Irgendwie lässig

Vor allem mit Routine siegt die SGD über die Zweite des VfB Stuttgart

Tony Menzel Foto: SG Dynamo Dresden

Das war ein merkwürdiges Spiel. Das geht schon mal damit los, wenn der Stehplatz-Gästeblock komplett leer ist, es auf der Stimmungs-Skala keinen gegnerischen Dezibel-Pegel gibt. Das führt dann zu Phasen der Stille, weil sich der K ja auch immer mal neu eingrooven muss. Aber wenn die Stuttgarter Haupt-Elf am selben Tag spielt, verirrt sich dann eben niemand zum Zweitvertretungsspiel in die Ferne.

Spannend war natürlich, wie die Schwarzgelben die ebenso bittere wie unnötige Schlappe im Schacht abschütteln konnten, die ich zumindest in die Schublade mit dem Etikett „Ohne Worte“ verfrachtet habe. Natürlich gehört es zum Sport, auch mal zu verlieren, aber bitte nicht so – und schon gar nicht dort. Das war es keine Wunder, dass Lukas Boeder eine Denkpause bekam und dafür Lars Bünnings starten dufte. Oliver Batista Meier rückt vorn rein für den gesperrten Stefan Kutschke. (Wie unfassbar sinnfrei das Verhalten des Kapitäns war – auch jenseits der Schiri-Entscheidungen –, will ich hier nicht weiter erläutern, sonst bekomme ich Puls.) Und da auch Dmytro Bohdanov wegen einer Sperre aus dem Nachwuchs fehlte, rutschte auf einmal der 18-jährige Jakob Zickler auf die Bank, wo überraschenderweise auch Robin Meißner saß. Ebenfalls auf den Sitzmöbeln zu finden waren die Neuen Sascha Risch und Jonas Sterner.

Meine Erwartungshaltung lag bei etwa Quadratwurzel aus 1953, da diese Nachwuchsteams irgendwie immer wie eine Black Box sind. Man weiß nie, mit wem sie anreisen, was gespielt wird, wie die so drauf sind. Fest stand nur, dass die „kleinen“ Stuttgarter in den ersten drei Spielen keine Niederlage kassierten und dabei einmal siegreich waren. Wer sich allerdings auf ein Wiedersehen mit Stefan Drljaca gefreut hat, wurde enttäuscht, denn als Dritter Torwart bei den Großen, sitzt er bei den Kleinen nicht mal auf der Bank. Auch irgendwie bitter.

Die erste Halbzeit: Gut gelupft ist halb gewonnen

Es geht los, Dynamo spielt auf den K und Tim Schreiber hat den Schatten auf seiner Seite. Schon nach zwei Minuten zeigt Meier mal an, dass er körperlich nicht das Leichtgewicht ist, für das ihn viele halten – am Boden liegt jedenfalls ein Weißhemd. Nur Sekunden später schlägt Philip Heise einen seiner messerscharfen Pässe auf der Außenbahn auf Meier, der vor dem Strafraum Christoph Daferner findet. Fast schon artistisch leitet der weiter auf den Niklas Hauptmann, aber so gut wie er als Mitteld-Ass spielt, so semigut sind seine Abschlüsse. Das Schüsschen landet sicher in den Handschuhen von Seimen.

Nun darf der VfB mla zeigen, dass Passspiel schon eine Weile in der Ausbildung dran war. Locker und flockig spielt man sich über das Feld immer wieder bis zum Schreiber-Strafraum, aber dann werden die Aktionen unklar, unsauber, unsicher – als wäre Torschuss noch nicht dran gewesen. Es gehört aber natürlich dazu, dass die Dresdner Defensive zwar im Mittelfeld lutfig wirkt, aber am und im Sechzehner nichts gestattet. Bünning, Kammerknecht und Casar räumen alles weg, was nicht zuvor schon Sapina und Heise begraben haben.

