Hamburger mit Dresdner Käse
Gegen St. Pauli zeigt die SGD einen desaströsen Rückrundenstart
Nicht sooo schlecht gespielt gegen einen nicht sooo guten Gegner. Zu Hause. Und verloren. Wieviel Déjà-vu darf es denn in dieser Saison noch sein? Und auch wenn der Spruch, dass es auf dem Rasen gerichtet werden muss, natürlich stimmt – ein ordentliches Stück vom Loser-Kuchen darf sich Uwe Neuhaus diesmal mit abschneiden.
Erste Halbzeit: War da was?
Beim DFB schien das Spiel ziemlich hochgehängt gewesen zu sein, denn als Referee wurde Deniz Aytekin nach Dresden geschickt, ein Mann der gern mit den Spielern plaudert, was sich auch an diesem Abend nicht ändern sollte.
Bei der schwarzgelben Startelf gab es im Tor den erwarteten Wechsel auf Markus Schubert, Marcel Franke löste Janik Müller im Strafraum ab und Manual Konrad ersetzte einmal mehr den verletzten Kapitän. Aber Sascha Horvath statt Haris Duljevic? Peniel Mlapa statt Lucas Röser? Das lässt aufhorchen und Zweifel tauchen auf – aber man kennt ja die Trainigssituation nicht.
Auf dem Rasen geht es munter los, gleich in der dritten Minute wird Erich Berko schön eingesetzt, sein Schuss von der Strafraumgrenze jedoch geblockt. Die darauffolgende Ecke allerdings offenbart etwas, das nicht zu verstehen ist: Philip Heise, im Normalfall ein sehr guter Standardschütze, spielt den Ball halbhoch auf den kurzen Pfosten, wo weit und und breit nur ein Sankt-Paulianer steht, der auch noch bequem annhemen kann. Und das wirklich Schlimme: Heise wird das noch mehrfach in genau der gleichen schlechten Art vollziehen. Die immer lauter werdenden Pfiffe kann man durchaus nachvollziehen. Dass Sekunden später Mlapa dem besser stehenden Berko den Ball ungeschickt vorenthält und nichts daraus macht, lässt Vorahnungen auftauchen.
Aber gut, es ist ja noch Zeit. Oder auch nicht. Denn in Minute 8 steht es auf einmal 0:1. Eine ewig lang durch die Luft flegende Bogenlampe landet an der Strafraumgrenze bei Sobota, der – als wortwörtliches Alleinstellungsmerkmal – direkt abnimmt und hübsch rechts unten am chancenlosen Schubert vorbei einschießt. Keine Ahnung, ob Seguin, Horvath und Franke noch ein kleines Kennenlerngesprach führten oder sich zum nächsten Skatabend verabredeten – ihren Job hatten sie in dem Moment nicht auf dem Schirm.
Nur 120 Sekunden später läuft Nehrig von der Mittellinie Richtung SGD-Kasten, aber niemand ist da, der sich ihm entgegenstellt. Schlimmer noch, die Defensive macht das Scheunentor richtig weit auf. Den wuchtigen Schuss entschärft Schubert mit seiner ersten Zweitliga-Flugeinlage. Großartig! Schubidu! Bei der Ecke direkt danach steht er dann goldrichtig, als Avevor aus nur zwei Metern Entfernung auf das Tor köpfen kann. Nur mal so nebenbei: Wie der zehn Zentimeter größere Mlapa das hier verteidigt, ist – mit Verlaub – Kreisklasse. Nach einer knappen Viertelstunde nimmt sich dann Konrad ein Herz und zieht aus etwa 20 Metern ab, der Strich geht aber deutlich an der Gästekiste vorbei. Hoffnung? Sieht anders aus.
Trotzdem kommt nun etwas Ruhe auf das Grün. Dynamo versucht sich mit Ballbesitz, leistet sich aber immer wieder fahrige Ballverluste im Vorwärtsgang, selbst ein sonst sichere Kicker wie Benatelli reiht sich da ein. Und als er in der 20. Minute dann doch mal im Strafraum zum Schuss kommt, ist wieder ein Hamburger Bein dazwischen.
