Der harte Weg zum Sicherheitsfreistaat
Dresden erwartet die zweite Demo gegen die Polizeigesetznovelle
Dresden, 25. Januar 2019. Morgen, Kinder, wird‘s was geben! Nein, es noch nicht wieder Weihnachten. Und die Staatsmacht liefert weiß Gott auch keine kleinen Kinder, die mit der Trommel um dem Baum haschen. Aber sie am 26. Januar ab 13 Uhr auf dem so genannten Wiener Platz vor dem Dresdner Hauptbahnhof warten. Denn dort soll sich ein Demonstrationszug sammeln, der es in sich haben wird und jenen ersten aus dem November wohl zahlenmäßig klar überlegen sein dürfte.
Denn um 10.15 Uhr ab Görlitz (mit Halt in Bautzen), um 10.45 Uhr ab Leipzig (über Riesa) und 11.15 Uhr ab Chemnitz (mit Aue, zuvor Halt in Plauen und Zwickau) könnte erstmals auch Sachsens Fußballfanszene gemeinsam demonstrieren, wobei der Konsens keinerlei Fanklamotten und keine der üblichen Kontraste sein soll. Also: Chemie mit Lok Leipzig, Aue mit Chemnitz und Zwickau – und in Dresden wartet Dynamo – plus die üblichen Unverdächtigen, die beim ersten Mal zirka 2000 Leute zählten. Grund dafür: gefürchtete Diskriminierung durch allmächtige Cops.
Denn einerseits legte sich der CDU-SPD-Koalitionssausschuss am Dienstag darauf fest, dass man (um später gern weiter zu kuschelkoalieren) das Gleichstellungsgesetz zwar vertagt (also verjährt), dafür aber die beiden geplanten Polizeigesetze zeitig genug und gut gerüstet vor den Wahlen und deren Kämpfen durch den Landtag zu bringen. Je ein Ding (Körperkameras versus Kennzeichnungspflicht) fällt dabei als Kompromiss hintenrunter, nun haben wieder die Fachpolitiker das Sagen – und wohl am 14. Februar im Innenausschuss beraten und am 13./14. März im Landtag abschließend beschließen.
Das Bündnis ruft zum Protest mit dem Motto „Polizeigesetz stoppen – Grundrechte verteidigen, soziale Sicherheit schaffen!“ und die Route soll ab 13 Uhr vom Wiener Platz über St. Petersburger Str. , Dr.-Külz-Ring, Wallstraße, Wilsdruffer Straße, Altmarkt, Wilsdruffer Straße, Schießgasse, Carolabrücke und Wigardstraße zum Innenministerium, wo die Abschlusskundgebung geplant ist, führen. Zwischenkundgebungen sind vor der Altmarktgalerie, vorm Kulturpalast (wo Dresdens Neujahrsempfang tobt) und der Schießgasse geplant.
Mit SächsPVDG und SächsPBG zur polizeibewehrten Freifreiheit
Und mit ihm wahrscheinlich die Verwirklichung eines großen Plan, der eines neuen, doppelten Polizeigesetzes, das – getarnt als Novelle und umrahmt von steten, meist medialen, Scharmützeln – nach der Expertenanhörung im Innenausschuss des Landtages direkt vor der Tür steht. Dessen Entwurf führte am 17. November immerhin zu einer ersten großen Dresdner Demonstration von geschätzt rund 2.000 Menschen: Getragen vom linken Spektrum, was man an der Unterschriftenliste auf der Netzpräsenz des Bündnisses – Mitte November waren es 54 Organisationen und 1.416 Unterzeichnende – ablesen kann, geprägt von vielen witzigen Plakaten und gelassener Polizeibegleitung, ging es von Hauptbahnhof über Külz-Ring und Postplatz vorbei an der Schießgasse zum Rathaus, wobei sich die Parteien – sichtbar nur Linke, Grüne und Hochschul-Piraten – sichtbar zurückhielten und die ebenso Betroffenen aus der Fußballszene und den freien Berufen fehlten. Ebenso abwesend waren Rechtsextreme und Salafisten, anwesend dafür Kurden, die »Freiheit für Öcalan« forderten und dafür von der Polizei gefilmt wurden, die wiederum dafür aus dem »Lauti« belöffelt ward.
Bewusster Verfassungsbruch?
