Im »aufbruch«

Das Lausitz Festival zeigt sich mit vielen Facetten

Wenn am 13. September der Painist Abdullah Ibrahim im Kirchensaal der evangelischen Brüdergemeine Herrnhut spielen wird, dann ist das nicht nur einer von vielen Höhepunkt der dritten Ausgabe des Lausitz Festivals, es ist auch ein Statement. Denn der weltweit gefragte Jazzmusiker hat einen Grund, genau hier aufzutreten, weil er sich damit auf Nelson Mandela bezieht. Der ANC-Führer und spätere Präsident von Südafrika meinte einst, die Herrnhuter seien die einzigen Weißen in Südafrika gewesen, die gaben, anstatt zu nehmen. Für Ibrahim, selbst aus Südafrika stammend, ist dies mit 87 Jahren eine besonders emotionale Reise – gleichzeitig in die Fremde und die Heimat.

Apropos Reise: In diesem Jahr werden die Gäste des Lausitz Festivals vom 25. August bis zum 16. September auf eine außergewöhnliche Entdeckungsreise in die Wiege Europas eingeladen. Kunstdarbietungen in unterschiedlichen Sparten stellen an ungewöhnlichen Orten auch die Frage nach dem Sinn der gültigen Ordnung und bieten neue Perspektiven für eine selbst gestaltete Zukunft an.

Intendant Prof. Daniel Kühnel hat mit dem 2022er-Motto »aufBruch« einen Anspruch formuliert, der aufrüttelt, scheinbar gesetzte Wahrheiten infrage stellt und durch die sieben Sparten Theater, Konzert, Ausstellung, Liederabend, Gespräch, Literatur und Jazz eine ganz neue Vielfalt schafft. Denn das Nicht-Stehen-Bleiben birgt die Chance auf vollkommenes Glück. Eine weitere Besonderheit des Lausitz Festivals: Die ambivalenten Aspekte der Begrifflichkeit »aufBruch« können die Gäste der 50 Veranstaltungen durch mehr als 550 Künstler aus der Region und Meister ihres Fachs an 25 eigens ausgesuchten Orten zwischen Cottbus, Zittau, Görlitz oder Bautzen erleben. Das fein justierte Programm bietet berauschenden Jazz, bildgewaltiges Theater, klassische Konzerte, inspirierende philosophische Diskussionen, Chorauftritte von Barock bis Moderne, Liederabende und Lesungen.

Das Festival beginnt mit einer außergewöhnlichen Theaterpremiere: William Shakespeares Tragödie »Caesar«, in der Regie von Stefan Pucher, wird nach der Schlegel-Übersetzung, bearbeitet von Elisabeth Plessen, in einer alten Glasindustriehalle des Telux-Geländes in Weißwasser vom 25. bis 28. August zu erleben sein. Das Werk ist dem Intendanten zugleich Sinnbild für das diesjährige Inspirationswort: »Wie viel Unerhörtes kann, wie viel darf ein Aufbruch wirklich beinhalten, wenn er gelingen soll? Oder verhält es sich vielmehr so, dass Aufbruch immer nur Illusion bleibt? Bricht die Welt tatsächlich je auf und wenn ja – wohin? Oder findet der Aufbruch vielmehr immer in uns statt und erweist eben darin seine neu ordnende Stärke?« Vor allem ist es die Interaktion der Kunst mit der Region, welche in der Geschichte politischer Umwälzungen und kultureller Verschiebungen eine Neuinterpretation von Chancen ermöglicht. Für den Intendanten ist dabei wichtig: »eine starke und sinnhafte Verbindung zwischen Ort und Aufführung zu schaffen, die die historische, geistige, politische und mythische Dimension der Orte der Region spiegelt und dadurch Sinn stiftet«.

Dass das gelingen kann, zeigt das Programm, das zu umfangreich ist, um es hier ausrisshaft abzubilden. Da findet sich Musik von Peter Tschaikowsky und Franz Schubert, John Zorn und Johanna Summer, Leonard Bernstein und Olivier Messiaen. Chöre, Orchester, Trios oder Solo-Performances, es wird gespielt, gesungen, gelesen, gesprochen, ausgestellt. Die Lausitz hebt an …
JH

Lausitz Festival 25. August bis 16. September
www.lausitz-festival.eu