Der Sekunden-Rückfall
Dynamo bestraft sich gegen Fürth selbst – mal wieder
Ach Fürth. Bis zu diesem Spiel hast Du Dich gefühlt wie Deutschland beim ESC: zero points. Dann kam die Auswärtsfahrt nach Dresden und die heimische Sportgemeinschaft erwies sich – nicht zum ersten Mal – als Aufbauhelfer wider Willen. Jetzt hast Du einen Zähler, wir fünf. Das ganze ein Lehrstück in Sachen „Wer sie vorne nicht reinmacht …“ Dabei hätte es ganz anders kommen sollen, ja müssen.
Ein Blick auf die Startelf brachte schon mal zwei Neue: Paul Seguin und Haris Duljevic bekamen ihr schwarzgelbes Startdebüt ebenso wie Sascha Horvath, der bisher nur eingewechselt wurde. Zudem saß Niklas Hauptmann auf der Bank neben Last-Minute-Wechsler Peniel Mlapa, überhaupt fand sich kein einziger Verteidiger auf dem Reservisten-Sitzmöbel.
Erste Halbzeit: Heises trifft und Horvath irrt
Wenn das Sprichwort, dass jemand loslegt wie die Feuerwehr, eine Entsprechung sucht, dann konnte man sie in den ersten zehn Minuten auf dem Rasen sehen. Nach nicht einmal zwei Minuten hätte Florian Ballas schon die Führung erzielen können, nachdem Marco Hartmann einen Philip-Heise-Freistoß quernischelte, aber der Ball ging aus kürzester Distanz drüber. Die neue Flügelzange Horvath-Duljevic stand ordentlich unter Dampf, wobei vor allem das Zusammenwirken des Bosniers mit seinem Hintermann Heise für immer neuen Applaus sorgte, während Seguin auf der anderen Seite noch weitaus verhaltener wirkte.
Nach knapp zehn Minuten meldete sich dann auch mal das Kleeblatt vor dem Schwäbekasten, Julian Green konnte aber einen halbseidenen Konter nur mit einem Schüsschen abschließen – keine Herausforderung für den SGD-Keeper. Nach einer reichlichen Viertelstunde zeigte dann Duljevic, warum er bei Dynamo sehr wichtig werden könnte: Nach einer furchtbar getretenen Greuther-Ecke narrt er den ersten Gegenspieler mit einer Drehung und bringt dann mit Spitze und körperlichem Einsatz den Ball zu Benatelli. Der geht über das ganze Feld, wird von Dulejvic wie ein D-Zug überholt und kann so vor dem Tor wieder angespielt werden – doch am Ende zappelt das Netz nur von außen. Wenig später muss Lucas Röser das Tor machen, als Benatelli ihm einen weiten Ball mit einer gekonnten Brust-Fuß-Komibination in den Fuß legt, aber satt sofort abzuziehen, zögert die Neun zu lange – vergeben und vertan die Chance.
Jetzt verflacht das Ganze etwas, wobei Schwarzgelb hinten sicher steht; ein Kurzpasstraining der MIttefranken im Dresdner Strafraum wird ebenso entspannt geklärt wie ein Müller-Ballverlust oder ein an sich schlimmer Fehlpass von Seguin. Der Puls erhöht sich dann aber in der 25. Minute, als Hartmann von hinten in Julian Green rauscht – Freistoß zentral vor dem eigenen Strafraum. Gjasula schießt gut, Schwäbe fliegt besser. Das Fäustchen lacht.
Und wieder bekommt das Match eine kleine Talsohle. Bis zur 36. Minute. Da nimmt Duljevic Speed mit dem Ball auf, passt perfekt in den Lauf von Heise, der aus schon etwas spitzem Winkel mit Schmackes ins lange Eck schießt. Was heißt hier schießt? Das war Hammer auf Amboss, ein Strich, in dem der Frust von sieben gefressenen Toren und zwei Niederlagen steckte. Einszunull. Endlich!
Ein Schreck dann fünf Minuten vor der Pause: Bei einem Seitenwechsel der Fürther steht Segiun falsch kann Green nur per Umarmung stoppen – geradeso noch so vor dem Sechzehner. Der Freistoß kommt nicht ungefährlich, wird aber wieder von Schwäbe wegepatscht. Puh.
Kurz vor der Halbzeitpause dann eine unfassbare Szene: Der sehr lauffleißige Horvath verfolgt einen Gegenspieler bis zu dessen eigenem Strafraum, schubst ihn von hinten und alle rechnen mit dem Pfiff des Schiedsrichters, Doch dieser bleibt aus. Der Österreicher hat nun alle Freiheiten und zudem zwei Schwarzgelbe, die in Passnähe warten. Aber das alles ist dem Außenbahner irgendwie zuviel es Guten, weshalb er den Ball Richtung Elfmeterpunkt schiebt, wo keiner wartet. Da kommt zum ersten Mal der Gedanke an diesen Spruch mit dem „Wenn du vorn nicht …“ und so weiter. Have e break.
Zweite Halbzeit: Der sehr lange Arm
Der zweite 45-Minüter beginnt mit einer Schrecksekunde: Vom gerade eingewechselten Cigerci mit feinem Heber eingesetzt, donnert Narey das Runde an den rechten Dresdner Pfosten. Auf der anderen Seite dann direkt hintereinander zwei gut getretene Heise-Freistöße, die beide von Balasz Megyeri mit Klasse gemeistert werden, die erste Foulentscheidung war jedoch ein Schiri-Fehler. Es sollte nicht der letzte sein.
