Das war hart, Mann!

Gegen Paderborn kassiert Dynamo Dresden eine schmerzhafte Heimpleite

Es war irgendwie sinnbildlich für diesen Nachmittag. Sebastian Mai, wie immer on fire, redet auf Yannick Stark ein, der aber mit etwas leerem Gesicht nur die Schultern zuckt, als wolle er sagen: „Ich weiß doch auch nicht.“ Es war schon eine Menge Ratlosigkeit unterwegs auf dem Rasen und auf der Bank – und sicher auch auf den Rängen. Aber letztere haben es sich wenigstens nicht anmerken lassen – Support bis zum bitteren Ende. Und am Anfang sowieso.

Denn da stand vor dem Anpfiff der Abschied von Marco Hartmann, Ehrenspielführer der Herzen. Mit Frau und Kids auf dem Rasen, wurde noch einmal die eine oder andere Träne verdrückt – 146 Spiele für Schwarzgelb hinterlassen Spuren bei allen Beteiligten und Fans. Wenigstens kam noch einmal die Sonne raus, als einer unserer Besten von Bord ging. Dabei – und das sage ich in Unkenntnis seiner Gesundheit und aus meinem niederlagengefühlten Bauchschmerz heraus – hätten wir ihn vielleicht in Halbzeit eins doch besser an Deck gehabt.

Aber zunächst war es spannend, zu sehen, was sich die Trainerfüchse für die zweite Partie innerhalb kurzer Zeit ausgedacht hatten. Alexander Schmidt beorderte Schröter nach hinten und packte Akoto in die Mitte neben Sollbauer, vorn waren Vlachodimos und Mörschel mittendrin. Eigentlich hatte ich nach der zweiten Halbzeit bei Hansa Hosiner für Königsdörffer erwartet, aber der Dynamo-Coach gibt dem jungen Offinsiven weiter das Vertrauen. Auf der Bank sah man den unter der Woche engeschlagenen Mai und erstmals auch Giorbelidze und Seo. SCP-Trainer Kwasniok hatte vor allem eine Idee: Pröger vorn rein neben Michel.

Was noch? Der K sah mit 4.500 schon besser als als zuletzt – und war natürlich auch bestens zu hören. Der DFB wiederum ließ sich auch nicht lumpen und schickte mit Deniz Aytekin eine seiner Spitzenkräfte zum Pfeifen nach Elbflorenz.

Die erste Halbzeit: Bang! Boom! Bang!

Dabei geht es zunächst los wie gewohnt. Schon nach weniger als 120 Sekunden kann das Führungstor für Dynamo fallen, wenn Daferner die gut getimte Hereingabe von Vlachodimos nur Zentimeter weiter nach rechts geschoben hätte – so aber ist Huth auf der Hut und bekommt den Ball gerade zu mit Fuß und Hand zu fassen. Nur eine Minute später kommt das Leder von der anderen Seite angeflogen, aber auch diesmal kann die 33 nicht den entscheidenen Punch auf das Runde bringen. Aber hey, das sieht doch schon mal gut aus, kann so weitergehen. Geht so weiter. Vlachodimos dreht schon wieder über links auf und sieht Mörschel vor dem Sechzehner mutterseelenallein lauern. Pass zur Acht, aber statt einfach abzuziehen, will Mörschel noch eine Schleife drumrum wickeln oder es iregndwie hübsch machen – vertan, vergeben.

Vlachodimos ist jetzt so im Fluss, dass er onetouch das Spiel noch schneller machen will. Am Mittelkreis den Ball gleich nach außen auf Königsdörffer legen, aber ach … Der Pass gerät zum Pässchen, zum Fehlpass. Justvan läuft nun Richtung Strafraum, niemand geht hin, keiner vermutet ernsthafte Gefahr. Doch in der Mitte rennt Michel zum Elfmeterpunkt, Sollbauer und Schröter halten Abstand, obwohl auf dem Rasen kein Hygienekonzept gilt. Ein punktgenauer Außenristpass auf den Kopf von Michel bringt das 0:1. Broll kommt etwas raus, dann geht er einen Schirtt zurück, steht aber am Ende etwas zu weit vor der Kiste. Das ist insofern ungut, weil der Ball unplatziert genau auf den Mann kommt, nun ja, über den Mann. Bang! Ach ja: Wo war eigentlich Akoto?

Akoto weiß schon, dass das nicht seine beste Situation war, er will es ausmerzen, läuft ab, kämpft, zeigt sich. Löwe spielt mit Auge und Routine, nur Schröter zeigt immer mal wieder Schwierigkeiten mit seiner nun wieder defensiveren Rolle. Nach langer Pause zeigt Broll mal wieder im Einsgegeneins dem Kollegen Mehlem, was Austanzen bedeutet. Das macht wieder Mut, heitert die Gemüter auf, bringt den Kopf hoch. Auch Vlachodimos hat seinen Fail verarbeitet, läuft und flankt, doch nie ist jemand zur Weiterverarbeitung anwesend. So hat man bis zur 24. Minute das Gefühl: Das wird schon noch. Aber Sollbauer sagt: Nope.

Der Anfang vom Ende ist ein schlichter Rückpass von Stark auf den Ösi-IV, nicht scharf gespielt, aber ungut angenommen. Es sieht aus, als würde Sollbauer „Nimm du ihn, ich hab ihn sicher“ mit sich selbst spielen. Von seinem Fuß kugelt der Ball genau in den Lauf des sofort antizipierenden Pröger, der schneller ist, aus elf Metern abzieht und den Innenpfosten trifft, von wo aus das Ding ins Netz kullert. Nullzuzwei. Boom! Das hältste doch im Kopp nicht aus! Sollbauer wird zur Sollbruchstelle.

