Auf den Punkt
Das Dynamo-Remis von Nürnberg oder The Return of Spielbericht
Was ist denn da los? Seit Ewigkeiten nichts mehr gelesen? Wartet wohl auf den ersten Sieg, der Erfolgsschreiberling? Lebt der noch? So oder ähnlich waren die Nachfragen zu den ausbleibenden Nachspielkommentaren an dieser Stelle. Nun, die Ursachen waren so vielfältig wie das Leben: Schnauze voll nach Ingolstadt, Ideenlosigkeit an der Tastatur ob der Ideenlosigkeit auf dem Rasen, Spiel unglücklich verpasst und dann auch noch virale Belastung. Und es gab auch den einen oder anderen Moment, da hatte ich keinen Bock. Dabei ist so viel passiert: Spieler weg, neue Spieler da, Dixie gestorben, neuer Trainer, Verletzte kamen zurück, Verletzte kamen hinzu – und dann auch noch Krieg auf dem Kontinent. Die einzige Konstante war die Sieglosigkeit der Sportgemeinschaft.
Dass sich die Dreierflaute ausgerechnet gegen die momentan erfolgsverwöhnten Clubberer ändern sollte, schien nicht eben angesagt. Zwar sorgte Neu-Coach Guerino Capretti durchaus schon für italienische Momente im schwarzgelben Spiel, doch auf die Tabelle schlug das noch nicht durch. Um das der Vollständigkeit halber zu erwähnen: Ich bin kein Freund hektischer Trainerentlassungen, aber im Falle von Alexander Schmidt war es für mich nachvollziehbar. Denn hier ging es nicht nur um die bis dato verkorkste Rückrunde, sondern wir hatten die Situation einer Erfolglos-Serie schon einmal im letzten Jahr – nur weil die unter uns immer schön mitpatzten, war in den Liga-Charts noch nichts zu sehen, dass da etwas im Argen liegt. Und mit „im Argen“ meine ich, dass Dinge nicht funktionieren, die trainierbar sind: Passspiel, Ballannahme, Laufwege, Standards, Abschlüsse. Nennen wir es Grundlagen (oder Basics für die Unter-30-Jährigen).
Auf jeden Fall hat sich Neo-Allenatore Capretti dieser Grundlagen offensichtlich angenommen. Die Tore gegen Werder und St. Pauli entsprangen einstudierten Standards mit jeweils Oliver Batista Meier und Tim Knipping als Vorbereiter, die Anzahl der guten Tormöglichkeiten übertraf gefühlt die der gesamten Rückrunde. Das Problem: Dynamo schafft es konsequent, nur eine Halbzeit gut zu spielen. Und das sollte sich auch im Max-Morlock-Stadion nicht ändern.
Aber hier sorgte zunächst der dynamische Aufstellungszettel für eine dicke Überraschung, denn für den neben Kevin Ehlers ins Lazarett verabschiedeten Ransford Yeboah-Königsdörffer rückte Agyemang Diawusie in die Startelf, sein erstes Mal in Liga zwei. Wer sich ein spielerisches Lebenszeichen von Adrian Fein erhoffte, muss weiterrätseln.
Die erste Halbzeit: Früh niedergerannt, spät gecomebackt
Kaum hatte der FCN angestoßen, ging das schon mal ganz falsch los. Und es zeigte sich, dass die Weinroten einen besonderen Schatz im Kader haben: Mats Möller Daehli. Da ist fast nichts bei den Franken, bei dem der überragende Norweger nicht die Füße im Spiel hat. Schon in Minute zwei überläuft er an der Außenlinie den sonst so körperlich robusten Guram Giorbelidze mit aller gebotenen Leichtigkeit, tänzelt an den Fünfer und spielt den Querpass auf den langen Pfosten. Doch Yannick Stark bekommt gerade noch die Schuhspitze an den Ball, der so für den heranrauschenden Schleimer unerreichbar wird und zwischen Eigentorgefahr und Pfosten ins Toraus trudelt. Immerhin gibt es einen Gegenzug, an dessen Ende Diawusie abgeräumt wird – den Freistoß von Batista Meier faustet Mathenia sicher weg, wie auch die erste Dresdner Ecke.
Das geht so eine kleine Weile hin und her, bis Möller Daehli auf seiner linken Seite den wild fuchtelnden Nürnberger sieht und postwendend bedient. Da kann ja aber nichts passieren, denn der rote 15er hat schließlich noch Stark vor und Batista Meier neben sich. Aber leider eben nur neben sich statt gegen sich. Denn als hätte man den beiden Fentanyl in den Pre-Game-Tea getan, gucken sie sich an, wie sich Nürnberger den Ball auf rechts und links und rechts und links und wieder rechts legt. Keiner macht auch nur einen Schritt auf den Gegner zu. Das nennt man dann eine Einladung zum Torschuss. Einszunull. Kevin Broll guckt regungslos zu, wie das Ding aus 17 Metern bei ihm einschlägt – Goalie-Hashtag #kannmannixmachen.