Wird das hier so ein seichter Sommerkick? Das akademische Viertel ist rum, da gibt Dynamo eine erste Antwort. Im Mittelkreis wrestlen sich zwei Stuttgarter mit Hauptmann um den Ball, der das Runde aus dem Gewühl wie beim Rugby rausrollt, und da ist Vinko Sapina goldrichtig zur Stelle. Mit seinen gefühlt drei Meter langen Beinen stibitzt er das Leder, lässt noch einen Gegner ins Leere stolpern, geht noch ein paar weit ausholende Schritte und spielt einen Zuckerpass zum links in den Stafraum laufenden Daferner. Vier Schwaben können dieses Zuspiel nicht verhindern, während die 33 das Runde mit dem linken Innrist zum Einzunull ins Eckige hebt. Ist doch auch mal schön, wenn man nicht zu dem Zeitpunkt mit zwei Toren hinten liegt!

Jetzt geht das so ein wenig hin und her. Hauptmann verwertet einen Konterpass von Daferner unpräzise, Schreiber muss aus einem unübersichtlichen Kuddelmuddel resolut mit der Faust ran. Dann schon wieder Heise, der Daferner zentral vor dem VfB-Strafraum findet. Der probiert es ohne Erfolg direkt, übersieht aber, dass rechts Menzel komplett freisteht. Einen kleinen Extraerfolg feiert unterdessen Jakob Lemmer: Oft probiert, aber jetzt hat es mal doch geklappt: Ball am Gegner vorbeigelegt und ihn dann auch im Sprint bekommen. Geht doch! Und schon der nächste Konter: Hauptmann mit einer seiner unglaublichen Balleroberungen am Anstoßpunkt, rast auf das Tor zu, und hat die Wahl zwischen Daferner links und Meier rechts. Und obwohl Daferner eher freue Bahn hat, geht der Ball zu Meier, dessen Schuss geblockt wird. Da wartet noch etwas Feintuning im Kontertraining. Immerhin gibt es nun die erste Ecke, und die hat es ml in sich: Kurz gespielt, landet Ball über drei Stationen bei Tony Menzel, der Platz und Zeit hat, den Ball auf den langen Pfosten zu spielen, wo Sapina seine überragende Körperlichkeit für einen Aufsetzer-Kopfball einsetzt, den der Torhüter mit aller Mühe und tollem Reflex noch an den Balken lenken kann.

Man merkt: Das zweite Tor soll noch vor der Pause her, damit am Ende nicht gezittert werden muss. Aber am Ende ist immer jemand im Wege, wird geblockt und auch immer wieder gefoult. Zudem leitet sich Casar im ersten Durchgang einige schlimme Fehlpässe, die aber keine Gefahr heraufbeschwören. Und immer wieder mal stimmen die Laufwege nicht, etwa als Meier Lemmer schicken will, der aber ganz woanders steht. Lemmer wiederum kontert nach knapp 40 Minuten über den ganzen Platz, hat aber am Ende keinen Mitläufer und muss so halbgar abschließen. Trotzdem zeigt sich Dynamo als Hausherr, der das Geschehen im Griff hat. Und damit das hier nicht wie ein Freundschaftsspiel wirkt, liefert sich Daferner mit di Benedetto ein heftiges Sprachscharmützel, kurz darauf sieht der Stuttgarter Gelb für ein Foul an Lemmer. Den Schlusspunkt setzt dann Menzel mit einem Distanzkracher, wunderbar aufgelegt von Daferner – leider etwas vorbei.

Die zweite Halbzeit: Es menzelt durch die Hosenträger

Überraschend kommt Robin Meißner nach der Pause ins Spiel, während Daferner, der 45 Minuten gerannt, gebissen und gedrängt hat, bleibt ausgepowert draußen. Und es vergehen keine drei Minuten, da bekommt Meißner am Fünfer den Ball zum ersten Mal, kann sich aber aus der Drehung nicht durchsetzen. Bälle hoch und weit sind immer wieder das Thema bei Schwarzgelb, aber ohne Kutschke oder Daferner vorn drin, führt das sehrt selten zu einem weitergehenden Erfolg.