Zum Nachdenken, Erholen, Sichmutmachen bleibt keine Zeit, da fällt schon das dritte Gegentor. Paderborn spielt schnell und direkt immer an der Außenlinie entlang, wo Königsdörffer und Schröter keinen Fuß dran bekommen. Pröger, schon wieder der, lässt auch noch Akoto aussteigen, und dann ist zwischen dem Stürmer und Broll nur noch Wiese. Ein weiteres Mal aus elf Metern netzten die Mausgrauen ein – gutes Auge, guter Fuß. Bang! Gipsdorgarni! Drei Chancen, drei Tore. Und Dynamo? Die Fans sind da, jetzt geht Löwe auch vorn voran, treibt schießt, doch zweimal in die Arme von Huth. Daferner verpasst eine weitere Flanke von Vlachodimos.

Nach 33 Minuten muss Mörschel runter. Es war nicht sein Nachmittag, aber der Wechsel ist taktischer Natur. Mai geht neben Sollbauer, Akoto nach außen. Nach dem Spiel wird Trainer Schmidt zugeben, dass seine defensive Anfangs-Idee nicht aufgegangen ist. Immerhin: Mit Mai kehrt hinten drin mehr Ruhe ein, aber vorn hilft es nicht. Immer wieder sind es minimale Ungenauigkeiten, die jegliche offensive Mühe zunichte machen. Und mit hohem Pressing allein, kann man eine ballsichere Mannschaft wie den SC Paderborn nicht beeindrucken.

Die zweite Halbzeit: Es wird besser, aber nicht gut

Gleich zwei Stürmer kommen nach der Pause: Hosiner und Sohm für Königsdörffer und Vlachodimos. Dabei kommt Ersterer schon seit Saisonbeginn nicht richtig in Schwung, während Vlachodimos – trotz seines Fehlers vor dem ersten Gegentor – zu den offensiv Aktivsten gehörte. Dies Auswechslung war in der Ära Schmidt die erste, die mir nicht folgerichtig erschien, aber vielleicht war auch noch etwas nicht offensichtliches passiert.

Die Dynamischen arbeiten wieder mit Druck, Ecken und langen Mai-Einwürfen. Bei den Gästen muss Hünemeier jetzt immer öfter seine Kopfball-Qualitäten zeigen. Und dann erwischt Sollbauer eine Schröter-Ecke doch noch perfekt, also fast perfekt – mit Karacho fliegt der Ball am Pfosten vorbei. Paderborn legt sich jetzt Dynamo zurecht mit dem Zielt: Nur kein Tor fangen. Denn die West-Ostwestfalen wissen genau, was passieren kann, wenn es hier 1:3 steht. Und in diese Falle werden sie heute nicht tappen.

Die Story dieser zweiten Halbzeit ist schnell erzählt: Paderborn wird noch eine gute und eine hundertprozentige Chance haben, doch im Einsgegeneins bleibt Broll Sieger. Wäre zudem Abseits gewesen. Die Gäste verballern außerdem drei sehr gute Freistoßmöglichkeiten. Dresden wiederum hat einen feinen Schuss von Sohn (gehalten) und ebenso ein Einsgegeneins von Hosiner gegen Huth (pariert). Der SCP bringt das Runde nur zehnmal Richtung Tor und trifft dreifach. Dynamo hält vorn die Null bei 15 Versuchen.

Neben Will, der in der 72. für Schröter kommt, soll auch der genesene Becker noch ein paar Minuten spielen. Es werden nur zwei. In der 89. Minute eingewechselt, bringt er den durchgebrochenen Stiepermann zu Boden, weil seine Grätsche den Ball knapp verfehlt. Rot. Zwei Spiele gesperrt. Aus und vorbei.

Fazit

Nun ist er da, der Tag, vor dem alle – Spieler wie Trainer – gewarnt haben. Der Tag, an dem es nicht läuft. Es wäre natürlich schöner gewesen, wenn das etwas später eingetroffen wäre. Zumal Paderborn nicht zwingend überlegen war, nur eben cleverer. Irgendwie fühlte man sich an die Pokalbegegnung mit Darmstadt erinnert.

Zudem muss ich mich leider aus vorhergegangenen Spielberichten wiederholen: Die kleinen Schludrigkeiten müssen bereinigt werden, weil man sich gerade bei Ballverlusten im Vorwärtsgang immer wieder ins Knie schießt. Und apropos vorn: Es muss mehr Leben in den feindlichen Sechzehner. Nur Daferner ist da zu wenig und Königsdörffer rennt seiner Form hinterher. Wenigstens hat jetzt das ganze nervige Gerede und Geschreibe von der „Serie“ ein Ende. Das wird nun abgelöst vom Slogan „Dämpfer zum richtigen Zeitpunkt“. Kurz gesagt: Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für eine Niederlage.

In den kommenden zwei Auswärstsspielen in Heidenheim und bei den Lilien wird sich zeigen, wie das Korrekturpotenzial bei Dresden aussieht. Denn dieser Abend war hart, Mann. Vor allem auch für Hartmann. Am Ende formte das Team dessen 6. Rammstein hätten "Herzeleid" gespielt.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs. SC Paderborn 0:3

29. August 2021, Abtoß 13.30 Uhr
Tore: 0:1 Michel (8.), 0:2 Prüger (24.), 0:3 Pröger (26.)
Dynamo Dresden: Broll, Schröter (72. Will), Sollbauer, Akoto (89. Becker), C. Löwe, Stark, Mörschel (33. Mai), Kade, Königsdörffer (46. Hosiner), Vlachodmis (46. Sohm), Daferner
Ohne Einsatz: Mitryushkin, Giorbelidze, Diawusie, Seo
Schiedsrichter: Deniz Aytekin
Fans: 16.000
www.dynamo-dresden.de