Keiner darf auf etwas hoffen

SAX-Gespräch mit A.S. Fanning, der am 14. September zum Sound of Bronkow kommt

A.S. Fanning

Zweifellos gehören Micah P. Hinson und Jochen Distelmeyer zu den Hauptattraktionen der handverlesenen Extravaganz des The Sound Of Bronkow Music Festivals 2024, neben A.S. Fanning selbstverständlich. Der gebürtige Ire mit Wahlwohnsitz Berlin ist vielleicht noch von der Festivalausgabe 2021 ein Begriff oder bei anderen Dresdner Auftrittsgelegenheiten aufgefallen wie anlässlich des diesjährigen Palais Sommers als Bandbegleiter von Louis Brenan. Im Anschluss an das Konzert an der Frauenkirche ergab sich eine Verabredung für ein SAX-Gespräch zum dritten Album »Mushroom Cloud« vom Mai 2023 mit seinem inspirierenden Denkstoff.

SAX: Der Titelsong zu »Mushroom Cloud« verarbeitet die Herausforderungen der Corona-Pandemie. Eine schwierige Zeit damals auch für dich.
A.S. Fanning: Es fühlte sich an, als stürze die Welt ein. Lockdowns wurden ausgerufen, ohne, dass absehbar war, über welche Zeiträume sich die Einschränkungen erstrecken sollten. Bei mir ging eine langjährige Beziehung in die Brüche. Ich hatte drei Wochen am Stück mit Auftritten vor mir, die ich komplett abschreiben konnte. Mein gesamtes zu erwartendes Einkommen war futsch. Der Song entstand zu Beginn der Pandemie und will sagen, dass es mir vorkam, als sei eine Atombombe eingeschlagen.

SAX: Der einzige Grund, weshalb »Mushroom Cloud« und ein Großteil der übrigen Songs des Albums nicht in tiefste Depressionen stürzen lässt, sind die wunderbaren Arrangements. Wie viel Energie verwendest du aufs Arrangieren, auf die Produktion?
A.S. Fanning: Sehr viel Energie, jedenfalls diesmal. Bei meinen ersten beiden Alben – »Second Life« und »You Should Go Mad« – spielte ich die Instrumente, die ich selbst spielen konnte. Gastmusiker wurden nur für ausgewählte Parts hinzugezogen. Bei »Mushroom Cloud« stand mir dauerhaft eine fünfköpfige Band zur Verfügung. Mental befand ich mich an einem düsteren Ort, gemeinsam berieten wir, ob wir die Düsternis des jeweiligen Songs verstärken oder unseren Spaß haben sollten. Stellenweise funkelt ein gewisser Humor. Das Album ist eher ungeeignet an trüben Tagen. Aber wer sich gut fühlt, wird sich beflügelt vorkommen.

SAX: Worum geht es in »Conman«?
A.S. Fanning: Das entstand parallel zur Corona-Pandemie, im Hinterkopf noch Donald Trumps »America First«. Menschen springen auf solche nationalistischen Narrative an, wenn ihnen die ungemütliche Wirklichkeit zu sehr auf die Pelle rückt, auch der Letzte erkennt, dass keiner von uns auf irgendetwas hoffen darf.

SAX: »Haunted« bezieht sich auf den britischen Philosophen und Kulturtheoretiker Mark Fisher. Welches seiner Bücher findest du am spannendsten?
A.S. Fanning: »Ghosts Of My Life: Writings On Depression, Hauntology And Lost Futures«. Genauso interessant sind auch die anderen beiden, »Capitalist Realism: Is there no alternative?« sowie »The Weird And The Eerie«.

SAX: Mark Fisher war der Überzeugung, dass der Neokapitalismus verantwortlich sei für Prekarisierung, für Vereinzelung, Stress, Angst, Depressionen, die gesamte Palette psychischer Erkrankungen.
A.S. Fanning: Vermutlich hat er recht. Neulich traf ich eine Ostberlinerin. Sie meinte, die Einschränkungen in der DDR seien schrecklich gewesen. Aber im Kapitalismus steht der Mensch ständig unter Druck. Mark Fisher sagt in Bezug auf Populärmusik, dass der ökonomische Druck die Kreativität vernichtet. Ich denke das auch, aber was ist die Alternative?

The Sound Of Bronkow Music Festival 13. bis15. September, Societaetstheater
www.thesoundofbronkow.com
Karten bei SaxTicket

SOB – DAS PROGRAMM
13. September
Micah P. Hinson & Band (USA)
Cowboy Lyf (UK)
Arthur & Vanessa (D)
Cava (D)
14. September
The Shivas (USA)
Plattenbau (UK/D)
A.S. Fanning (IRL)
Máni Orrason (ISL)
Albinobrothers (D)
Morphine Ridges (BEL/D)
Tiflis Transit (D)
Lambs & Wolves (D)
Sicklebird (D)
15. September
Jochen Distelmeyer (D)
Matthias Hufnagl (Lesung, D)
Ellen Froese (CAN)
Low Key Orchestra (D)
Nina Caroline (D)