Und immer wieder Meier: Überall zu finden, steigert er sich von Spiel zu Spiel. In der 54. etwa lässt er sehenswert seinen Konterpart aussteigen und flankt hoch vor das Tor, wo der Goalie das Leder nicht packen kann und gerade noch so vor dem heranstürmenden Menzel erhechtet. Sekunden später schwächen sich die Gäste selbst. Beim Versuch, kontrolliert hinten rauszuspielen, vertüddeln sie sich gründlich, Menzel riecht das, stibitzt dem ballführenden di Benedetto das Spielgerät vom Fuß und wird dabei gelegt. Den Vorteil wartet der Referee ab, der auch da ist, denn Meißner bekommt die Chance frei vor dem Torwart, vergibt aber an den linken Außenpfosten. Sorry, aber hier muss der Ball auf das Tor gehen, nein, er muss reingehen. Und nicht nur hier zeigen sich deutlich die Unterschiede zwischen Daferner und Meißner, in der Spielintensität, im Pressing, in der Spielübersicht. Der Schiedsrichter wiederum hat nach dem Fehlschuss die Szene vorher nicht vergessen und schickt di Benedetto mit Gelb-Rot-vom Rasen.

Jetzt pendelt das Spiel zwischen Offensivversuchen und Verwaltung. Vorn steht Mießner mal falsch oder köpft vorbei. Von Stuttgart kommt nichts mehr. Da hilft auch ein Dreifachwechsel nichts. Bei Dresden kommt Sterner für Meier. Und immer wieder werden dynamische Schüsse geblockt, gefühlt zu viele. Da wird manchmal zu schnell abgezogen, statt noch eine bessere Position zu erspielen. Erst in der 69. wird es mal wieder gefährlich, als Sterner über den Strafraum zu Hauptmann flankt, der aber wieder ohne Kraft abschließt. Und es steht noch immer nur 1:0, aus leidvoller Erfahrung wissen wir, dass bei Standards oder Kontern immer auch ein Unglück passieren kann.

Die Entscheidung kommt aber mit der 72. Minute. Sapina bekommt 25 Meter vor dem Tor den Ball, spielt raus auf Kammerknecht, bekommt ihn zurück und hat auf einmal jede Menge Platz und auch Zeit zum Schauen. Noch mal schnell den anlaufenden Gegner mit einem Halbschritt düpieren, und dann eine Maßflanke auf den langen Pfosten, wo Menzel per Kopf (!) durch die Hosenträger von Seimen einnetzt. Im Jubel hört man allerorten Felsbrocken von den Herzen rollen, der Tony wird zum „Fußballgott“ ausgerufen und Sapina zeigt ein weiteres Mal in diesem Spiel seine ganze Erfahrung und Rafinesse. Dabei ist er immer wieder nur mit Fouls zu stoppen.

Es trudelt nun aus, ohne dass es langweilig wird. Man zeigt noch ein paar Skills, auch mal eine Grätsche. Jan-Hendrik Marx kommt neun Minuten vor Schluss für Hauptmann, für die Nachspielzeit dürfen die Youngsters Jakob Zickler und Paul Lehmann noch mal ran für Heise und Lemmer. Und die fünf verbleibenden Minuten nutzt Lehmann für ein paar Aktionen zwischen Klasse und Unbekümmertheit, während Zickler sogar noch einen Torschuss hat, der aber deutlich drüber geht. Dann ist Schluss.

Was noch zu sagen wäre

Wie eingangs erwähnt, war das ein merkwürdiges Spiel. Die Sportgemeinschaft zeigte sich routiniert und abgezockt, irgendwie lässig, musste aber nicht richtig in die Vollen gehen. Das Thema war eher: Kontrolle. Und so hatte die Zweite aus Stuttgart nicht den Hauch einer Chance. Wenn jetzt die Konterläufe und die Abschlüsse noch besser werden, kann das eine sehr gute Saison werden. Warum allerdings der DSC aus der Bannerkiste geholt wurde, bleibt mir ein Rätsel. An macnche Dinge muss man auch al einen Haken machen, zudem dieser Club ja schon lange kein Gegner mehr ist. Und, by the way: Ich hatte am Sonntag im Steyer-Stadion einen richtig guten Football-Nachmittag.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs. VfB Stuttgart II 2:0
31. September 2024, Anstoß: 14 Uhr
Tore: 1:0 Daferner (15.), 2:0 Menzel (72.)
SG Dynamo Dresden: Schreiber, Kammerknecht, Casar, Heise (90. Zickler), Bünning, Menzel, Batista Meier (65. Sterner), Sapina, Hauptmann (81. Marx), Lemmer (90. Lehmann), Daferner (46. Meißner)
Ohne Einsatz: Mesenhöler, Duah, Boeder, Risch
Schiedsrichter: Mario Hildenbrand
Fans: 27.205
www.dynamo-dresden-de