Endlich Punkte aus dem Keller

Der Dynamo rotiert und das Kleeblatt welkt

Ralf Minge meinte mal vor einiger Zeit, dass ihm eine 1:0-Führung oftmals lieber ist als eine mit zwei Toren Vorsprung: Da wäre die Konzentration und der Wille, diese Führung zu behaupten, einfach größer, während ein 2:0 eine falsche Sicherheit auf die Spieler ausstrahlen könnte. Heute war irgendwie so ein Tag.

Halbzeit eins: Fürth führt nicht, Dresden schon

Gibt’s doch nicht! Da steht ein Grüner namens Kirsch bereits in der zweiten Minute frei und zentral vor dem Dresdner Tor, kann sich Ecke aussuchen, trifft dann aber die richtige Entscheidung. So einer freut sich ja auch, vor so einem vollen Haus mit solch prächtiger Stimmung aufzulaufen, da will er nicht der Partykliller sein. Also haut er den Ball drüber. Danke dafür. Ansonsten war anfangs zu sehen, dass sich der dauerhaft von Entlassungsgerüchten verfolgte Gästecoach Stefan Ruthenbeck hat was einfallen lassen: mit extrem hohem Pressing dynamische Spielkultur verhindern und den Hausherren zu langen Bällen zwingen. Das klappt am Anfang ganz ordentlich, auch, weil Marvin Schwäbes weite Schläge heute meist nicht gut sind.

So richtig zur Sache geht es erstmals in der 10. Minute, als Akaki Gogia nach einem zu weit vorgelegten Ball in den Fürther Keeper rasselt. Das Rudel bildet sich mal eben kurz. Und jetzt sind alle wach – vor allem einmal mehr Niklas Hauptmann. Der stürmt nach einer reichlichen Viertelstunde über das halbe Feld, wird gehalten, gefoult, strauchelt – doch treu dem Olli-Motto »Immer weiter, immer weiter« hält er den Ball, spielt nach links raus auf Erich Berko, der seinen aufgehenden Stern weiter aufhellt. Denn wie er da in den Straufraum geht, Gegner narrt und den Kopf oben hat, das sieht einfach gut aus. Nur der Abschluss wird geblockt. Und wieder und wieder. Drei Ecken folgen, und jedesmal brennt es bei den Fürthern wie ein Osterfeuer unterm Weihnachtsbaum.

Dann endlich mal ein langer Ball, der etwas bringt. Natürlich nicht von Schwäbe, sondern von Florian Ballas. Der hebelt mit einer Bogenlampe von der Mittelinie die Franken aus, nur Caligiuri versucht, vor Gogia zu retten und macht dabei alles falsch. Denn mit dem Kopf, aber nicht mit Köpfchen, verlängert er den Pass vor die Füße des Dresdner Außenrunners, tanzt sich dabei selbst aus, während der Akaki – fast schon stolpernd – das Ding volley in die Maschen haut.

Jetzt hat Dynamo die Kontrolle. Der für den verletzten Modica spielende Jannik Müller räumt mit Ballas seelenruhig hinten ab, Kreuzer und Müller II drücken von außen auf Berko und Gogia, in der Mitte erobern Lumpi und Hartmann Ball auf Ball und vorn ackert Kutschke wie ein Berserker.

Aufregung dann in der 24.: Damjan Djokovic besitzt doch nicht etwa die Frechheit, Lumpi in die Band zu schubsen. Ich wiederhole: Frechheit!!! Ist das Respekt vor dem Alter? Der Referee zeigt Gelb, für mich ist es Doppel-Rot mit Lebenssperre! Und Ruthenbeck regt sich noch auf! Sowas! Auf die Tribüne gehört der! Aber keiner hört mich. Schade.

Zehn Minuten später dann Beifall im ganzen Stadionrund, was aber nichts mit dem Spiel an sich zu tun hat: Per Spruchband solidarisieren sich die Gästefans mit dem K-Block und sprechen sich klar gegen Kollektivstrafen aus. Auch im K selbst sind mehrfach Losungen zum Thema sehen.

So geht die erste Hälfte dahin: nochmal eine Hauptmann-Berko-Kombi, eine Kreuzer-Sturz im gegnerischen Sechzehner ohne Pfiff (na ja). Die Eins steht vorn wie hinten die Null.

Halbzeit zwei: Gogia wiederholt, das Kleeblatt schläft lange

Kein Bruch im Spiel nach der Pause. Hartmann kontert gleich nach drei Minuten auf Gogia, der bringt es aber nicht gut zu Ende. Überhaupt hapert es nun vor allem an der Chancenverwertung. Hartmann und Hauptmann verpassen das 2:0 ebenso wie Stefan Kutschke. Wieder einmal geht Berko auf und davon, serviert dem Sturmschlaks perfekt in die Mitte, das Tor ist leer, der Goalie irgendwo spazieren. Doch der Stefan schießt ausgerechnet den eben mal vorbeitaumelnden Marcel Franke an. Wieder nichts.

Und was denkt man in solchen Situationen? Entweder »Wer die Dinger vorn nicht reinmacht ...« oder man erinnert sich an das Minge-Zitat (siehe oben). Beides sollte sich bestätigen. Denn zunächst sind die Kleeblätter auf einmal doch noch aufgewacht. Zu spät? Zumindest hat Marvin Schwäbe auf einmal zu tun, als er zum Auftakt der Schlussviertelstunde eine dicke Gäste-Doppelchance klären muss. Ballas brüllt stinksauer. Trotzdem ist klar: Macht Dresden hier das zweite Tor, war es das. Doch bevor es soweit ist, macht Erich Berko etwas sinnfrei aus dem Winter noch eine Schwalbe und sieht Gelb.

Die Erlösung schließlich in Minute 86. Wieder ein langer Ball, diesmal per Freitoß von Fabian Müller, wieder über die Abwehr der Kräuter, wieder steht Akaki Gogia vor dem Torwart, wieder ist der Ball drin. Und dass sollte noch sehr wichtig sein.

Denn nun geht es noch mal hin und her, hier eine Chance, da eine Gelegenheit und in der Nachspielzeit sogar doch noch der Anschluss. Doch zum Glück spät genug. Ende Gelände, 22 Punkte, Tabellenplatz 5. Und endlich liefert auch der Tabellenkeller mal Punkte an die Elbe.

Uhd sonst so? Man konnte man sich während der langen, für Dynamo ungefährlichen Spielpassagen mal Gedanken um andere Dinge machen: Hat Stefaniak in Wolfsburg auch für Liga 2 unterschrieben? Warum haben wir drei Punkte in den Schacht gespendet, wenn die dann doch absteigen? Wer außer Dresden kann die Bullen schlagen? Und warum reimt der K Fackeln auf knacken?
Uwe Stuhrberg

Dynamo Dresden vs. Greuther Fürth 20. November 2016, Anstoß: 13.30 Uhr
Tore: 1:0 Gogia (20.), 2:0 Gogia (86.), 2:1 Dursun
Dynamo Dresden: Schwäbe, Kreuzer, J. Müller, Ballas, F. Müller, Hartmann, Lumpi (73. Aosman), Hauptmann (82. Konrad), Gogia, Berko, Kutschke (88. Testroet)
Schiedsrichter: Martin Petersen
Zuschauer: 28.097
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