5. Februar 2017, Anstoß: 13.30 Uhr
Tore: Fehlanzeige
Dynamo Dresden: Schwäbe, F. Müller, Modica, Ballas, Heise, Hartmann, Lumpi (80. Aosman), Hauptmann, Berko, Stefaniak, Kutschke (72. Testroet)
Ohne Einsatz: Wiegers, Konrad, J. Müller, Teixeira, Kreuzer
Schiedsrichter: Benjamin Brand
Zuschauer: 30.153
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