Nur 120 Sekunden später bringt einmal mehr Duljevic Horvath in eine gute Position, aber dessen Schlenzer segelt am Gebälk vorbei. Und jetzt geht es Schlag auf Schlag. Erst bedient Aias Aosman – der diesmal nach dem Motto „ich bin überall“ spielt – wunderbar Röser, aber dessen Schuss gerät zum das Ziel verfehlenden Kullerball. Prinzipiell muss man Röser zugute halten, dass er inzwischen körperlicher spielt, auch selbstbewusster, aber im Abschluss wirkt er oft zu zögerlich, nicht cool genug. Dann bittet Duljevic zwei Fürther an der Außenlinie zum Stelldichein, um sie dann doch stehen zu lassen. Es endet mit einem Foul am Neu-Dresdner und einem weiteren nicht ungefährlichen Freistoß von Heise.
Kurz darauf erhebt sich das Stadion, denn Niklas Hauptmann betritt nach langer Pause wieder den heimischen Rasen, Duljevic geht dafür runter.
Dann liegt nach einer Flanke der Ball plötzlich im Dresdner Netz, doch das Kopfballtor wird nicht gegeben, da ein Offensivfoul erkannt wurde. Glück gehabt. Im Gegenzug zeigt Hauptmann, dass er es noch drauf hat, als er Heise freispielt, der jedoch diesmal nicht verwandeln kann. Nur Sekunden später bekommt er den Ball herrlich per Heise-Hacke serviert, aber in der Mitte erreicht Horvath den Ball nur mittelprächtig. Dann fängt Aosman am Mittelkreis einen Fürther Fehlpass ab, geht ab wie Schmidts Katze, aber ihm entscheidenden Moment des Passes läuft Röser ins knappe Abseits. Zwei Minuten danach spielt Hartmann wiederum Aosman im Strafraum frei, aber auch dessen Schuss geht vorbei. Eigentlich wankt jetzt der Gegner, er muss nur noch per zweitem Tor zu Boden geschickt werden. Und dieses Tor muss jetzt endlich fallen. Vielleicht erledigt das Peniel Mlapa, der für Lucas Röser ins Spiel kommt. Das erste Mal am Ball, leitet der Togolese gleich eine Art Handball-Kreisspiel-Situation ein, aber niemand schließt ab.
Es sind noch zwölf Minuten, da kontert sich das Kleeblatt doch mal durch, aber Benatelli läuft das Ganze eiskalt ab. Nun also doch eher den knappen Vorsprung über die Zeit bringen? Das klappt nur vier Minuten, dann geschieht das Unfassbare, das Befürchtete. Ein schlichter Heber zwischen die beiden Innenverteidger auf den eingewechselten Hofmann reicht, um den Traum vom zweiten Saisonsieg zu begraben. Denn Ballas, der heute so viel so richtig gemacht hat, bekommt einen nur sekundenlangen Koblenz-Sandhausen-Bochum-Rückfall, weil er falsch läuft, während der Greutherich annimmt und durch die Beine von Schwäbe einnetzt. Dass er dabei mehr mit dem Oberarm als mit der Schulter den Ball berührt, macht es nur noch tragischer – ein anderer Referee hätte vielleicht gepfiffen. Man könnte göbeln wie ein Pferd vor der Apotheke!
Jetzt kommt Kreuzer für Horvath, die letzten Anläufe beginnen. Mlapa wird im Strafraum in den Rücken gestoßen, ein Pfiff bleibt aus, das war es dann. Ein Remis, das nie hätte eines sein dürfen, morpht sich langsam in die Gewissheit des Abends. Es werden Stunden vergehen, das zu verdauen.
Fazit: Das Spiel an sich war eine Quantensprung mit ein paar Schönheitsfehlern, das Resultat – gemessen am Rasengeschehen – ist eine Zumutung. Es bleibt das Problem der Chancenverwertung, der mangelnden Cleverness vor dem Tor. Aber wenn Uwe Neuhaus davon spricht, dass das wichtigste Saisonziel die Weiterentwicklung der Mannschaft ist, dann hat man gesehen, dass hier ein enormer Schritt gegangen wurde. Dass es bei den gipfelstürmenden Regensburgern am kommenden Sonntag nicht leichter wird, dürfte klar sein. Jetzt aber: Deckel drauf auf diesen Abend. Im Mai 2018 wissen wir, was der Punkt wert war.
Ach ja: Vor dem Anpfiff gab der Verein bekannt, dass das tschechische Offensivtalent Vasil Kusej bis 2022 unterschrieben hat. Mal sehen, wann er seine Torekunst bei den Männern unter Beweis stellen darf.
Uwe Stuhrberg
Dynamo Dresden vs. SpVgg Kreuther Fürth: 1:1
8. September 2017, Anstoß: 18.30 Uhr
Tore: 1:0 Heise (36.), 1:1 Hofmann (82.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Seguin, J. Müller, Ballas, Heise, Hartmann, Benatelli, Aosman, Duljevic (63. Hauptmann), Horvath (87. Kreuzer), Röser (71. Mlapa)
Ohne Einsatz: Schubert, Konrad, Lumpi, Markkanen
Zuschauer: 28.016
Schiedsrichter: Martin Thomsen
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