Ein Hosianna

Schon wieder Einszunull: Dynamo Dresden ringt Lübeck nieder

Der dritte Sieg, der dritte in aller Knappheit. Die einen nennen es Effizienz, ich tendiere zum Wort Offensivschwäche – in keinen Ligaspiel erzielte die Sportgemeinschaft mehr als einen Treffer. Zumal gab es in keiner der bisherigen Partien ein Chancenfeuerwerk – auch diesmal nicht, auf der Hoppelwiese der Lübecker Lohmühle.

Die erste Halbzeit: Will zeigt Gesicht, Weihrauch zögert

Mit Tim Knipping statt Kevin Ehlers in der defensiven Zentrale und ganz in Weinrot geht es los, und bereits nach vier Minuten ist Feuer auf dem Rasen als Paul Will und Martin Röser einen kleinen Schubser-Fight haben. Nicht einmal 200 Sekunden später zückt Max Burda in seinem zweiten Drittligaspiel den roten Karton. Eine Kopfballablage will Ryan Malone direkt verwerten, seinen sehr hochfliegenden Schuh bekommt aber der direkt neben ihm stehende Paul Will mitten ins Gesicht. Nach kurzer Beratung mit dem Linienrichter vollzieht der Referée die Herausstellung. Auch, wenn man dem Amerikaner keinerlei Absicht unterstellen darf, ist ein Fuß in dieser Höhe grob fahrlässig in einem dicht besiedelten Strafraum – Rot ist also hart, aber auch gerecht.

Nun also die SGD in Überzahl, andersherum hatten wir das ja schon in Kaiserslautern, da ging es gut aus. Aber nun? Ballbesitz: yep. Überlegenheit: yep. Torgefahr: nope. Gefälliges Von-hinten-Heraus ist zwar zu sehen, aber druckvoll kann man das nicht nennen. Es mangelt schlicht an Ideen und in Strafraumnähe darf man wieder das Lied vom verpatzen letzten Meter singen. Hinzu kommen Fehlpässe ins Seiten- oder Toraus, Missverständnisse und Ballverluste. Da kommt es Dynamo entgegen, dass der VfB in Unterzahl nicht hoch pressen kann, erst ab der Mittellinie zupackt und dann immer wieder mal zum Mittel des Bodychecks greift.

Erst nach 26. Minuten kommt etwas wie Torgefahr auf, als Agyemang Diawusie aus zu spitzem Winkel verzieht. Und was sich jetzt schon zeigt: Ecken werden heute nicht zum Ziel führen: zu planlos getreten, zu gut verteidigt. Patrick Weihrauch überläuft drei und schhließt mäßig ab, Philipp Hosiner scheitert mit einem Heber über den Keeper. Dafür wackelt das Broll-Gebälk: Max Kulke kann eine Flanke nicht verhindern und am anderen Ende des Dresdner Sechzehners hat Knipping Augen für alles, nur nicht für Steinwender. Der kann sich hier alle Zeit der nehmen, den Ball zu sichern, eine Ecke auszugucken und das Leder ans Lattenkreuz zu nageln. Gottseidank hatte er nicht vor, ein Tor zu erzielen. Hosiner dagegen trifft bei einem Versuch fast die Eckfahne.

Noch immer wegen des Feldverweises auf 180, vertedigt Lübeck mit Wut und Biss, während Dresden mit der Feldüberlegenheit nichts anzufangen weiß. Von den Rängen gibt es dafür Hohn und Spott. Es dauert 45 MInuten bis zur ersten wirklichen Dynamo-Chance: Sebastian Mai spielt ganz von hinten einen fulminanten Pass auf Weihrauch, der aber nicht sofort abschließt oder nach innen spielt – er zögert und zögert und zögert. Letztendlich läuft er zu weit, der Winkel wird zu spitz, abgewehrt. Kurz vor dem Pfiff versucht sich noch einmal Kulke aus der Distanz, aber fluffig kullert das Gerät links am Tor zwei Meter vorbei.