Andreas Dohrn, seit 2013 Pfarrer der Leipziger Peterskirche, trat als Sprecher des Bündnisses »Polizeigesetz stoppen« auf und erläuterte inmitten des ungläubigen Einkaufstrubels zwischen den Konsumtempeln Altmarktgalerie und Prager Straße die künftigen Gefahren für Seelsorger und beim Kirchenasyl und die Beweisumkehr aufgrund von der Polizei vermuteter Gefahren.
Daneben steht Valentin Lippmann inmitten seiner kleinen grünbeflaggten Demobrigade, seit 2014 im Landtag und damals schon mit 23 parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer der Bündnisgrünen sowie Sprecher für Innenpolitik, Datenschutz und Kommunales und damit ärgster oppositioneller Ärgerer des Innenministeriums und dessen Hundertschaften. Zwei Tage zuvor referierte er in der Grünen Ecke der Neustadt über den »Rechten Terror in Sachsen« vor 20 lauschenden Neustädtern, nun ist er der wohl sachkompetenteste Demonstrant, spielt aber hier keine Hauptrolle.
Die Frage wäre, wie eine solche Demonstration in genau einem Jahr mit der beschlossenen Gesetzesnovelle ablaufen würde? Lippmann verweist auf die Abschreckung durch Videoüberwachung: »Es gibt viele, die eine komplette Videoüberwachung, dann verknüpft mit der intelligenten Gesichtserkennung, abschreckt. Das darf nicht sein!« Und er verweist auf das ausgeweitete Gefährderrecht, also dass jene vorher aussortiert sind, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen könnten und zuvor mit Aufenthaltsverboten oder Meldeauflagen belegt werden. Und wären wir als Oppositionspolitiker oder Journalist auch betroffen? »Da geht es vor allem um Telekommunikationsüberwachung im Vorfeld der Demonstration. Hier ist auch der Beifang, also jene, die mit den Betroffenen telefonieren, ein Problem.« Er verweist auf Gespräche von Anwälten mit Mandaten oder Ärzten mit Patienten. »Etwas anderes ist das Auskunftsrecht der Polizei, das erweitert wird: Das unterhöhlt – zum Beispiel wegen des Quellenschutzes – das Zeugnisverweigerungsrecht von Berufsgeheimnisträgern. Allein Geistliche haben noch den vollen Schutz.« Er hofft einerseits, dass diese Berufsgruppen, also Anwälte, Ärzte und Journalisten, sich demnächst den Protesten anschließen. Und dass wenigstens die SPD begreift, welchen Unfug sie anzurichten in Begriff ist. Und Lippmann geht andererseits davon aus, dass das Gesetz noch im Januar beschlossen werden soll. »Ansonsten werden wir klagen, aber das greift dann wohl frühestens erst ein Jahr nach dem Inkrafttreten.«
»So geht sächsisch« als energisches Gesetzesdoppel?
Die wichtigsten Kritikpunkte am Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPDVG) und dessen Big Brother, dem Polizeibehördengesetz (SächsPBG), kamen auch am Montag zuvor bei der Expertenanhörung im Landtagsinnenausschuss zur Sprache: So stritten sich CDU und SPD noch um das Installieren von Staatstrojanern und die Überwachung von verschlüsselter Kommunikation (genannt »Quellen-TKÜ«), um auch bei WhatsApp-Terror auf dem Laufenden zu sein, wie sie das Bundeskriminalamt zur Terrorabwehr schon nutzt und um mit Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz gleichzuziehen.
Dass die Polizei bereits »im Vorfeld einer konkreten Gefahr« mit Aufenthalts- und Kontaktverboten sowie Meldeauflagen operieren kann, erinnert an alte Zeiten. Auch Bewegungsprofile dank datensendender Fußfesseln sähen sich die Polizisten gerne genauer an. Das Perfideste: Ein Rechtsmittel gegen die polizeiliche Einstufung als Gefährder gibt es bislang nicht. Reicht also eine reine Ermessens- als Vertrauensfrage an den ABV, der just als Bürgerpolizist reüssiert? Und wer ist überhaupt jener Herr Gefährder? Ganz ohne Binnen-I oder Sternchen. Ist jeder Böllerwerfer schon Terrorist? Sind Wunderkerzen bald Pyrotechnik und Handylampen Laserpistolen?
Viele Fragen, die wohl nicht mehr in der Landtagsausschusswoche Mitte Februar als Änderungsantrag der beiden Regierungsfraktionen an Wöllers Urgesetz knabbern werden, damit der gesamte Gesetzesentwurf im März durch den Landtag flutscht und der Wahlkampf samt Folgen in Ruhe (also in Ordnung und Sicherheit) ablaufen kann.
