Foursome again

Auch in Meppen erzielt die SGD vier Tore und hält hinten die Null

Anschwellender Aufstiegsgesang allüberall – so war er nach dem beeindruckenden Sieg über Verfolger Ingolstadt zu vernehmen. Und er wird nach der Meppenreise noch lauter werden, so sehr die Kauczinski-Truppe auch davon (noch) nichts hören will. Aber wieviel Ohropax muss man dafür auftreiben? Nun kann man natürlich einwenden, dass man als Tabellenerster die drei Punkte gegen ein Team wie den Sportverein aus dem Emsland fest einplanen muss, aber wie souverän, ja fast abgeklärt es hier zur Sache ging, wird künftige Gegner schon in der Vorbereitung vor Probleme stellen.

Dabei gab es diesmal den seltenen Umstand, dass die Schwarzgelben nur mit einer Veränderung aufliefen: Philipp Hosiner kehrte in die Startelf zurück, der angeschlagene Pascal Sohm wanderte auf die Bank mit Blessuren aus dem harten Einsteigen des Ingolstädter Keepers vor einer Woche. Und wir erinnern uns auch kurz an das Hinspiel, denn sieht man von der damals folgenden unglücklichen Niederlage in Saarbrücken ab, war das 3:0 der Beginn einer großen Herbst-Winter-Serie. Julius Kade und Ransford-Yeboah Königsdörffer erzielten ihre ersten Tore für die Sportgemeinschaft und Marvin Stefaniak hatte einen Fast-Assist mit seiner verlängerten Ecke, aus der Hosiner das erste Tor schnitzte. Und: Der Meppener Torwart Plogmann verletzte sich schon in der ersten Halbzeit – sein Ersatz Domaschke steht seitdem zwischen den Pfosten. Damals wie heute lümmelt auf der SV-Bank lässig Torsten Frings, zu seiner aktiven Zeit einer meiner Lieblingsspieler in der BuLi, nicht nur seiner Langhaarigkeit wegen. Und natürlich nennen wir ihn nicht mehr "Lutscher"; den Spitznamen hatte er abgelegt bei der Übernahme des Trainerpostens in Darmstadt.

Die erste Halbzeit: Let's dance and a feeling

Dynamo hat Anstoß und spielt wieder in der von mir ungeliebten BFC-Farbe – wo doch die Heimelf in Blau aufläuft. Der Ball bleibt in den ersten Sekunden auch gleich da, wo er hingehört, also in den Reihen der SGD. EIn bisschen lullimäßig hintenrum, ein bisschen einen auf Ungefährlich machen, ein bisschen die anderen herauslocken und einschläfern, aber dann – Überaaschuuung! – einfach richtig steil gehen. Hart an, ja fast auf der linken Außenlinie geht es über Meier auf Hosiner, den als Linksaußen niemand auf dem Schirm hat. Kleiner Heber auf Daferner, der jetzt mit seinem Gegenüber Al-Hazaimeh 14 Meter vor dem Tor die Fernsehzeitung durchblättert. Erst kommt "Was guckst du?!", dann "Let's Dance". Rechts annehmen, rechts nach links legen, mit links ins Reich der Mitte. Ich bin mir sicher, Joachim Llambi hätte hier die Kelle mit der Ziffer 10 gehoben. Nun haben wir ein sehr frühes Einszunull – gut für den Kreislauf.

Auf dem Rasen sorgt das für die richtige Motivation. Gleich wird noch ein Konter nachgeschoben, Kade sichelt aber knapp und abgefälscht vorbei. Der SV muss erstmal durchpusten und kommt erst per Freistoß in der zwölften Minute in den Gäste-Sechzehner, aber Broll pflückt die Kugel sicher und mit fast schon buddhistischer Ruhe von den Haarspitzen, wie er auch alle folgenden Freistöße, Flanken, Ecken und Pässe sicher pariert. Er wird ein fehlerloses Spiel absolvieren.

