Bilderstreit im Albertinum
Eine Diskussion zur DDR-Kunst
Nun ist’s vollbracht. Oder auch nicht. Der am Montag Abend ausgetragene Dresdner »Bilderstreit« um den hiesigen musealen Umgang mit in Ostdeutschland entstandenen Kunstwerken brachte wenige Fragen und kaum Antworten hervor.
Wie nicht anders zu erwarten, strömten zahlreiche Dresdner in den Lichthof am Georg-Treu-Platz. Moderator Thomas Bille musste jedoch final resümieren: »Dass so viele mitgemacht haben, überrascht mich, dass sie so friedlich waren, enttäuscht mich – ich dachte, die Menschen schlagen sich«, und traf damit den Nagel auf den Kopf. Es waren zu viele da. Nicht nur im Panel, an der mittig platzierten großen Tafel waren 15 Spezialisten geladen, von denen drei den Abend über keine Möglichkeit eines Statements erhielten. Auch im Publikum dachte jeder, die anderen können doch was sagen, so dass sich hier nur Einzelstimmen zu Wort meldeten. Das hat sicherlich mit gegenseitigem Respekt zu tun, auch wenn der zwischendurch durch Thomas Oberender nach einer kleinen emotionalen Entgleisung eingefordert werden musste. Möglicherweise aber auch damit, dass gar nicht klar war, worüber wir eigentlich bei »Wir müssen reden« reden.
Neu entfacht wurde die bereits zweieinhalb Jahrzehnte währende Unzufriedenheit mit der musealen Aufarbeitung und Diskussion der ostdeutschen Epoche durch einen jüngst erschienenen Artikel in einer Dresdner Tageszeitung. Dass dieser zu einem Zeitpunkt erschien, da die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die Wanderausstellung »Geniale Dillettanten« zeigen und diese sogar extra für Dresden um den ostdeutschen Fokus erweiterten, ist ein schlechtes Timing. Denn der neuen SKD-Spitze Ignoranz des Themas vorzuwerfen, ist anmaßend. Reden wir hier wirklich über ein paar im Moment nicht mehr gezeigte Bilder? Wären denn die Gemüter beruhigt, wenn diese Bilder einfach wieder aufgehängt würden? Eva Maria Stange sagte deutlich, »das Problem wird nicht mit zwei, drei Räumen mehr fürs Albertinum gelöst«. Das anzunehmen wäre naiv, denn das Kernproblem liegt woanders. Zum einen gibt es, wie Birgit Dalbajewa bemerkte, »im Albertinum einen permanenten Wandel … kommen Sie öfter zu uns«, und Hilke Wagner ergänzte, »das Modell der Dauerausstellung gibt es so nicht mehr«. Auch die während der Diskussion in die Runde geworfene Korrektur von »DDR-Künstler« zu »Künstler in der DDR« ist nicht zielführend und führt mit dem Label »Ost-Kunst« eher zu einer »Ghettoisierung«. Matthias Flügge wandte berechtigt leicht genervt ein: »Wir reden doch hier überhaupt nicht über Kunst. Nur über Kunst, die in der DDR entstanden ist«. Klar muss die identitäre Komponente betrachtet werden, aber wissenschaftliche Forschung und kunsthistorische Bewertung sollen noch andere Kriterien hinzufügen. Und so forderte Susanne Altmann zu Recht, »die ostdeutsche Kunst in einen internationalen Kunstentwicklungskontext einzuspeisen«. Und hier haben die SKD mit der Würdigung des Werkes von Karl-Heinz Adler einen Schritt gemacht.