Dazu kommt als Sahnehäubchen und Youtube-Alternative in sächsischen Polizeistuben: Videographie mit Gesichtserkennungssoftware »im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern« – zusätzlich zur automatisierten Kennzeichenerkennung. Orwell wäre entgeistert und Leipzig wie Nordsachsen fein raus, die Hälfte des Landes sowie Dresden, Süd-Chemnitz, das Erzgebirge, die Lausitz und das Vogtland aber komplett dabei, also sicher bald total gefährderfrei. Das sollte man doch noch rasch auf 33,3 Kilometer Entfernung zur gefährlichen böhmischen Grenze erweitern, denn hat man den Chemnitzer Nischel noch mit drin im Film. Dazu kommt der latente Einsatz von Störsendern zur Handyverkehrsstörung und IMSI-Catchern zur kompletten Handyüberwachung in bestimmten Gebieten – beides kennt man schon zur Genüge, bleibt aber in Sachsen dank SPD-Datenschutz gewöhnlich folgenlos, und soll jetzt – ist ja logisch – legal werden.
Auch darüber, dass die Polizei Maschinengewehre auf ihren Schützenpanzern und Handgranaten zur Abwehr künftiger Gefahren braucht, lässt sich streiten. Und warum sollten sie nicht auch (wie alle anderen) die Daten von Diensten wie Facebook, Amazon oder Ebay nutzen? Hauptsache, man bezahlt sie ordentlich, damit diese sogenannten Internetanbieter endlich Steuern zahlen können: WinWin statt CumCum.
Sachsen als Super-GAU
Im November nicht vor Ort, weil bei Dynamo zur lange geplanten parallelen Mitgliederversammlung im Kongresszentrum, dass ebenso wie Landtag und Innenministerium leider nicht an der Demoroute lag: Verena Meiwald, als Linke-Abgeordnete Haushaltsexpertin, die in Freital und Dipps Bürgerbüros unterhält. Sie weiß um den Zwist in der kleinen Koalition, die just (laut dawum.de) auf 42,5 Prozent und auf 51 (bei 120) Mandate käme: »Von notwendigen Nachbesserungen sprechen CDU und SPD und meinen jeweils etwas anderes. Die CDU würde gern die Quellen-TKÜ, die Online-Durchsuchung und die Bodycam ins Gesetz aufnehmen. Für die SPD steht die längst überfällige Kennzeichnungspflicht für Beamte in geschlossenen Einheiten als Wunsch auf der Liste.«
Aber durch reine Nachbesserungen würde der Gesetzentwurf nicht verfassungskonform. Aber genau darum ginge es – vor allem auch für Fußballfans: »Bei den Instrumenten der Meldeauflagen, Aufenthaltsge- oder verbote und den Kontaktverboten beispielsweise – alles Sachverhalte, die für die aktive Fußballfanszene durchaus von Belang sein können – befinden wir uns im polizeilichen Gefahrenabwehrrecht weit vor einer konkreten Gefahr oder Straftat«, empört sie sich. Dennoch soll sehr tief in die Grundrechte eingegriffen werden können. Das bleiben unverhältnismäßige Eingriffe in verfassungsrechtliche Schutzgüter wie Freiheit und Freizügigkeit im Kernbereich der privaten Lebensführung und ließe sich kaum verfassungsfreundlicher gestalten.
Zudem sieht sie im Bereich der sogenannten Polizeibehörden, also der gemeindlichen Vollzugsdienste, Nachbesserungsbedarf: Es sei widersinnig, wenn den Kommunen künftig nicht mehr die Aufgabe der Straftatenverhütung zugewiesen sein soll, sie aber zugleich »Kriminalpräventive Räte« konstituieren sollen.
Nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit habe auch die geplante Überwachung der Telekommunikation des Wöller-Entwurfes zu tun, die wie eine nachträgliche Rechtfertigung wirkt. Meiwald verweist auf den Abhörskandal von Fans und deren vernetzten Personen im direkten und weiteren Umfeld der BSG Chemie Leipzig aufgrund vager Verdachtsmomente, wobei all diese Verfahren eingestellt werden mussten, weil keiner der Verdachte erhärtet wurde. Dieses Instrument soll nun im Gefahrenabwehrrecht ermöglicht werden, das sei ein »No go«.
