Ein Tag der Arbeit

Wille und Fleiß waren die Tugenden für den Dynamo-Sieg über Krefeld

Nun also Lotte. Da die Grotenburg des KFC Uerdingen 05 saniert wird, verfügt der Gegner über kein eigenes Stadion, noch nicht einmal über ein Trainingszentrum. Und so ist man platztechnisch angekommen in der Regionalliga: ein harter, rumpeliger Holperrasen, der so manchem Freizeitsportfeld deutlich unterlegen ist. Nun wollen wir aber nicht überheblich werden – so viel besser sah das Grün im Harbig-Rund vor der Winterpause auch nicht aus. Viel interessanter war zudem: Wie wird sich hier der zweite Dynamo-Spieltag unter Neucoach Alexander Schmidt gestalten? "Fun" Fact: Dies ist das Stadion, in dem die Ära Uwe Neuhaus ihr Ende nahm. Rödinghausen, you know?

Während die 05er mit enormen Personalproblemen zu kämpfen haben, wird die Kadersituation bei Dynamo etwas besser: Heinz Mörschel zeigt sich auf der Bank wie ebenso Leroy Kwadwo. Bei letzterem darf man aber laut "Überraaaaschung!" ausrufen, denn auf dem offiziellen Kaderzettel und den Ankündigungen direkt vor dem Spiel war sein Name nicht zu finden. A little bit putzig, das Ganze. Taktisch macht Schmidt derweil den Kauczinski, aufstellungstechnisch jedoch keineswegs. Dreierkette hinten, aber auf außen Agyemang Diawusie und Panagiotis Vlachodimos. Chris Löwe muss als Systemopfer auf die Bank. Sagt uns: Da Dresdens 7 und 11 nicht als Defensivmonster bekannt sind, soll heute offensiv all in gegangen werden.

Noch ein Blick auf den Referee: Ob es richtig ist, mit Tom Bauer, der mit 24 gerade seine erste Drittligasaison pfeift, bei einem so wichtigen Spiel einen derart unerfahrenen Schiedsrichter zu verpflichten? Die unterirdischen Leistungen der Unparteiischen gegen Haching und Duisburg im Kopf, muss man Bauer jedoch ein Kompliment ausstellen: Unauffällig, geradlinig, kommunikativ, spielintelligent. Dass er dabei noch im klassischen Schwarz auflief, soll nur eine Randbemerkung sein, wobei ich es durchaus schön fände, wenn man zu dieser Kleiderordnung zurückfinden könnte.

Die erste Halbzeit: Der Doppelpass ins Glück

Mit den üblichen drei MDR-geschuldeten Minuten Verspätung hat Dynamo Anstoß – leider wieder im BFC-Weinrot. Warum läuft man auswärts nicht auch in den Vereinsfarben auf, wenn es die Heimelf-Trikotagen zulassen? Nun ja. Es dauert nicht lange, da meldet sich Vlachodimos zum ersten Mal: Mit einer Körpertäuschung verschafft er sich freien Zugang zum Uerdinger Strafraum, legt mit Auge rechts raus zu Diawusie, der aber deutlich drübersemmelt. Zum "Dank" wird Tim Knipping kurz darauf gleich mal zu Boden gesandwicht. Als sich minutenlang an der Außenlinie in einem Radius von etwa zehn Metern Einwürfe, Ausgrätschen, Beinrangeleien, Anschüsse, Einwürfe … aneinanderreihen, wird klar, was heute hier angesagt ist: Mann gegen Mann auf hartem Untergrund, keine Gourmetkost, eher Blutwurstbemme mit Senf. Da sollte man es auch mal mit Fernschüssen probieren, etwa als Diawusie und Christoph Daferner für Philipp Hosiner auflegen – doch der flache Pass hoppelt genau vor dessen Abschluss, so geht der Schussversuch in die fünfte Etage.

Und hinten so? Funktioniert der erneute Kettenwechsel? Da gibt es ein deutliches ja. Kevin Ehlers, Sebastian Mai und Tim Knipping bilden eine unüberwindliche Mauer zu Boden und zu Luft, die sich im gesamten Spiel nur ein einziges Mal anfällig zeigen wird. Dabei präsentiert vor allem Knipping seine Stärken in der Höhe und beim Einstecken – mehrfach wird der Verteidiger unsanft niedergestreckt, steht aber immer wieder auf.

Bei dynamischen Ecken gibt es erneut wechselndes Personal. Will, Vlachodimos wie auch der später eingewechselte Mörschel dürfen sich versuchen. So bringt auch ein solcher Standard von der Fahne erste richtige Gefahr für die Heimelf: Vom linken Strafraumeck zirkelt Hosiner nach 15 Minuten einen abgewehrten Ball an den langen Pfosten, wo Daferner hochsteigt, aber im Duell mit dem Gegenspieler nicht genug Druck auf die Murmel bekommt. Gehalten. Es folgen reichlich zehn Minuten der reinen Abarbeitung aneinander, der neutrale Fan würde es Mittelfeld-Langeweile nennen. Es dauert bis zur 24., dass der KFC mal einen Ball auf Broll bekommt, aber der hat null Mühe und leistet sich zudem keinerlei Fehlpass-Experimente. Nur ein Abschlag geht ins Aus, nur einer zum Gegner, aber das geschah am Mittelkreis und zudem aus einer Anlaufsituation heraus.