Und jetzt wackelt das ganz in Weiß spielende schwarzgelbe Gefüge bedenklich. Nur drei Minuten nach der Heimführung bekommt Schleimer den Ball aus sechs Metern Entfernung nicht aufs Tor. Fan-Hahstag #denhaettesogarichreingemacht. Und wie schon beim Tor herrscht auf der Seite von Michael Akoto pure Unordnung. Apropos Akoto: Es ist auffällig, das er seit zwei, drei Spielen immer mal Standprobleme hat oder fällt oder ausrutscht. Da sollte mal Ursachenforschung betrieben werden, denn zur Fußballersorte „Fallobst“ gehört der Verteidiger eigentlich nicht.
Nur wenige Minuten kann Dynamo durchschnaufen, dann brennt es wieder lichterloh: Der unvermeidliche Möller Daehli spielt Köpke vor Broll frei, doch Akoto kann diesmal den Abschluss verhindern. Deutlicher noch wird es nur 60 Sekunden später, als ………………. (den Namen erraten und bitte selbst eintragen) den Ball mit Gefühl über die Dresdner Abwehr hebt. Das Runde landet direkt bei Handwerker, dessen Volleyaußenrist-Rakete durch eine fabulöse Broll-Adler-Einlage entschärft wird. Gottseidank hat der Club für den Rebound keinen Makienok, sondern „nur“ Duman, der „allein allein“ trällert, aber dabei freistehend den Nachköpfer vorbeinickt. Fehlpässe und Ballverluste in Serie bei Dynamo scheinen einen Rückfall in die letzten Schmidt-Wochen anzuzeigen, während Knipping und Sollbauer alle Füße voll zu tun haben. So dauert es eine halbe Stunde, bis die SGD mal ein Mini-Powerplay aufzieht, an dessen Ende Stark aus der Ferne deutlich drüber ballert.
Immerhin: Es gelingt nun besser, den FCN vom Dynamo-Tor fernzuhalten. Man muss fast schmunzeln, als Daferner, der ewige Presser, einen entweichenden Gegenspieler am Trikot festhält. Ein bisschen Frust war da schon dabei, und Schiri Robert Hartmann lässt die Gelbe auch stecken. Nürnberg hat nun zwar weiterhin den Ball, kann aber immer weniger damit anfangen. Dresden will auf jeden Fall keinen weiteren Treffer vor der Pause fangen.
Und die Pause naht, da bekommt Stark den Ball am Mittelkreis, nimmt richtig Fahrt auf und hat drei Optionen: Daferner links von der Mitte, Diawusie vor sich und Batista Meier rechts außen. (Wo ist eigentlich Schröter?). Was jetzt folgt ist mit Sicherheit ein designter Spielzug: Stark auf Batista Meier, der auf Diawusie, der genau im richtigen Moment anläuft und so bei der Ballmitnahme genug Tempo hat, um Sörensen zu überlaufen. An der rechten Strafraumkante schickt die Dresdner 11 runde Schnapszahlgrüße zur 33 – und wie Daferner in einer Bewegung den Ball zwischen Torwart und kurzem Pfosten ins Netz chipt, sieht man auch nicht alle Tage. Der Reporter meint: aus dem Nichts. Ich brülle: geil gespielt! Ausgleichs-Hashtag: #dawirdderhundinderpfanneverrueckt.
Die zweite Halbzeit: Hätte wenn vielleicht
Mit dem Wechsel kommt Heinz Mörschel für Oliver Batista Meier. Angesichts der letzten Leistungen des nun Eingewechselten löst das keine Begeisterung aus. Aber falsch gedacht: Am heutigen Nachmittag will der Midfielder seine Einsatzchance nutzen. Kaum drei Minuten sind vorbei, da spielt er auf rechts Diawusie frei, der noch ein paar Schritte im Strafraum geht, aber über Mathenia hinweg nur die Oberlatte trifft. Was fehlt? A little bit of Spielübersicht. Denn im Fünfer stehen gleich drei Weißhemden in bester Vollstreckerposition bereit. Wenn Oschemong (wie er in unserer Landesprache liebevoll genannt wird) den Ball nach innen zwirbelt, wäre wohl mehr umgekommen. Oasis-Hashtag: #absolutelymaybe.
Die Heimelf wirkt nun deutlich passiver. Es ist womöglich der gleiche Effekt wie ihn die SGD nach dem Ausgleich von St. Pauli selbst erlebt hat – das Gegentor fiel ja ebenfalls direkt vor der Pause. Die Unbeschwertheit ist plötzlich weg, im Kopf rattert es „nur nicht verlieren“. Es übernimmt nun mehr und mehr die Sportgemeinschaft. Vor allem Giorbelidze und Schröter schieben als Flügelzange immer wieder an, Knipping gewinnt quasi jeden Kopfball und Stark bekommt jetzt mehr und mehr den Controller, während Mörschel seine Rolle als Schnittstelle nach vorn findet. Blass bleibt eigentlich nur Julis Kade.