Aber es kommt noch schlimmer: Auch das Zeugnisverweigerungsrecht und die Vertraulichkeit der bisherigen Berufsgeheimnisträgern anvertrauten Informationen steht auf der Kippe. Die erlauschten Informationen könnten nun sogar über die polizeilichen Informationssysteme und Akten in laufende Ermittlungsverfahren einfließen. Zwar sollen Rechtsanwälte und Kammerbeistände davon ausgenommen bleiben, so Meiwald, aber für Ärzte, Psychologen und Journalisten wäre dies der Super-GAU. Dieser Eingriff sei nicht hinnehmbar, zumal eine Gefahr aufgrund prognostischer Fähigkeiten der Polizeibeamten angenommen werden soll.
Auch Albrecht Pallas, als SPD-Landtagsabgeordneter und Berufspolizist mindestens in Doppelrolle involviert bis betroffen, will sich samt seiner Partei noch dafür einsetzen, dass der »Schutzstatus für Berufsgeheimnisträger nach §§ 53, 53a StPO« erhalten bleibt. Denn warum sollten Ärzte, Journalisten, Anwälte und Seelsorger nicht dieselben Sonderrechte wie bisher Beispiel Pfarrer genießen, wo man doch deren Arbeit sowieso genau beobachten kann: nämlich am Output. Seine Partei wolle nach der Sachverständigenanhörung, die eine Reihe von fachlichen Änderungsempfehlungen ergeben habe, diese prüfen und sie zunächst in die Gespräche mit dem Koalitionspartner einbringen. »Als wichtigsten Punkt sehe ich eine Erhöhung der Transparenz polizeilicher Arbeit durch eine anonymisierte Polizeikennung.« Dann sei es auch zu rechtfertigen, die Bodycam für die sächsische Polizei, ein expliziter Wöller-Wunsch, einzuführen. Aber das ist nun vom Tisch, dafür bleibt die Bodycam vorerst nur ein Experiment. Pallas antwortete immerhin heute ausführlich mit einem fünfseitigen Schreiben an das Bündnis „Sachsens Demokratie“, in dem er die sechs Hauptkritikpunkte des Protestformulars erläuterte.
Fußballfans im Stopp-Bündnis gefragt
Seinem CDU-Kollegen Alexander Dierks, neuerdings sächsischer Generalsekretär, der dem Gegnerbündnis, zu dem auch die Jusos gehören (nach eigenen Angaben stärkster Parteinachwuchs des Landes und ein Drittel der sächsischen Sozis) Verleumdung und Falschdarstellung vorwarf, antwortet Albrecht Pallas: »Für seine Äußerungen ist Herr Dierks selbst verantwortlich. Das Bündnis begründete in der frühen Phase des Gesetzesentwurfs seine Kritik allerdings mit zahlreichen Argumenten gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz. Dass sich der sächsische Gesetzentwurf von dem bayerischen deutlich unterscheidet und weniger stark in Grundrechte eingreift, wurde vom Bündnis insgesamt damals ignoriert.«
Das sei heute anders. Schaue man auf die jetzigen Forderungen des Bündnisses, so bliebe von der Kritik nicht viel übrig, meint Pallas. »Dass sächsische Jusos an dem Bündnis mitwirken, zeigt das ständige Ringen und Ausbalancieren von Sicherheits- und Freiheitsinteressen auch innerhalb der Sozialdemokratischen Partei. Leider wirken in dem Bündnis auch Personen und Organisationen mit, die von einem generellen Misstrauen gegenüber der Polizei geprägt sind und daher jegliche Änderungen im Polizeigesetz ablehnen. Mit diesen Personen und Institutionen ist Dialog über einzelne Vorschläge und Regelungen im Polizeigesetz nur sehr eingeschränkt möglich.«
Auf die Frage, warum Polizisten am 1. September lieber SPD als andere Alternativen wählen sollten , antwortet er klar: »Die SPD ist es, die für die vielen Verbesserungen für die Polizei gesorgt hat. Wir haben in der Koalition dafür gesorgt, dass der Stellenabbau gestoppt und zusätzliches Personal eingestellt und ausgebildet wird. Letztlich kann ich nur hoffen, dass die Polizisten erkennen, wer sich im Landtag und in der Staatsregierung wirklich für sie eingesetzt hat.« Und Pallas verweist auch darauf, dass nur die groben Linien stehen, der gesamte Änderungsantrag zu Wöllers Entwurf werde samt etlicher „Hausausgaben“ aus der Anhörung noch in der Fachgruppe beraten und dann im Innenausschuss mit einer Empfehlung versehen, ehe er in den Landtag komme.