Symptomatisch für die Gesamtsituation zeigt sich dann Berko in der 23. Minute: Er spielt einen Kurzpass zu kurz, verliert den Ball, verhindert den Konter per Foul und sieht Gelb. St. Pauli dagegen entspannt sich, steht hinten absolut sicher, tut nach vorn kaum noch etwas und wartet. Wartet darauf, dass Dresden den nächsten Fehler macht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Und der Druck im emotionalen Kessel auch, denn Hauptmann holt sich Gelb, als er Aytekin nach einer 50:50-Foulentscheidung anmacht.
Weil es spielerisch kein Durchkommen gibt, versucht es Konrad einmal mehr aus 28 Metern – sehenswert, doch wieder links vorbei. Aber immerhin versucht der Mann, das Spiel an sich zu ziehen, zeigt Feuer. Noch mal aus der Ferne kurz darauf Seguin – Keeper Himmelmann patscht das Ding über die Latte.
So zieht sich die erste Häfte zum Ende hin. Dresden will, kann aber nicht recht, Hamburg clever, vor allem defensiv. Heise mit weiteren Gruselecken und es gibt noch zwei Schussversuche aus der Ferne. Pause. Jetzt ist der Trainer gefragt. Er muss etwas ändern.
Zweite Halbzeit: Das Warten auf die Fehler
Aber: Es ändert sich nichts. Auch nicht in der Aufstellung. Viel Ballbesitz Dynamo, viel hintenrum, wenig Ideen vor dem Hamburger Sechzehner. Und dann steht auf einmal Dudziak direkt vor Schubert, aberder Youngster pflückt ihm den Ball vom Stiefel mit einer Ruhe, wie man sie sonst nur von Manuel Neuer kennt.
In der 53. Minute hat dann Konrad Glück, als er nach einem taktischen Foul Gelb sieht. Denn eigentlich hätte es auch Gelb-Rot sein können, wenn ihn Aytekin bei genau dem gleichen Vergehen in Halbzeit eins nicht einfach nur ermahnt hätte.
Jetzt kommt auch der längst erwartete Wechsel von Horvath auf Haris Duljevic. Sofort mach der Dampf auf der rechten Seite, und auf einmal hat auch Heise wieder richtige Ecken im Repertoire. Nur kann Marcel Franke den Kopfball nicht auf das Tor bringen, obwohl er ohne Bedrängnis agiert. Es folgt eine Viertelstunde Druck durch Schwarz-Gelb. Fast möchte man meinen, der Ausgleich liege in der Luft. Aber dann sind es immer wieder diese kleinen nerven- und kraftraubenden Fehler vor einer vielbeinigen und konzentriert arbeitenden Hamburger Verteidigung. Allein in der 64. Minute gibt es drei gute Gelegenheiten innerhalb weniger Skunden. Doch das das Tor fällt nicht. Zumindest nicht auf der richtigen Seite.
Gerade durfte man konstatieren, dass sich die SGD-Defensive stabilisert hat, dass der Druck nach vorn immer größer wird, da fällt das zweite Tor für St. Pauli. Nach einem nicht gut zu Ende gespielten Hamburger Konter fängt Seguin den Ball an der 5-Meter-Linie ab und hat alle Zeit der Welt, zu überlegen, wo er das Leder hinspielt oder wegdrischt. Doch vollkommen überhastet spielt er es zentral zu Bouhaddouz, der nur noch Sobota schicken muss, der wiederrum vor den Schubert-Kasten passt, wo der gerade eingewechselte Neudecker den Ball über die Linie rutscht. Das Warten auf Fehler hat sich für den Gegner also einmal mehr gelohnt.
