Eine Sonne im Kaltland
»Wann wird es endlich wieder Sommer?« – ein Film über Banda Internationale
Kommt heutzutage das Gespräch auf auf Pegida, stellen sich schnell stets dieselben Fragen ein: Spazieren die noch? Geht da noch jemand hin? Hat da mal jemand was von denen gehört in den letzten Monaten? Die Antworten können jedoch trügerisch sein. Denn auch wenn die Montagsrituale anhalten, das breite Interesse daran deutlich geschrumpft ist, so zeigen die sächsischen Ergebnisse der Bundestagswahl, dass die Grundstimmung in weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor ausländerfeindlich, rassistisch und rechtskonservativ eingestellt ist. Denn wenn eine Partei wie die AfD im Bundestag sitzt, in Sachsen gar knapp die meisten Wahlzettel für sich verbuchen konnte, braucht es keine Bachmann-Bewegung mehr (auch wenn der Lutz sich das wohl anders erhofft hatte).
Doch auch, wenn sich nicht mehr allmontäglich Bilder aus Dresden in die Welt manifestieren, die Tausende Pegidisten zeigen, die unsäglich hetzenden Agitatorinnen und Agitatoren Beifall spenden, so ist das nicht so lange her, dass es einem nicht noch immer einen kalten Schauer über den Rücken jagt, wenn man sich daran erinnert. Dresden ist und bleibt die Hauptstadt vosn Kaltland.
Diese Erinnerung kommt nun auch ins Kino. Ab dem 15. Februar ist der Film »Wann wird es endlich wieder Sommer?« auf den Leinwänden zu erleben. Und schon die Anfangssequenz bringt die eben erwähnten kalten Schauer zurück: Zwei ältere Herren schwadronieren über ihre Ansichten zum Thema »Flüchtling« und behaupten dann noch, die Nazis auf der Pegida-Demo seien von der »Gegenseite« geschickt. Schnitt: Das Filmnächte-Areal, Menschenmassen, die üblichen Parolen und Fahnen, Weihnachtslieder. Nach dem Titel die Konfrontation zwischen »Refugees are welcome here« und »Komm her, du Fotze!«. Schnitt. Die legendäre Besenaktion, als Dresdner Bürger mit gelben Westen und Kehruntensilien die Straßen der Innenstadt symbolisch säuberten. Mittendrin eine Blaskapelle. Banda Comunale. Schnitt auf 2016. Ein Radiostudio. Zu Gast sind drei Musiker. Da ist das Comunale im Namen der Band längst dem Internationale gewichen. Den Prozess dahin und die Neuerfindung einer Musikkapelle in stürmischen Zeiten dokumentiert der Film »Wann wird es endlich wieder Sommer?«, den Barbara Lubich und Michael Sommermeyer von Hechtfilm gedreht haben.
Was vielen wahrscheinlich nicht richtig bewusst ist: Als das Geschehen des Dokfilms einsetzt, gibt es Banda Comunale bereits 14 Jahre. 2001 – auch aus dem Protest gegen die Naziaufmärsche am 13. Februar heraus – gegründet, war das Programm von Anfang weltmusikalisches Gebläse, aus allen Ecken der Welt kamen die Einflüsse, man spielte auf Straßenfesten und in Clubs, als Marching Act oder Tanzcombo. So war es aus dem künstlerischen Selbstverständnis der Musiker heraus kein Wunder, dass die Banda bei den No-Pegida-Protesten auftauchte, ja fast schon zum Soundtrack der Gegenbewegung wurde. Durch das häufige Engagement wurde aber auch eines klar: Nur dagegen sein, reicht nicht. Was also lag näher, als in die Flüchtlingseinrichtungen zu gehen, um dort aufzutreten, auch Abwechslung in einen sonst tristen Alltag zu bringen. Und siehe da: Unter den Geflüchteten gibt es auch Fachkräfte in Sachen Musik, und Banda Comunale sah sich nun mitten drin in der Integrationsarbeit. So zeigt der Film, momenthaft eingefangen, die ersten gemeinsamen Proben mit den neuen Bandmitgliedern, die Vielfalt in den Sprachen, im Sound, im Selbstbewusstsein – ein Clash der Kulturen im besten Sinne. Erste Auftritte in kleinen Clubs, auf großen Plätzen.