Nach einer knappen Viertelstunde wieder so eine Dynamo-Kombi, die Erinnerungen an den legendären Dresdner Kreisel aufkommen lässt: Pass aus der Mitte, Doppelpass gespielt, nach außen auf Mörschel. Schon das ist alles viel zu viel für Meppen, die irgendwie in eine Zuschauerrolle gezwängt werden, ohne auf den Rängen zu sitzen. Mörschel narrt dann seinen Mitläufer und hebt das Leder ansatzlos über die Abwehr. Am langen Pfosten lauert Hosiner an der Fünferlinie und rammt den Ball volley drüber. Und das, da doch der Daferner durch sein Führungstor mit zehn zu acht vorn liegt und Königsdörffer mit sechs lauert.

Dresden nimmt den Fuß nun etwas vom Gaspedal, ohne die Kontrolle abzugeben. Mörschel noch mal aus der Distanz drüber und dann wird ein enger Zweikampf Mai–Domaschke zu Unrecht abgepfiffen. Will spielt einen Freistoß vor das Meppener Tor und der Dresdner Kapitän geht klar viel eher und höher zum Ball, während der Heimkeeper zu spät und niedrig in Mai hineinspringt.

So kleine Ungerechtigkeiten wecken ja ofmals die Geister zusätzlich, also wird nun wieder höher gepresst, es gibt kein Durchkommen für die Westniedersachsen. So stiebitzt Königsdörffer an der Mittellinie den Ball vom Fuß des heranstürmenden Gegenspielers, geht selbst in den Konter und einszweidrei wird Mörschel direkt und fast zental an der Sechzehnerkante gelegt. Kurzes Meeting mit der Entscheidung: Heinz macht’s. Kurz mal überlegt: Was hatten wir in dieser Saison noch nicht in der Torvariantenliste? Genau: Direkte Ecke und direkter Freistoß. Mörschel geht vier gemächliche Schritte und macht einen Haken an "direkter Freisoß". "What a Feeling" schallt Irene Cara innerlich durch das Stadion, während die blaue Mauer Bodenhaftung bewiesen hat. Links oben rein fliegt der Ball, dessen Flugbahn vom Torhüter aufmerksam begutachtet wird.

Es stellt sich nun Frage: Geht diesmal noch ein drittes Tor in Hälfte eins? Hosiner zumindest hat die baugleiche Situation wie Daferner bei der Führung, bei ihm allerdings gibt es vielleicht noch Übungsbedarf beim Ball-am-Mann-Vorbeilegen. Oder aber Al-Hazaimeh hat inzwischen bei diesem Gegner-Move dazugelernt. Die 40. bringt dann noch einmal die Möglichkeit, auf drei zu stellen, aber trotz Hinzunahme der Sportarten Pingpong und Billard bekommt Daferner im Doppelversuch nicht das elfte Tor in den Kasten. Meppen probiert sich noch zweimal aus der Ferne, aber nix da. Es ist auch wirklich schwierig, wenn sogar Königsdörffer seine Qualitäten gegen den Ball entdeckt, auch wenn das diesmal auf Kosten seines Vorwärtsdranges geht. Dann holt sich Kade Gelb für ein zünftiges Rein-in-den-Mann, Zeit für eine Pause.

Die zweite Halbzeit: Hosiner holt auf, Mörschel mit Glück

Es beginnt ein wenig wie der erste Durchgang. Abwartend. Meppen sucht die Lücke, Dresden bietet keine an, ruckt aber immer mal wieder durch, zeigt, dass jeden Moment etwas passieren kann. Und es passiert auch etwas. Ehlers hebt von außen zu Daferner, der zwischen Elfmeterpunkt und Fünfergrenze wartet und volley abzieht. Dabei verkeilt er sich mit Bünning, ähnlich wie es bei Sohm und Buntic vor sieben Tagen war. Damals kam kein Pfiff, diesmal schon. Die interne Aufholjagd sicher im Kopf, schnappt sich Hosiner den Ball und tritt ihn ohne Tricks und Trallala mit aller Härte ins linke untere Eck. Domaschke riecht den Braten, verspeisen kann er ihn nicht. 0:3. Haken dran. Hosiner 9, Daferner 10.

Die Luft ist raus, die Emsländer können niemals drei oder vier Tore gegen diese breitbrüstigen Gäste erzielen, das ist klar. Ein Bemühen aber ist zu sehen. Trainer Frings, als Fußballer ein Kämpfer, der nie aufgab, würde anderes nicht zulassen. So geht ein 17-Meter-Schuss von Henlein etwas knapp am Gästetor vorbei, aber ansonsten hat Broll derart die Ruhe weg, dass er sogar mal wieder seinen knappen Ausspielertrick zeigt. Nach 67 Minuten kommt Sohm für Daferner.