Nun kommt Röser für Mlapa, ähem, für Konrad? Bitte? Zum Dank dafür, dass er weitermachen darf, köpft er sofort mal neben das Tor – sein erster Abschluss nach 75. (!) Minuten. Bentalli weicht inzwischen für Aosman. Doch alles verlorene Liebes- und Leibesmüh – es fällt das dritte Tor für die anderen. Und das ist so bitter. Die SGD hat selbst einen Freistoß an der Seitenlinie in der eigenen Hälfte (nachdem Schubert mit famoser Fußabwehr gerade ein Gegentor verhindert hat). Mlapa (Was hat er eigenltich dort verloren?) will den schnell ausführen, spielt ihn aber direkt in die Füße von Sobota. Der läuft nun wie ein Handballer einmal quer um die ganze Abwehr herum und netzt schließlich ein. Klappe zu, Affe tot.
Der Treppenwitz aber ist: In der 88. macht Röser mit der Hacke nicht nur das 1:3, es gab in den letzten zehn Minuten sogar noch ausreichend Chancen für Anschluss und Ausgleich. Aber Mlapa, Duljevic, Berko und Röser verballern, verdaddeln, verzagen. Abpfiff.
Es stellen sich nach dem Spiel schon einige Fragen, denn die Parallelen zur letzten Auswärtspartie waren nicht zu übersehen, obwohl ein Trainngslager zwischen beiden Spielen lag. War es wirklch sinnvoll, das erste Spiel der Rückrunde für Veränderungen zu nutzen? Warum wurde die Achse Heise-Duljevic gekappt, die im Wettkampfmodus meist gut funktioniert hat? Hätte es Jannik Müller nicht verdient, nach zuletzt guten Spielen, zumindest den Auftakt noch zu bekommen und Marcel Franke erst ein oder zwei Spiele später zu testen? War nicht relativ schnell ersichtlich, dass Sascha Horvath an diesem Abend komplett überfordert ist? Und hat sich Peniel Mlapa in den Vorbereitungsspielen wirklich so für die Startelf angeboten? Ich habe mich an dieser Stelle schon einige Male an ihm abgearbeitet, und will mich nicht endlos wiederholen. Aber der Mann ist in der Form kein Gewinn für die Mannschaft. Er hat nicht nur spielerische Schwächen, er antizipiert das Spiel nicht und hat keinen Schimmer, wo der Ball in der nächsten Sekunde wohl sein könnte. Er reagiert nur, aber agiert nicht.
Bei Nikals Hauptmann wiederum zeigt sich, dass die Gegenspieler längst seine Spielweise gerafft haben und seine Drehungen und Wendungen vorhersehen. So verpufft der Überraschungseffekt immer öfter, was Ballverluste nach sich zieht – und Frust bei ihm. Es muss deutlich zulegen.
Keine Sorgen wiederum muss sich Uwe Neuhaus um das Torwartproblem machen, denn es gibt keines. Markus Schubert agiert ruhig und fehlerfrei. Den einen Abschlag ins Seitenaus kann man ihm nachsehen, weil das jedem Keeper mal passiert. Was zu halten war, hat er gehalten, im Spielaufbau war er eine sichere Bank.
Zum Schluss noch etwas in Richtung K-Block: Es war wieder ein Riesen-Support im ersten Heimspiel nach Lehmi. Aber diese ewige pauschale Wessihasserei nervt zusehends. Einfach mal auf die Trainerbank und in den Kader schauen.
Uwe Stuhrberg
SG Dynamo Dresden vs. FC St. Pauli
25. Januar 2018, Antsoß: 20.30 Uhr
Tore: 0:1 Sobota (8.), 0:2 Neudecker (71.), 0:3 Sobota (81.), 1:3 Röser (88.)
Dynamo Dresden: Schubert, Seguin, Franke, Ballas, Heise, Konrad (74. Röser), Benatelli (78. Aosman), Hauptmann, Berko, Horvath (55. Duljevic), Mlapa
Zuschauer: 28.706
Schiedsrichter: Deniz Aytekin
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