Erstunken & erlogen
Die improvisierten Stadtirreführungen von »Yes-oder-Nie!«
Die erste Nackt-Schwimmhalle der Stadt. Grandios! Ein Gefängnis, das seine Insassen per Turmrutsche anliefert. Wahnsinn! Der fulminanteste Fossilfund Deutschlands (eine spielplatzgroße Dinosaurierschnecke). Sensationell! Kaum zu glauben, womit die Landeshauptstadt alles aufwarten kann. Doch nichts davon ist wahr. Alles aus dem Stegreif erstunken und erlogen. Fake statt Fakten ist das Motto der irrwitzigsten Stadtführung Dresdens. Veranstalter des augenzwinkernden Spektakels sind die überaus eloquenten Akteure des Improvisationstheaters »Yes-oder-Nie!«. Auf charmante Art wird hier eine gute Stunde lang in unglaublicher Schnelligkeit gereimt, erfunden und geflunkert, dass sich die Balken biegen.
Ein aufs andere Mal hinterlassen »Yes-oder-Nie!« ein baff erstauntes Publikum, welches Tränen lachend Stichworte gibt, anfeuert und auch sonst fleißig mitagiert. So wird jede Tour zu einem Unikat, spontan erschaffen vor den Augen der Zuschauer. Gleich zu Anfang bestimmen diese, in welche Figuren die zwei »Guides« während ihres Vortrages schlüpfen. Wenn die Mehrheit entschieden hat, welche Laufrichtung die Route nimmt, kann das Spektakel beginnen.
An der Dreikönigskirche huldigt man an diesem sonnigen Sonntag beispielsweise dem straffällig gewordenen Poeten Timmi Biedenkopf. Eine Nachfrage ob der lockigen Statue Schillers an der Hauptstraße enthüllt, dass man hier keiner geringeren als der erfolgreichsten Unternehmerin der Stadt ein Denkmal setzte: der berühmten Gardinen-Heidi. Ihre blickdichten Glitzer-Tuchbahnen (im Volksmund SchillerStoff genannt) schützten ab 1822 die Fenster der Dresdner vor gafflustigen Spannern.
Valentin Reichert und Marcus König (zwei der insgesamt drei Herren von »Yes-oder-Nie!«) dabei zuzusehen, wie sie en passant nach den Vorgaben des Publikums ein Gedicht erfinden, verrückte Ein-Wort-Geschichten improvisieren und ruckzuck ein Lied auf den Stadtteil Neustadt aus dem Ärmel schütteln, macht mehr als Riesenspaß – es macht süchtig. Und das seit 2019. In diesem Jahr ließen Marcus, Valentin und Lorenz ihr Hobby zum Beruf werden und gründeten eine GbR. Kennengelernt haben sich die drei in der Freien Spielkultur, einem Angebot des TU-Theaters die bühne. Hier trainieren sie wöchentlich ihre Spontan-Synapsen. Die Idee für die Stadtirreführungen indes hatte die Nummer vier im Bunde: Lena Engemann. Der begeisterten Improtheater-Aktrice schwebte lediglich vor, ihren bayerischen Onkel (»Der erzählt immer nur Quatsch.«) mit einer vorwitzigen Stadtführung nach Dresden zu locken. Herausgekommen ist ein Format, welches nicht nur deutschlandweit völlig neuartig ist, sondern auch absolut flexibel auf alle Stadtteile Dresdens anwendbar – benötigen die Akteure doch weder ein Script, aufwendige Recherchen noch Zeit fürs Auswendiglernen. Nur Publikum.
Dies gilt auch für den neuesten Coup von »Yes-oder-Nie!«. Ihre eigene Spielstätte, der Kulturhafen Dresden in den ehemaligen Räumen der Micktener Tanzschule Graf, verheißt seit September dieses Jahres nicht nur einen festen Spielplan illustrer Shows (Impro-Comedy, Impro-Geschichten, Impro-Krimi), sondern auch Improvisations-Workshops für Einsteiger und Fortgeschrittene.
Ein weiteres unternehmerisches Feld haben sich »Yes-oder-Nie!« mit dem UnternehmensTheater eröffnet. Ob Volkswagen, die AOK, Infineon oder die Deutsche Bahn – sie alle kamen bereits in den Genuss origineller Teambuilding-Maßnahmen, kurzweiliger Tagungs-Events, ausgeklügelter Präsenz-Coachings. Denn das Ganze kann man buchen. Auch privat. Als Showeinlage bei Hochzeiten oder als Geburtstagsgeschenk für eine ganz private Stadtirreführung im Dresdner Stadtteil seiner Wahl. So oder so gilt: nix für Spaßbremsen.
Mutti
Yes-oder-Nie! Stadtirreführungen Anmeldung über www.yesodernie.de
Kulturhafen Dresden Leisniger Straße 53, www.kulturhafen-dresden.de