Drei Punkte ohne Schönheitspreis

Dynamo Dresden sammelt in Köln die ersten Zähler

Foto: SG Dynamo Dresden

Drei Tage vor dem Saisonauftakt der SGD machte die traurige Nachricht die Runde, dass Daniel Jules Oscar Wansi in seiner kamerunischen Heimatstadt Yaoundé gestorben ist. Er wurde nur 42 Jahre alt. Als er in der Saison 2004/2005 in Dresden spielte, war das etwas Besonderes: Obwohl er als Stürmer in 28 Partien kein Tor erzielte, eroberte er die Dresdner Herzen im Sturm. Und nicht nur das. Mit seiner Präsenz auf und neben dem Rasen sorgte er dafür, dass es vorbei war mit den schrecklichen kollektiven Rassismen, den „Affenrufen“ und ähnlich gearteten Unsäglichkeiten. Nicht, dass es im Stadion heute keine Fremdenfeindlichkeit mehr gäbe, aber sie tritt seit damals wenigstens nicht mehr im Chor auf.

So, nun also die neue Spielzeit mit einer fast schon ungewohnten Auswärts-Premiere, hatte die Sportgemeinschaft in den letzten Jahren doch stets Heimrecht zum Saisonbeginn. Die Erwartungen an die Reise zum Ex-Coach Olaf Janßen waren dabei recht gemischt, denn die Vergangenheit zeugte in den Partien ebenso von absolutem Spektakel bis zur totalen Tristesse. Auswärtssiegen wie das 1:5 in 2023 oder das 2:4 in 2020 stehen die blamable 0:2-Heimniederlage 2024 oder das Heim-1:1 vom Frühjahr 2023 gegenüber.

Wie also wird Neu-Coach Thomas Stamm in sein erstes Pflichtspiel gehen, nachdem die Vorbereitungsbegegnungen am Ende eher so lala waren und mit Sapina, Berger und Zimmerschied Spieler verletzt fehlen und Park sich angeblich einen neuen Verein suchen soll? Dass Tim Schreiber im Tor stehen wird, war ebenso erwartbar wie das Auflaufen von Aljaz Casar und Philip Heise in der Defensive. Die Mittelfeldlücke auf der Sechs durfte schließlich Tony Menzel füllen, während ein zurückgekehrter verlorener Sohn links außen ackern durfte: Oliver Batista Meier. Käptn Kutschke auf der Bank war absehbar, die Binde hatte somit zunächst Niklas Hauptmann am Arm.

Die erste Halbzeit: Alles so ein wenig bröselig

Schwarzgelb hat Anstoß und nach 46 Sekunden schickt Jakob Lemmer die erste Flanke in den Kölner Sechzehner. In dieser Disziplin hat die Dresdner zehn aber nicht zugelegt, denn der Neu-Goalie Dudu holt das Ding locker aus der Luft. Das erste Saison-Foul kassiert nach 1:41 Startelf-Neuling Tony Menzel, der so mal eine satte Packung Drittligahärte einstecken durfte. In der fünften Minute bringt dann Heise in Erinnerung, was eine seiner Spezialitäten ist – flach und scharf geschlagene Pässe an den Fünfer. Daferner ist zwar zu Stelle, kann aber mit dem Rücken zum Tor nur eine Ecke herausholen. Die sollen ja auch ein Trainingsschwerpunkt gewesen sein. Zuständig ist zunächst Batista Meier. Aber Fortschritte sind hier und heute noch nicht zu sehen. Was ich nicht verstehe: Ecken auf den kurzen Pfosten, wenn dort niemand, also wirklich gar keiner vom eigenen Team auch nur ansatzweise zu erspähen ist. Liegt hier nur Unvermögen beim Corner-Tritt vor oder ist das eine taktische Raffinesse, die sich mir noch nicht erschlossen hat?

Nun zerbröselt das Spiel zusehends. Bei den optisch etwas überlegenen dynamischen Goldfüßen ist nicht alles Gold, was nicht glänzt, und die heimische Viktoria verlegt sich auf das Kontern, wenn es die Offensiv-Fehler der Gäste hergeben. Das alles ist hier wie da nicht Fisch noch Fleisch, Fußball vegan irgendwie mit vielen Ersatzstoffen. Dass es nach 22 Minuten eine Gelbe für Köln gibt, kann einen schon irgendwie fast aus dem Stuhl reißen, wonach Heise aus 30 Metern freistößt, was aber für den Domstadt-Keeper eine haltbare Situation ergibt.