Zur zweiten Demo ist zumindest der Juso-Landesvorstand nicht dabei, weil er gleichzeitig in Görlitz eine langfristig geplante Klausurtagung habe, aber deren Chef, Steffen Engel, kommentiert das Ergebnis vom Dienstag als einer der ersten und als „enttäuschend“, weil er gegenüber dem Regierungsentwurf fast unverändert sei. Er führt dabei vor allem die „deutliche Ausweitung der Videoüberwachung, dem verstärkten Einsatz von Kennzeichenerfassung und der Einrichtung von bis zu 48 Stunden geheim gehaltenen Kontrollbereichen“, aber auch die nicht mehr vorgesehene Beschwerdestelle abseits des Innenministeriums, an die sich Polizisten ohne Probleme wenden könnten, auf.
Positiv sieht er, dass die SPD noch weitergehende Überwachungsphantasien wie die Online-Durchsuchung oder die Quellen-Telekommunikationsüberwachung verhindern konnte. „Das ändert nichts daran, dass dieses Gesetz die Grenze des Zumutbaren überschreitet. Bürgerrechte werden deutlich eingeschränkt und ein unklarer Gefahrenbegriff sorgt für einigen Interpretationsspielraum. Wir kommen der Schreckensvision des gläsernen Bürgers in Sachsen nun einige Schritte näher“, sagt der Chef von 1700 Jungsozialisten. Und: „Die Borniertheit der CDU in diesen Fragen ist wirklich erschreckend." Er sähe mit Blick auf die Landtagswahl im September immer weniger Gemeinsamkeiten mit der CDU und fordert von den Altsozis den Anspruch „auch unabhängig vom jetzigen Koalitionspartner Mehrheiten zu suchen. Dieses Ziel aufzugeben, wäre ein fatales Signal an alle Menschen in Sachsen, die sich einen wirklich progressiveren Freistaat wünschen.“ Auf SAX-Nachfrage antwortet er, dass sicher der eine oder andere Juso aus den Kreisverbänden daran teilnehmen werde.
Aber ob sich die linke und rechte Szene für den Protest sogar verbünden könnten? Valentin Lippmann glaubt das nur bedingt: »Die Rechten haben ja in Sachsen nicht so viel zu befürchten. Es gab zum Beispiel in Sachsen in den letzten Jahren kaum Gefährderansprachen an bekannte Rechtsextreme. Bei Fußballfans ist das gang und gäbe.« Er hofft, dass die Fußballfans ganz schnell aufwachen, denn von der Definition her seien sie ganz nah dran am Terrorismus, was natürlich Quatsch ist, aber Gefahr bedeutet. »Ich hoffe auf eine baldige und große Mobilisierung«, wünscht sich Lippmann, der keine Angst vor gemeinsamen Demonstrationen hat: »Die Szene ist in Sachsen breit und bunt, die besonders rivalisierenden Vereine werden das dort hinbekommen, gemeinsam zu streiten.«
Am Demo-Tag waren die Dynamo-Ultras jedenfalls ordentlich entschuldigt: Denn ein echter Verein bedarf viel Engagements und 937 von 22.223 Mitgliedern kommen auch nicht überall am spielfreien Sonnabendvormittag zur Jahreshauptversammlung, zumal die Neuwahl der Zurücktreter ja erst am 19. Dezember außerordentlich erfolgte.
Schon eine Woche vor der ersten Demo, beim Auswärtsspiel in Köln, war per Banner und Pyroshow – trotz der üblichen polizeigeförderten lokalen Medienkampagne und dem SEK am Schlawittchen – der Widerstand sehr präsent und wurde von der Mannschaft eindrucksvoll durch ene Megapleite unterstützt, in dem man den Protest nicht durch andere, gar positive Gefühle übertünchte. So wird es wohl ein spannender wie heißer Winter und wir werden bis dahin wohl noch öfter Sonntagsreden präsentiert bekommen, in denen suggeriert wird, dass mehr Polizei als Freistaatsicherheit unbedingt nötig sei. Und ganz hinten, in der Ecke, kichert sich jemand schief und schlapp und wartet in Ruhe auf den »Tag der Abrechnung«. Doch für den sicher nicht nur in Frankreich »kommenden Aufstand« der sich zu spät Empörenden ist Sachsen bis dahin gut gerüstet.
Und alle dürfen sich (wie einst Cicero mit zarten 27) fragen: Cui bono? Und: Wer bezahlt es wie?
Andreas Herrmann
Netzinfos:
www.polizeigesetz-stoppen.de
www.sachsens-demokratie.net