Das Roulette menschlicher Emotionen

Das große Roulette menschlicher Emotionen dreht sich ordentlich schnell, wenn Buntspecht zuwerke gehen und ihre Kompositionen in den Orbit schicken. Einen Orbit, der seinen Nährboden irgendwo zwischen Ekstase und Melancholie, Trauer und schelmischem Grinsen, Perspektivlosigkeit und Utopie, Lebensbejahung und nagenden Zweifeln sucht und findet. Aber Input gibt es da ja auch mehr als genug.

So viel, dass die sechsköpfige Band aus Wien seit ihrer Gründung im Jahr 2016 fortwährend neue Kapitel schreibt, in denen sie immer wieder unzählige musikalische Facetten zelebriert. Das klingt mal wie Filmmusik für Filme, die es nicht gibt, mal wie Kinderlieder für Entwachsene. mal nach Atmosphäre und Ballade. Offensichtlich nach dem Credo: Alles darf. Alles soll. Alles muss! Und genau diese Impulsivität und Getriebenheit ist es wohl auch, die den überaus markanten Gesang von Frontmann Lukas Klein ausmacht und den ohnehin stets energiegeladenen Shows von Buntspecht immer wieder das i-Tüpfelchen aufsetzt.

Aber bei aller Schwere, die in den Themen der Songs steckt, fällt es der österreichischen Band selbst dennoch immer wieder leicht, beschwingt und brachial, traumwandlerisch und staunend, spöttisch und verträumt den eigenen Sound stets neu zu erfinden. Eine spannende Mischung, die Einflüsse aus Gypsy Swing, Bossa Nova, Wienerlied und Folk beinhaltet. Mit dieser Mixtur entstanden seit dem Debüt »Großteils Kleinigkeiten« aus 2018 auch die Nachfolger »Draußen im Kopf« (2019), »Wer jagt mich, wenn ich hungrig bin« (2019) und »Spring bevor du fällst« (2021). Ein immenser Output für nur rund sieben Jahre Bandgeschichte – allein schon, wenn man sich die nah beieinanderliegenden Veröffentlichungsjahre mal näher anschaut. Und beeindruckend ist außerdem, wie eigenständig und ausdrucksstark die unzähligen Musikvideos von Buntspecht daherkommen, in denen – mal unterm Filter von Retro-Kolorationen, mal collagenartig, mal animiert und schrill – das Desparate und Zerrissene der Texte von Lukas Klein wie auch die Gesamtheit der Musik von Buntspecht inszeniert wird. Immer mit einer notwendigen Prise Humor, damit die Schwere nicht die Oberhand gewinnt.

Fazit: Buntspecht sind ein absolutes Gesamtpaket. Eines, das nun im Rahmen einer ausgedehnten Klub-Tournee durch den gesamten deutschsprachigen Raum erlebt werden kann. Und unbedingt sollte, denn das eingangs erwähnte Roulette menschlicher Emotionen wird aus nächster Nähe ja bekanntlich am Fühlbarsten. Und genau darum geht es ja bei Buntspecht.
Thomas Natzschka

Buntspecht 15. Dezember, 20 Uhr, Beatpol, Karten bei SaxTicket und www.saxticket.de