Hallowach dann in Minute 26! Diawusie nimmt einen durchgesteckten Ball an der Außenlinie gut mit, geht dann gegen zwei, hat den Kopf oben und findet genau die Lücke zum Pass in den Sechzehner. Zentral etwa zehn Meter vor der Torlinie lauert der andere Comebacker Vlachodimos und muss nur noch links versenken – der Platz ist da und der Torwart weit genug weg. Aber ach, obwohl Luka Stor auf der Bank sitzt, scheint sein Geist anwesend – der Schuss geht ordentlich daneben. Wenn man aber genau hinsieht, kann man aber erkennen: Auch hier – wie schon bei Diawusies Abschluss – war der Ball "roll over a bump". Was aber dieser Konter zeigt: Die Mannschaft hat wieder diese magischen Spielzüge im Köcher, die in den vergangenen guten Spielen (aber auch in einigen schwächeren) die Entscheidungen erzwingen konnten. Uerdingen wiederum hat nicht viel im Angebot, nur nach ruhenden Bällen kommt manchmal ein Anflug von Gefahr auf, aber KnippEhMai haben die Ruhe weg und geben sich als Trio die Hinweise: Da! Da! Da!

Auch nach einer halben Stunde spinnt man den Geduldsfaden weiter, aber aufmerksam muss man schon sein. Als Yannick Stark, sonst gut im Spiel, am KFC-Strafraum einen Zwei-Meter-Fehlpass spielt, erwächst daraus sofort ein Konter, mit dem die Heimelf aber nichts anfangen kann. Derweil will sich Knipping nach Will-Ecke sein im letzten Spiel gestohlenes Tor wiederholen, muss aber weiter warten. Sechs Minuten vor der Pause dribbelt sich Diawusie mal wieder durch, allerdings steht im Fünfer nur Mr. Nobody in Schwarzgelb.

Immerhin: Man hat den Eindruck, dass Dynamo jetzt vor der Pause noch mal den Kohlenkeller aufmacht und die Schippe rausholt. In der 42. geht Vlachodimos zu Boden und verfehlt so den Ball, aber fast mit dem Pausenpfiff schlägt dann die Stunde des Stuttgarters – mit einem herrlichen Doppelpass per Luftpost. Drei Meter vor dem Strafraum: Ballannahme durch die 7 mit der Brust, abtropfen lassen auf den Fuß und direkt auf Hosiner lupfen. Der lässt einmal auftitschen, raunt noch zu Kade "Bleib weg" und chipt das Leder per Außenrist auf den linken Pfosten, wohin Vlachodimos in bester Antizipation druchrauscht – direkt mit Links ins lange Eck. Den Einfachen vorhin wollte er nicht, den Schwierigen aus sehr spitzer Position macht er. 0:1 direkt vor der Pause – ja ja, der psychologisch günstige ... blababa. Und da – fast noch das zweite Tor, aber Hosiner verpasst knapp einen leicht verunglückten Kopfballversuch von Daferner.

Die zweite Halbzeit: Der Frei- als Todesstoß

Bisher ist die Schmidt-Taktik aufgegangen: Nicht volles Risiko gehen, kein Tor fangen, Geduld haben, nicht irgendwo reinrennen oder sich gar verrennen. Wenn man noch zur Pause führt, hat man nichts falsch gemacht, wenn auch die Fußball-Ästhetik-Gemeinschaft keine Freude daran hat. Die Frage ist nun: Wird man nachlegen und wieviel Zeit nimmt sich Uerdingen als Abstiegsplatz-Inhaber, um ins Risiko zu gehen? Doch erstmal knocken sich Ehlers und Knipping gegenseitig aus, und es zeigt sich dabei, dass die 4 wohl mehr Eisen im Schädel hat; beide machen weiter. Aber wenn wir schon mal thematisch hinten drin sind: Bei aller defensiven Güte, die hier an den Tag gelegt wird, muss offensiv nachgearbeitet werden. Die langen und halblangen Pässe aller drei Verteidiger sind oft nicht von Güte und die Torgefahr lässt nach wie vor zu wünschen übrigen. Mai am ersten Spieltag und der aberkannte Treffer von Knipping sind eine zu dünne Ausbeute.