Herzkasper-Alarm dann aber nach einer Stunde, als ………………. (den Namen erraten und bitte selbst eintragen) Duman in den Dresdner Sechzehner schickt – doch Kevin Broll lässt nicht nur dessen Nahdistanzgewaltschuss an sich abprallen, sondern fängt auch noch den hochgefährlichen zweiten Versuch von Nürnberger. Oder fällt das Tor doch noch auf der anderen Seite? In Minute 63 bekommt Giorbelidze über Mörschel und Kade den Ball am Strafraumeck, doch sein Schuss ist so ein Zwitter aus Torversuch und Pass, der jedoch am Ende bei Morris Schröter landet. Dessen strammen Strahl kann aber der FCN-Keeper mithilfe des Pfostens entschärfen. Was auch hier fehlt? Übersicht. Wenn Schröter den Baal quer auf Kade spielt, muss der nur noch den Fuß hinhalten, weil Mathenia bereits am Boden ist. Aber immerhin: Capretti sorgt mit seinem System dafür, dass Leben in der Box herrscht, unter seinem Vorgänger war das ja ein ewiges Ärgernis.
Der Club wechselt in der 65. doppelt, der fünfte Sieg in Folge soll gezogen werden. Dynamo bringt drei Minuten später Vaclav Drchal für den ausgepumpten Diawusie. Die SGD verwickelt die Club-Kicker immer wieder in kleine Scharmützel, was diese sichtlich entnervt. Der Referee behält aber jederzeit die Übersicht, und zieht erst spät, aber im richtigen Moment drei gelbe Karten, eine davon für Knipping.
Eine Viereltstunde vor Schluss zeigt Schröter mal wieder eines seiner Bierdeckel-Dribblings im gegnerischen Strafraum. Nur kann Drchal seinen Pass nicht aufs Tor bringen. Überhaupt hat Schröter jetzt die dritte Luft. Er rasiert die ganze Außenlinie im Sturmlauf, verwertet den Einsatz aber letztendlich nicht. Paul Will kommt für Stark.
Noch fünf Minuten bis Ultimo, da zeigt Drchal, was Tempo bei ihm bedeutet. Bei gegnerischem Ballverlust gewinnt er – deutlich hinter den Roten stehend – das Laufduell zum Strafraum, wird dort aber von zwei Spielern und dem Keeper ausgebremst. Ein Schussversuch fünf Meter weiter hinten wäre wohl die bessere Option gewesen. Und nein, das war es noch nicht, denn auch der FCN hat noch die Möglichkeit zum Sieg. Durch einen Zusammenprall mit Schindler kann Broll einen hohen Ball nur nach vorn klären, der postwendend an den langen Pfosten zurückgespielt wird. Dort will Schäffler das Leder ins eigentlich leere Tor piken. Aber die Betonung liegt auf „eigentlich leere“. Denn mit einem unfassbaren Köpermove rappelt sich der Dresdner Torwart erst auf und fährt dann bei der quasi letzten Aktion im Spiel sein Bein teleskopartig aus, um mit dem Fuß den Ball um den Pfosten herumzukullern. Torwart-Hashtag: #kennstebleedewern. Abpfiff.
Fazit
Im Plausch mit dem St.-Pauli-Podcast „Millernton“ antwortete ich vor einer reichlichen Woche auf die Frage nach den dynamischen Aussichten: Gegen die Spitzenteams aus Hamburg, Nürnberg und Gelsenkirchen müssen wir irgendwie mindestens drei Punkte holen, die restlichen acht dann in den verbleibenden Spielen, um Sandhausen und/oder Hannover hinter uns zu lassen. Im schlimmsten Fall droht die Relegation, wobei wir in dem Falle hoffen, dass sich Osnabrück noch auf den dritten Platz hieven kann. Setzt man mal voraus, dass der Schacht seinen Nachholer beim HSV nicht gewinnt, stehen die beiden direkten Absteiger mit aller gebotenen Vorsicht wohl schon fest
Uwe Stuhrberg
FC Nürnberg vs. SG Dynamo Dresden
19. März 2022, Antoß: 13.30 Uhr
Tore: 1:0 Nürnberger (12.), 1:1 Daferner (42.)
Dynamo Dresden: Broll, Akoto, Sollbauer, Knipping, Giorbelidze, Stark (86. Will), Batista Meier (46. Mörschel), Kade, Schröter, Daferner, Diawusie (68. Drchal)
Schiedsrichter: Robert Hartmann
Fans: 27.826
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