Eine halbe Stunde ist rum, da ruckt Köln etwas an – der mangelhafte Druck des vermeintlichen Favoriten macht vielleicht Lust auf mehr. Die aussichtsreichste Möglichkeit bis hierhin blockt Lemmer am eigenen Fünfer. Für die SGD versuchen sich Batista Meier und Hauptmann aus der Distanz, aber auch hier keine Gefahr auch nur ansatzweise. Aber die letzten Minuten vor der Pause zeigen sich dann doch ereignisreich: Erst erreicht ein Heise-Heber am langen Pfosten Kammerknecht, der aber aus einem sehr spitzen Winkel Dudu nicht überwinden kann, immerhin muss der Torwart doppelt nachgreifen. Von der anderen Seite nochmal Daferner, aber auch er zu spitz und zu ungenau.

Was wir aus der vergangenen Saison kennen: Der Gegner muss nur einmal durchkommen, dann fressen wir einen. Und fast kommt es wieder so. Kammerknecht „klärt“ einen langen Ball in die Füße von Vrenezi, der freie Bahn hat, aber vor Schreiber die Nerven verliert. So bleibt die neue Nummer Eins aus Dresden Sieger im ersten Face-to-Face, während die nachfolgende Kölner Ecke von Tony Menzel entschärft wird, der verhindert, dass es oben rechts einschlägt. Puh, durchschnauf, jetzt bitte Pause! Aber da gibt es doch noch einen feinen Konter der ganz in Schwarz spielenden SGD, Heise nur Milimeter von der Grundlinie entfernt mit der Flanke in den Rückraum, da kommt Batista Meier angerauscht, nimmt das Leder direkt und … und …. und – wo ist er denn, der Ball? Statt unhaltbar im Netz einzuschlagen geht das Schussversuch fast 45 Grad nach links ins Seitenaus. Dann jetzt doch einen Tee. Oder was auch immer.

Die zweite Halbzeit: Zweimal aus elf Metern

Hälfte numero zwei beginnt schon mal mit jeder Menge Action. Es sind keine zwei Minuten gespielt, da hebt Lofolomo ohne wirkliche Not und viel zu lässig – vom Mittelkreis (!) aus – den Ball zum eigenen Torwart. Das hatte Niklas Hauptmann irgendwie im Urin, sprintet am schnellsten los, hat nur noch Dudu vor sich, der die vorbeiziehende 27 knapp an der Ferse erwischt. Elfmeter ohne Proteste, Gelb für den Torhüter. Auftritt: Christoph Daferner. Mach ihn, bitte, kein Schnickschnack mit Abstoppgedöns! Und er macht ihn!!! Durchgehender Anlauf, scharf, aber unplatziert. Das Runde geht unter dem Köper des Torwarts durch. Nicht eben schön, aber wie der Schwatte immer sagt: Über die Linie reicht. Damit Einszunull, das erste Tor der neuen Saison ist gefallen.

Das bringt nun auch etwas Platz auf die Wiese, aber hier wie da bleibt es in Offensivversuchen stecken. Im Prinzip sind die Stürmer beider Mannschaften aus dem Spiel heraus stumpfe Waffen. Daferner mit dem Elfer, aber sonst eher halbgar, Meißner kaum zu sehen und Lobinger scheitert auf der anderen Seite nach einer Stunde mit einem hilflosen Heber-Versuch an Schreiber. Überhaupt macht die neue Dresdner Eins, ein unaufgeregtes Spiel mit einigen sehr guten tiefen Pässen auf die Außenbahnen. Ein wenig erinnert er an Drille. Oder?

Nach 65 Minuten läuft ein sehr flüssiger Angriff über Hauptmann und Lemmer rechts raus, an dessen Ende der Nahrungskette Batista Meier steht und zeigt, dass er es besser kann als beim Katastrophenschuss in Durchgang eins. Geschickt auch, wie Daferner das Bein hebt und durchrollen lässt. Dudu muss fliegen, um das Geschoss abzuwehren. Direkt danach wechselt Dynamo in der Offensive. Stefan Kutschke kommt für Daferner, was überrascht, da Meißner deutlich weniger Action auf den Platz gebracht hat. Im Vorbeigehen bekommt Kutschke noch die Binde von Hauptmann, der nach einer recht soliden Vorstellung für Jonas Oehmichen den Rasen verlässt.

