Dance to the Music
Review: Nick Waterhouse im Beatpol
Ein Abend, der dem Publikum ein breites Lächeln aufs Gesicht zaubern und mit einem eleganten Hüftschwung in die ungemütliche Februarkälte entlassen sollte. Überraschend? Sicher nicht, immerhin bringt Nick Waterhouse die Musiksozialisation seiner Kindheit und Jugend auf die Klubbühne der Gegenwart. Geboren 1986 im Kalifornischen Santa Ana, ist er mit dem klassischen Rhythm & Blues der sechziger Jahre, dem Sixties Soul und Beat britischer Prägung aufgewachsen. Laut Billboard, dem US-Branchenblatt der Musikwirtschaft galt dieser Sound als erwachsenenkompatibles Hitfutter fürs Oldieradio damals, erzählt Nick Waterhouse vor seinem Beatpol-Auftritt. „Jeder hörte das, meine Eltern, die Eltern der Schulfreunde, mein gesamter Bekanntenkreis“.
Dass er dabei geblieben ist, wird ihm häufig als Defizit bei der Geschmacksbildung ausgelegt. Aber wie formuliert der hoch geschätzte amerikanische Journalistenkollege Robert Gordon in seinem Buch „It Came From Memphis“ so treffend? „If people are meant to find a certain kind of sound, they will.“ Genau, als nostalgieversessenen Zeitreisenden versteht sich Nick Waterhouse aber eben trotzdem nicht. Stattdessen erinnert er an die Beatles, als sie in ihren Anfangstagen aus exotischen Coversongs wie Larry Williamsons „Dizzy Miss Lizzy“, Arthur Alexanders „Anna (Go To Him)“ oder Barrett Strongs „Money“ ihren ureigenen Stil entwickelten. Bloß dass Nick Waterhouse nicht dem Dreiminutendiktat der 45er Vinylsingle unterliegt und sich die Freiheit nimmt, so zu tun, als hätte es weder Psychedelic- noch Progressive Rock mit ihren unglaublichen Entfaltungsräumen gegeben. Er klingt räudig wie ehedem die zumeist schwarzen Originale und füllt die alten Schläuche mit Inhalt von heute. Ähnlich Ex-Beatle John Lennon, der „Dizzy Miss Lizzy“ bis zum Schluss in seinem Bühnenrepertoire behielt, zieht Nick Waterhouse eine intellektuelle Ebene ein.
Die von englischen Muttersprachlern identifizierten und bei einem ehemaligen Literaturstudenten keineswegs unerwartbaren Referenzen an Arthur Miller, T.S. Eliot oder den kulturkritischen Saul Bellow-Roman „Humboldt’s Gift“ gibt es wirklich, das konnte Nick Waterhouse bestätigen. Und dass er irgendeine Form von Mainstream bedient, trifft auch nicht zu. Zwar lassen sich problemlos Vergleichsgrößen nennen, Sharon Jones würde einem einfallen, Charles Bradley oder Eli Paperboy Reed. Aber schon mit ihnen teilt Nick Waterhouse nicht wirklich etwas. Erst recht mit dem breiten Strom des Indierock oder gar dem massentauglichen Konsenspop. Auf eine bestimmet radikale Art, wie sie heute noch möglich ist, zieht er sein Ding durch.
Vielleicht ist auch das ein Zeichen gewesen, jedenfalls wenn man den Rassismus bedenkt, der aufs Neue massiv hervor bricht, seit Donald Trump die politische Bildfläche der Vereinigten Staaten betreten hat: Flankiert wurde das ansonsten weiß besetzte Nick Waterhouse-Quintett von einer schwarzen Backgroundsängerin und einem schwarzen Saxophonisten. Das erinnerte etwas an die von Anfang an multiethnischen Bands des kalifornischen Musikerkollegen Carlos Santana. Oder an die ebenfalls in Kalifornien gestarteten The Sly & Family Stone, deren „Dance To The Music“ hier als Überschrift herhalten muss. Zumal wenigstens in den vordersten Reihen direkt hinterm Dresdner Graben doch ziemlich getanzt wurde. Wozu schon die Tonträger anstiften, das kam im gut besuchten Beatpol mit voller Wucht von der Bühne.
Bernd Gürtler
Nick Waterhouse 12. Februar, Beatpol