Die zweite Halbzeit: Ein Hosianna für den Sieg

Zwei Minuten nach Wiederbeginn sieht es kurz gut aus: Ballgewinn, Kulke auf Weihrauch, der könnte schießen, spielt aber einen mutlosen und schwachen Pass, der abgefangen wird. Dann kommt doch mal eine Ecke durch, aber Hosiner verschießt quer durch den Strafraum. Königsdörffer zeigt dann ein Kabinettsstückchen in Sachen Austeigenlassen, aber sein Zuspiel auf Löwe verwertet dieser in eine planlose Flanke.

Langsam, aber sicher sehnt man erste Auswechslungen herbei. DIe finden in Minute 63 statt: Marvin Stefaniak und Christoph Daferner kommen für die heute glücklosen Weihrauch und Diawusie. Der neue 13er führt seine ersten Feldminuten mit einem Pass in den leeren Raum ein. Dann aber gleich noch einmal Stefaniak: Sein Lupfer hebelt die komplette Abwehr aus und lädt Yannik Stark zum Schuss ein – der kommt mit Schmackes, geht jedoch drüber.

Aber dann klappt es doch: Stark behauptet sich – nun ja – stark gegen ein Sandwich und spielt Daferner im freien Lauf an. Der sieht Hosiner im Fünfer, zieht den Ball scharf auf dessen Schuhspitze, von wo das Spielgerät zu einem Bogen über den Heimtorwart abhebt. Reader hechtet nach hinten, doch „Hasch mich!“ scheint der Ball zurufen, dreht sich in einem putzigen Drall und segelt über die Linie. Ein Hosianna auf Hosiner, dem sein erstes Tor in Zukunft Kraft geben sollte – der Fußballgott möge von nun an mit ihm sein.

Und fast wäre er mit ihm gewesen, wenn der Österreicher nur sechs MInuten später selbst auf das Tor gezielt hätte, stattdessen legt er per Kopf auf Daferner am anderen Pfosten ab, der jedoch aus dem Abseits ein Tor erzielt – zugegebenermaßen war das für Hosiner nur schwer zu sehen. Im Gegenzug zeigt sich Broll - als einziger schwarzgelb gewandet – hünenhaft im Einsgegeneins, als er den frei vor ihm auftauchenden Steinwender abkocht. Wo aber war hier Kulke? Natürlich kann ein 19-Jähriger noch kein perfektes Spiel abliefern, aber bei einem nunmehr vierten Startelfspiel sollte eine gewisse Steigerung zu sehen sein. Ist sie leider nicht.

Die Nordmänner drängen nun und wollen wenigstens einen Punkt. Erst hält Broll einen Mende-Kopfball, dann hat Knipping Augen für alles, nur nicht für … Hatten wir das icht schon mal? Nun ja, diesmal ist es Deichmann. Zum Glück hat der es jedoch drauf, aus fünf Metern und mit aller Wucht den Dynamo-Kasten zu verfehlen. Die Tüchtigen haben das Glück eben nicht immer gepachtet. Kade kommt für Hosiner.

In der Schlussminute noch ein Dresden-Freistoß, mittig vor dem Sechzehner. Stefaniak schreitet zur Tat. Der kann das, wir wissen es. Aber diesmal kommt der Schuss nicht ansatzweise über die Mauer und der Nachschuss rollt vorbei. Das war es dann auch. Mit Müh und Not spielt Dynamo die Punkte nach Hause.

Fazit: Man mag angesichts der bisherigen drei Siege den fußballerischen Allgemeinplatz bemühen, der besagt „Wer solche Spiele gewinnt, steigt am Ende auf“. Verlassen sollte man sich aber darauf nicht. Und wenn das Unterhaltsamste die gut zu hörenden "Scholle"-Anweisungen- und -Kommentare von der Bank sind, sollte die Inszenierung auf dem Rasen besser werden.
Uwe Stuhrberg

VfL Lübeck vs. SG Dynamo Dresden

17. Oktober 2020, Anstoß: 14 Uhr
Tore: 0:1 Hosiner (68.)
Dynamo Dresden: Broll, Kulke, Mai, Knipping, C. Löwe, Stark, Weihrauch (63. Stefaniak) , Will, Diawusie (63. Daferner), Königsdörffer, Hosiner (86. Kade)
Ohne Einsatz: Wiegers, Ehlers, J. Meier, Vlachodimos
Zuschauer: 1.860
Schiedsrichter: Max Burda
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