Ein zweiter Blick
Die Semperoper stellt das Programm der nächsten Spielzeit vor
Das Pressegespräch vor nicht sehr dicht gefüllten Reihen der Medienvertreter endete mit einer Danksagung des Semperopernclubs an Wolfgang Rothe. Dieser befeuert nicht nur das Interesse der dort aktiven Theaterbesucher, sondern hält als Kaufmännischer Geschäftsführer und kommissarischer Intendant das Schiff Semperoper ein weiteres Jahr ohne Intendant auf Kurs. (Der „Neue“ Peter Theiler kommt erst 2018 an die Elbe.) Bevor er das Programm der Spielzeit 2017/2018 vorstellt, ergreift kurz Christian Thielemann als Chefdirigent der Staatskapelle das Wort. 15 Mal insgesamt wird er auch als Operndirigent in der nächsten Spielzeit in der Semperoper am Pult stehen. Die Vollendung der Wiederaufnahme des „Rings“ mit zwei Aufführungszyklen im Januar 2018 steht bevor und auch einige „Tosca“ Dirigate. Eigentlich zu wenig in der Oper, wie er selbst befindet, aber dem vollen Konzertspielplan und vielen Gastspielreisen geschuldet. Beste Connections bringt der Maestro von seinen Aktivitäten in Bayreuth oder durch die Kooperation mit den Salzburger Festspielen auch zukünftig wieder mit an sein Stammhaus.
Die Spielzeit ist mit dem Leitmotiv „Brüchiger Frieden“ überschrieben, Wolfgang Rothe schlägt den Bogen von aktuellen Fragen wie Populismus, Meinungsfreiheit, Internationalität bis zur akuten Gefährdung des Friedens, der nach 1945 so selbstverständlich für Mitteleuropa schien. Die erste Premiere „Les Troyens / Die Trojaner“ von Hector Berlioz führt passend dazu in die Geschichte um Troja, dessen Bewohner nicht mit dem Frieden umgehen können. Die Grand Opera inszeniert Lydia Steier, eine große Regiebegabung. Eine weitere Regisseurin, Elisabeth Stöppler, schließt die Spielzeit im Juni 2018 mit den Opern „Oedipus Rex“ von Igor Strawinsky und „Il Prigioniero“ von Luigi Dallapiccola, deren Handlungen sich ebenfalls um die Themen Krieg und innere wie äußere Verwüstung drehen. Sie beeindruckte in Dresden bereits mit Henzes „Wir erreichen den Fluss“. Für diese Produktion kommt Sebastian Weigle, derzeit Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt, endlich wieder einmal nach Dresden zurück.
Das italienische Repertoire wird durch „Lucia die Lammermoore“ von Gaetano Donizetti bereichert. Die Belcanto-Oper war seit 80 Jahren hier nicht mehr im Repertoire, geschuldet wohl auch dem Umstand, für die mit schwierigsten, hochemotionalen Gesangspassagen gespickte Hauptrolle die geeignete Interpretin zu finden. Aktuell kann das nun Venera Gimadieva unter Beweis stellen, Regie führt Dietrich W. Hilsdorf. Mit „La forza del destino / Die Macht des Schicksals“ wird das Verdi-Repertoire weiter ausgebaut, Keith Warner inszeniert das Melodrama, er ist inzwischen kontinuierlich als Regisseur am Haus präsent. Eine späte Referenz geht an das von vielen Bühnen längst wiederentdeckte Meisterwerk des nur 23jährigen Komponisten Erich Wolfgang Korngold. Seine in spätromantischen Klängen schwelgende Oper „Die tote Stadt“ erklang hier letztmalig zur Erstaufführung in den 1920er Jahren. Regie führt nun der Schauspielregisseur David Bösch (zum ersten Mal an der Semperoper) und Jeffrey Tate aus Hamburg gibt als musikalischer Leiter hierbei ebenfalls sein Hausdebüt.
Eine schwierige zu vermarktende Aufgabe hat sich Ballettdirektor Aaron Watkins mit seinem Ensemble vorgenommen. Beide Premieren der Spielzeit sind dreiteilige Ballettabend, die jeweils einen Klassiker der Moderne (im März 2018 von Frederick Ashton, im November 2918 von Jiri Kylián) mit einer Uraufführung verbinden. So wird David Dawson, dem hiesigen Publikum schon gut vertrau, „The Four Seasons“ nach Musik von Vivaldi choreografieren und Hofesh Shechter zum ersten Mal überhaupt in Deutschland eine Uraufführung herausbringen. Der junge amerikanische Choreograf Justin Peck wird erstmalig in Europa zu erleben sein und studiert für das Semperopernballett sein Werk „Heatscape“ ein. Ein kleines Tanzprojekt mit Uraufführungen eigener Nachwuchschoreografen wird außerdem noch in der Bühne Semper Zwei realisiert. Diese neue Spielstätte war ja sehr gut gestartet, allerdings mit nur wenig Veranstaltungen. Sie bringt in der neuen Spielzeit drei Neuproduktionen heraus, für junges Publikum von Bernstein „Trouble in Tahiti“ und die kleine Form des Musicals „Cabaret“, dazu für Kinder ab 6 Jahren ein Musiktheateruraufführung, mit der der Dresdner Komponist Johannes Wulff-Woesten betraut wurde.
Einige Höhepunkte hält die Spielzeit, die wohl als Intendanz-Übergangsjahr im Gedächtnis verbleiben wird, noch bereit. So lädt sie um die Ostertage herum zu „Belcanto-Tagen“ mit Werken von Donizetti, Verdi, Rossini und Puccini. Groß gefeiert wird mit Festkonzert, CD-Box und großer anspruchsvoller Chorpartie in den „Trojanern“ das 200 jährige Jubiläum des Staatsopernchores, der am 8. Oktober 1817 von Carl Maria von Weber gegründet wurde. Gewürdigt wird auch der 25.Geburtstag der Stiftung zur Förderung der Semperoper, die in diesen Jahren die Arbeit der Semperoper mit insgesamt 14 Millionen Euro förderte. Der Gesamthaushalt der Semperoper betrug 2016 ohne Verwaltung und Werkstätten rund 50 Millionen Euro, wovon bei einer Auslastung von 91 Prozent durch die Vorstellungseinnahmen etwa 16 Millionen erwirtschaftet werden. Das privatwirtschaftliche Sponsoring bringt es auf etwa 1,8 Mill. €, wobei die Volkswagen Aktiengesellschaft nun als neuer Hauptsponsor anstelle der Gläsernen Manufaktur auftritt.
Insgesamt bereiten die MitarbeiterInnen vor, auf und hinter der Bühne etwa 400 Veranstaltungen in der Semperoper vor. Eintrittskarten für die neue Spielzeit sind ab 15. März online und ab 22. März in der Schinkelwache erhältlich. Kaum mehr Chancen hat man allerdings für die Ring-Vorstellungen im Januar 2018.
Isolde Matkey
Semperoper Dresden Spielzeit 2017/2018. www.semperoper.de