Einige der geflüchteten Bandmitglieder wie Thabet, Akram, Masoud oder Ahmed erzählen, warum sie ihr Land verlassen mussten, wie sie nach Deutschland kamen. Am eindrucksvollsten ist hier der Oud-Spieler Thabet Azzawi, der zudem anschaulich erklärt, warum in Syrien die Anti-Assad-Revolution scheiterte und warum es für ihn als Atheisten problematisch zu Hause ist. Andererseits bezieht Alt-Banda-Chef Michal Tomaszewski – geboren in Polen – klar Stellung zur politischen Situation in der Stadt, in der er lebt, und erzählt zudem seine eigene Migrationsgeschichte.
So entsteht ein multinationaler Klangkörper unterschiedlichster Künstler: Jazzer, Rocker, Folkloristen, Klassiker verbinden sich in einem Sound, für den der Begriff Weltmusik einst erfunden werden musste. Und als i-Punkt noch der Student Ezé Wendtoin mit seinem Hang zum deutschen Liedgut – schließlich ist er auch noch »schuld« am passend doppeldeutigen Titel des Films. Alle zusammen besuchen sie einmal verschiedene Instrumentenwerkstätten in Markneukirchen. Zu sehen, wie hier den Musikern nur beim Anblick der Violinen, Gitarren, Gebläse oder Bässe die Herzen aufgehen, benötigt kaum Worte. Und endlich, endlich kann Metalhead Hamed einen Amp bis zum Anschlag aufdrehen und ein Akkordgewitter aus der Box lassen. »Vielleicht hat Gott etwas verkehrt gemacht und mich am falschen Ort auf die Welt gebracht«, meint er anschließend. »Nun muss ich mich sehr anstrengen, um dahin zu kommen, wo ich hingehöre.« Ein Dilemma, ausgedrückt als schlichte Lebensweisheit.
Fast schon absurd wirkt die Szene, als die Banda bei einem Industrie-Gig (mit Tillich-Entourage) auftritt – fast alle Tische sind leer. Ganz anders hingegen die ausgelassene Stimmung beim »New Friend«-Tag im Albertinum. Wer da war, hat die ergreifende Tanzstimmung noch heute im Herzen. Und dann gibt es noch den sogenannten »Sängerstreit«, die Polenreise, Diskussionen über Herkunft und Religion, mal schlechte Laune, mal gute Nachrichten, bajuwarischer Heimatblues und Ezé auf dem Katholikentag. Und natürlich das medial wegweisende Heimatsound Festival: »Say Oba! Oba Ammagau!« Am Ende der reichlich 90 Minuten landen Banda Internationale schließlich im Knast, allerdings nicht so, wie es sich so mancher »asylkritische« Mitbürger wohl wünschen würde …
Alles in allem ist der Film auf eine angenehme Weise unspektakulär. Er zeigt Alltgägliches im nicht Alltäglichen, versucht weder gefühlshascherich zu sein, wird aber auch dort emotional, wenn es die Situation ergibt. Andere Filmemacher wären vielleicht der Versuchung erlegen, die große Flüchtlingsstory zu inszenieren. Gott sei Dank oder Allah sei Dank ist das hier nicht passiert. So ist »Wann wird es endlich wieder Sommer?« im Heute eine interessante Schau auf Dresden in einer sich rasant ändernden Welt und wird im Morgen ein wichtiges Zeitdokument sein. Denn wenn es kalt wird, braucht es mehr Sonne. Und diese Band ist eine Sonne im Kaltland.
Uwe Stuhrberg
»Wann wird es endlich wieder Sommer?«
Regie: Barbara Lubich, Michael Sommermeyer
Zu sehen im Thalia und im Kino im Dach