Im Laufe des Abends wurden immer dieselben Namen genannt, wir reden über den großartigen Göschel, über Uhlig und Kretzschmar. Ein, zwei Leipziger Namen tauchen auf und dann? Das war´s doch nicht. Susanne Altmann publiziert gerade über rebellische Künstlerinnen aus Erfurt, nicht Sachsen, aber ostdeutsch. Der Kanon ist groß. Allerdings bei weitem nicht in den Dimensionen, wie aus dem Publikum mit der 1987 im Albertinum ausgetragenen X. Kunstausstellung der DDR mit 1823 beteiligten Künstlern argumentiert wurde. Zu Recht wandte Christine Schlegel, einst dort Jurymitglied, ein, dass die Zensur doch wichtige Werke, z.B. von Helge Leiberg, vorenthielt. Und an dieser Stelle zu graben, die Spreu vom Weizen zu trennen, das sollte wirklich Aufgabe des Museums sein. Und da sind wir beim lieben Geld. Als Hilke Wagner vor drei Jahren Chefin des Albertinums wurde, hatte sie eine 20%-Stelle für die Kunst zwischen 1945 und 1989. Da waren nicht nur der Osten, auch der Westen, die Franzosen und andere includiert. Um dort aufzustocken, wurde jetzt die Stelle für das 19. Jahrhundert um 50% gekürzt. Hier kam Eva Maria Stange mit dem berechtigten Einwand der »Diskussion auf sehr hohem Niveau«. Wir bauen das Schloss, die Alten Meister, das Japanische Palais, das Blockhaus und ein Depot. Dresden erhält im Moment mehr Zuwendungen als Leipzig.
Vielleicht sollte man mehr die Netzwerke bemühen. Kann man in Zusammenarbeit mit der TU Dresden eine Doktoranden- oder Forschungsstelle zur Kunst zwischen 1945 und 1989 am Albertinum einrichten? Kann man von den, zugegeben historischen und nicht kunsthistorischen Forschungen des Zeitgeschichtlichen Museums in Leipzig oder anderer Institutionen partizipieren? Ein Mitglied eines sehr großen Freundeskreises der SKD erhob auch entrüstet seine Stimme. Aber könnten dort nicht Mitstreiter gesucht werden, die möglicherweise eine Arbeitsgruppe bilden? Auch so funktioniert Freundschaft. Die Gesellschaft Moderne Kunst kauft regelmäßig Werke zeitgenössischer Kunst, die sich das Museum nicht leisten kann. Auch für die sehr kostenaufwändige Restaurierung eines Werkes von Stefan Plenkers sprang sie in den letzten Jahren ein. Und muss sich das Publikum unbedingt nur auf die SKD konzentrieren? Bieten nicht Leonhardi-Museum, Städtische Galerie, Motorenhalle und andere in Abständen interessante Einblicke?
Unterm Strich bleiben einige versöhnliche Ankündigungen von Generaldirektorin Marion Ackermann. So wird mit »Terror in Dresden« im Sommer 2019 eine große Penck-Show ausgerichtet. Ein weiteres bald sichtbares Projekt wird das »Museum der nichterzählten Erzählungen« sein, bei dem alle 400 Mitarbeiter der SKD ein Werk vorstellen.
P.S. Die eigentliche Diskussion fand in kleinen Gruppen im Anschluss vor dem Albertinum statt. Da kam auch der Vorschlag eines Teilnehmers am Panel zur Sprache, die nächste Veranstaltung doch mit provokativen kurzen Statements zu eröffnen, um eine Diskussion zu entfachen. Nur zu, SKD, traut euch. Ihr braucht euch wirklich nicht zu verstecken.
Patrick-Daniel Baer
Der Diskussion am 6. November stellten sich:
Marion Ackermann (Generaldirektorin Staatliche Kunstsammlungen Dresden), Susanne Altmann (Kunsthistorikerin und Kuratorin, Dresden), Birgit Dalbajewa (Oberkonservatorin, Albertinum/Galerie Neue Meister), Frank Eckhardt (Riesa e.V.), Matthias Flügge (Rektor HfBK Dresden), Else Gabriel (Künstlerin), Lydia Hempel (Landesverband Bildender Kunst Sachsen e.V.), Igor Jenzen (Direktor Museum für Volkskunst), Paul Kaiser (Kunst- und Kulturwissenschaftler, Dresden), Thomas Oberender (Intendant Berliner Festspiele), Gisbert Porstmann (Direktor Museen der Stadt Dresden), Karl-Siegbert Rehberg (TU Dresden), Christine Schlegel (Künstlerin), Eva-Maria Stange (Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst im Freistaat Sachsen), Hilke Wagner (Direktorin Albertinum), Mathias Wagner (Kurator Albertinum/Galerie Neue Meister)