Die ersten zehn Minuten von Halbzeit zwei sind derweil ein ziemliches Tohuwabohu. Unklarheiten und Last-Meter-Missverständnisse prägen das Bild, bestes Beispiel ist ein gut gedachter, aber knapp abgefangener Pass von Hosiner auf Vlachodimos. Dann kommt Heinz Mörschel für Hosiner und Ehlers hat irgendwie Bock auf eine gelbe Karte ohne Foul: Bei einem KFC-Einwurf schmeißt er den Ball nicht ins Aus, sondern ins Feld. Dann haben auch Diawusie und Vlachodimos Schichtschluss, Stor und Kwadwo machen weiter. (Liebe Kollegen vom Kicker: In Eurem Liveticker wird Diawusie drei Minuten nach seiner Auswechslung gefoult. Es war der aufstellungstechnisch geisterhafte Kwadwo.) Und Stor will nach seiner unglücklichen Timo-Werner-Performance was zeigen. Mit Schwung geht er an die Grundlinie, legt perfekt ab auf Mörschel, doch dessen Schuss wird zur Ecke geblockt. Und was ist eigentlich mit Daferner? Zwar ist er nicht direkt Mr. Torgefahr, aber dafür der Dampfkessel auf dem Rasen. Selbst wenn einiges nicht gelingt, reißt er mit, kämpft um jeden Meter, jeden Ball, ist Vorbild an Einsatz und sorgt mit dafür, dass die Heimelf kaum Ruhe im eigenen Spielaufbau hat.

Knapp 70 Minuten sind gespielt, hat der KFC die eine Chance: Nach kurzer Ecke spielen die Blauroten einen Pass an den Kurzen, wo Knipping einmal nicht hoch genug steigt – der Kopfball geht an die Latte, Broll wäre chancenlos gewesen. Dass will Dresden nicht auf sich sitzen lassen, hier nicht den Gegentreffer kassieren – da hilft vor allem ein zweites Tor. So geht Daferner einmal mehr mit der Energie eines Bisons durch die Menge, bekommt aber am Teilkreis einen in die Ferse. Freistoß, zentral vor dem Kasten von Jurjus. Und da war doch was mit Mörschel in Meppen – über die Mauer links oben in den Knick. Aber was der Krefelder Keeper inszeniert, sieht eher aus wie die Anordnung von Broll beim 1:1-Ausgleich der kleinen Bayern in Dresden: Die Mauer lässt die (vom Schützen aus) rechte Seite etwas offen, der Towart wiederum positioniert sich hinter der Mauer. Die Idee dahinter bleibt ein Geheimnis. Noch bevor Mörschel zur Tat schreitet, rufe ich meiner Frau zu: "Gleich steht es Nullzwei!" So kommt es auch, so musste es kommen, weil das für einen Spieler wie den Ex-Uerdinger quasi ein Elfmeter ist – diesmal oben rechts. Und dieser Freistoß ist der Todesstoß für den KFC.

Jetzt bekommt Daferner eine Pause und Chris Löwe noch elf Minuten plus Nachspielzeit, in denen sich der Routinier nahlos einfügt. Will hält drüber und kassiert Gelb, Stor hat noch einen Versuch, aber aus engem Winkel fängt der Torwart sicher. Krefeld schießt noch mal aus der Ferne und bekommt eine gelbrote Karte, weil Girdvainis im Frust an der Außenlinie Stor umsenst. (Liebe Kollegen vom Kicker: Wie kann man Stor mit Ehlers verwechseln?) Dann ist Schluss.

Das Fazit

Es war nicht nur vom Datum her ein wahrer Tag der Arbeit. Mit Schmidt holt Dynamo in zwei Spielen die Maximalausbeute und kassiert kein Tor. Im Tableau steht der Verein wieder dort, wo er hingehört. Was zu erwarten war: Im Vorfeld und auch während des Spiels erkor man das sogenannte "Wunder" von 1986 zum Dauerthema. Doch die Zeitreise-Propaganda ist geplatzt wie ein Ballon, den man zu sehr aufpustet. Schon deshalb ist es zwingend notwendig, aufzusteigen, damit dieses Grotenburg-Gesülze endlich aufhört. Taktisch hat sich der Trainer variabel gezeigt, was Dynamo für die kommenden Spiele kaum ausrechenbar macht. Wenn es überhaupt einen Verlierer der kurzen Neuzeit gibt, dann ist es Marvin Stefaniak, der noch keine Spielminute bekam. Vielleicht liegt es auch daran, dass die nun benötigte und bevorzugte robuste Spielweise nicht unbedingt in der DNA der 13 liegt.

Eines steht jedoch fest: Gegen die Tormaschine von Verl (63 Treffer) muss noch eine Steigerung her, denn defensiv sind die Ostwestfalen durchaus anfällig (52 Gegentreffer). Da Rostock gleichzeitig gegen Audistadt spielt, kann es schon eine kleine Vorentscheidung geben. Mit einem Ausrutscher der Löwen gegen den FCK sollte man beim derzeitigen Lauf von Mölders & Co. nicht unbedingt rechnen.
Uwe Stuhrberg

KFC Uerdingen 05 vs. SG Dynamo Dresden 0:2

1. Mai 2021, Anstoß: 14 Uhr
Tore: 0:1 Vlachodomos (45.), 0:2 Mörschel (74.)
Dynamo Dresden: Broll, Ehlers, Mai, Knipping, Stark, Will, Kade, Diawusie (62. Kwadwo), Vlachodimos (62. Stor), Daferner (79. C. Löwe), Hosiner (54. Mörschel)
Ohne Einsatz: Kiefer, Kreuzer, Stefaniak, Kühn
Zuschauer: 0
Schiedsrichter: Tom Bauer
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