Fünfmal hat sich der Minutenzeiger weitergedreht, da spielen sich Hosiner, Meier und Mörschel im Dreickeck den Ball zu, es sieht aus wie im Passtraining. Da alle Blauen mit Abstandsregel spielen, hat Mörschel 18 Meter vor der Kiste freie Bahn und ordert ein Doppelpack. Domaschke liefert ihn. Vielleicht hat der Goalie am Vortag die "South Park"-Folge gesehen, in der Cartman & Co. eine Boyband gründen, die den Namen Flutschfinger bekommt. Auf jeden Fall lässt er den nicht eben platzierten Schuss an sich vorbei über die Linie rollen, wobei der Ball ganz doof direkt vor ihm noch holpert.

Kurz darauf hat der zweifache Torschütze Schichtschluss, denn er ist Teil eines für Markus Kauczinski ungewöhnlichen Dreifachwechsels: Für die letzte Viertelstunde kommt für ihn Stefaniak sowie Stark für Kade und Stor für Hosiner. Ob das die Ursache für eine sehr kurze Phase der Unüberlegenheit ist, vermag ich nicht zu sagen, aber auf einmal hat Meppen die einzige gute Torchance, als der ebenfalls gerade eingetauschte Andermatt den Pfosten trifft. Das Glück des tabellarisch Ersten – was jedoch nur für diese eine Situation gilt. Denn ansonsten haben die Drei von der Defensivstelle plus die beiden Vorstopper alles, aber auch alles weggemacht.

Schnell ist Dynamo wieder dran. Auch die Eingewechselten wollen sich zeigen. Wir hatten ja den Last-Second-Wechsel von Stefaniak gegen Ingolstadt im letzten Spielbericht thematisiert, inzwischen hat sich auch der Trainer zu der unglücklichen Situation geäußert und bedauert, dass kam wie es kam. Zwei Minuten vor Ultimo hat dann auch noch Kreuzer seinen Auftritt, womit Dresden seit gefühlten Ewigkeiten mal wieder das erlaubte Kontingent auf den Rasen bringt, nur Wiegers und Kwadwo dürfen nicht mitmachen. Apropos mitmachen. Nikals Kreuzer, der für Jonathan Meier ungewohnt links aufläuft, bricht kurz vor dem Abpfiff alle Tackles auf seiner Seite und bringt dann doch noch eine seiner unnachahmlichen Flanken über den Strafraum – genau dorthin, wo Stefaniak mit der Stirn voraus angerast kommt. Sehr nah dran am Torhüter, bringt der Blondschopf ihn aber nicht ins Netz. Ich hätte es ihm so sehr gegönnt. Ende Gelände.

Fazit: Wären wir bei #rannfl würden wir saisontechnisch sagen, dass nun die Crunchtime kommt. Jetzt erwarten uns die drei, vier entscheidenden Partien, das Polster zur Relegation beträgt sechs oder sieben Punkte – je nach Ausgang des Ingolstadt-Spiels am Montag. Bleibt Dynamo im Flow und wird kadertechnisch noch stärker durch die Rückkehrer aus dem Lazarett, ist der Aufstieg kaum noch zu verhindern. Den Weg dahin kann sich die Mannschaft nur selbst versperren. Die mögliche Revanche gegen Saarbrücken wird der Wegweiser sein.
Uwe Stuhrberg

SV Meppen vs. SG Dynamo Dresden 0:4

6. März 2021, Anstoß: 14 Uhr
Tore: 0:1 Daferner (3.), 0:2 Mörschel (25.), 0:3 Hsiner (54. Elfemter), 0:4 Mörschel (72)
Dynamo Dresden: Broll, Ehlers, Mai, Knipping, Meier (88. Kreuzer), Königsdörffer, Kade (77. Stark), Will, Mörschel (77. Stor), Daferner (67. Sohm), Hosiner (77. Stefaniak)
Ohne Einsatz: Wiegers, Kwadwo
Zuschauer: 0
Schiedsrichter: Robert Kampka
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