Dynamo schwankt nun ein wenig zwischen Zweites-Tor-Nachlegen und Kein-Tor-Fressen. Das nutzt die Viktoria für kleinere Konterversuche, die aber allesamt im Keim erstickt werden. Überhaupt steht die Dreierkette Kammerknecht–Casar–Boeder sicher – von dem Schreckmoment vor der Pause einmal abgesehen, und Tony Menzel zeigt ungeahnte Staubsauger- sowie Schalten-und-Walten-Qualitäten, wie man sie bei Spielern seines Alters nur selten sieht. Währenddessen kämpft sich Kutschke in das Spiel, und benötigt nur fünf Minuten für das erste Achtungszeichen, als Batista Meier einen absoluten Sahne-Pass an den Strafraum der Kölner spielt – genau in den Lauf der 30. Kutschke versucht am Towart vorbeizuspitzeln, der aber fährt krakenartig das Bein aus und verhindert geradeso das Tor. Aber nicht lange. Denn keine Minute später schickt Boeder einen allerfeinsten Ball von der Mittellinie in den Lauf von Menzel, der rechts in den Strafraum sprintent, sich fast vertüddelt, aber dann in die Füße von Kutschke passt der aus elf Metern mit Augenmaß und Fußschärfe unten links einnetzt. Zweizunull!! Das! Muss! Es! Jetzt! Sein!

Denkste! Man sagt ja so schön: Bei Standards kann immer was passieren. Und wenn die schwarzgelben Ecken und Freistöße wieder mal harmlos sind, passiert es eben auf der falschen Seite. Hatten wir das nicht eingangs mit den Ecken auf den ersten Pfosten? Es reicht manchmal auch, wenn nur einer dort herumlungert. Gegen drei und ohne groß zu springen köpft Güler zum Anschluss. So einfach darf das nicht gehen! Schreiber hat die Hand noch dran, ist aber ohne Chance aus der Nahdistanz. Zweizueins und noch acht Minuten plus Nachspielzeit. Wird das wieder so eine Zitternummer? Lars Bünning kommt für Menzel, der ein feines Debüt hingelegt hat.

Und die Heimelf hat noch einen im Köcher: Die Nachspielzeit von vier Minuten hat gerade begonnen, da köpft der bis hierhin unsichtbare Lobinger eine Bogenlampe auf das Dynamo-Tor, doch Schreiber patscht den sich gefährlich senkenden Ball weg. Das war es dann. Fast. Denn für die Geschichtsbücher bekommt der gerademal siebzehnjährige Dmytro Bohdanov seine ersten Drittligaminuten. Und der nutzt die extrem kurze Zeit sogar noch für einen kleinen Sturmlauf samt Torschuss. Dann ist Schluss. Die ersten drei Punkte sind im Sack.

Was noch zu sagen wäre

Alles in allem war das über weite Strecken ein Spiel ohne Mitriss, man könnte auch sagen, phasenweile langweilig, wäre man ein sogenannter „neutraler“ Zuseher. Bin ich aber nicht, sodass man eben doch bei jedem Pass mitfiebert und zusammensackt, wenn er dann wieder einmal im Nirvana oder beim Gegner landet. Mit etwas Arroganz im Rucksack könnte man auch sagen: Wer solche Spiele gewinnt, der …………….…….. (bitte hier das Passende selbst eintragen).

Am Freitag kommt nun Cottbus. Ausverkaufte Hütte und Wollitz auf der Tribüne. Dazu haben die Lausitzer eine bittere Niederlage zum Auftakt hinnehmen müssen. Das wird ein heißer Tanz, der mehr verlangen wird, als in Köln geboten wurde.
Uwe Stuhrberg

FC Viktoria Köln vs. SG Dynamo Dresden 1:2
4. August 2024, Anstoß: 13.30 Uhr
Tore: 0:1 Daferner (47., Elfmeter), 0:2 Kutschke, 1:2 Güler (82.)
SG Dynamo Dresden: Schreiber, Kammerknecht, Casar, Heise, Boeder, Menzel (82. Bünning), Batista Meier (90.+4 Bohdanov), Hauptmann (68. Oehmichen), Lemmer, Meißner, Daferner (68. Kutschke)
Ohne Einsatz: Mesenhöler, Duah, Kubatta, Lehmann, Marx
Schiedsrichter: Mario Hildenbrand
Fans: 6.155
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