Da erlebt die Seele Feierstunden

Johanna M. Lankaus »Dresdner Spaziergänge«

Johanna Marie Auguste Lankau (1866–1921) war eine, heute wohl nicht ganz zu Unrecht vergessene Dresdner Schriftstellerin, die auch als Lehrerin tätig war, bei adligen Familien oder beim englischen Schriftsteller Jerome K. Jeromes, von dem sie einige Erzählungen ins Deutsche übertrug. Neben Artikeln für Frauen-Zeitungen schrieb Lankau Erzählungen und Romane, die Titel tragen wie »Lust und Leid der Backfischzeit«, »Eva auf Reisen und andere Novellen für junge Mädchen« oder »Des lieben Gottes Stube«.

1912 erschien im Dresdner Verlag von Holze & Pahl ein mit ca. 40 Abbildungen versehenes Buch mit dem Titel »Dresdner Spaziergänge«, das ursprünglich für den »Dresdner Anzeiger« geschriebene Texte versammelt und nun, herausgegeben von Uta Hauthal, im Radebeuler Notschriften Verlag wieder aufgelegt worden ist. Ihr Anliegen verbirgt die Autorin nicht, es geht darum, »eine so mit Schönheit gesegnete Stadt wie unser Dresden« und »seine reizvolle und mannigfaltige Umgebung« zu preisen und zu loben, hinzuweisen »auf die Schönheit unserer Stadt und auf die holde Anmut unseres Sachsenlandes«. Die Stadt freilich ist in diesen Texten seltsam abwesend, für Lankau sind es vor allem die Landschaft und die Natur, in denen »die Seele Feierstunden« erlebt.

So sind es vor allem die Flora und Fauna der damals noch dörflichen Randbezirke (mit Ausflügen ins Böhmische, nach Tharandt oder die Sächsische Schweiz), die in diesen Spaziergängen von einer Autorin ausführlich beschrieben werden, der der Wechsel der Jahreszeiten oder der Gesang der Nachtigall bemerkenswerter erscheint als die Umgestaltung der Stadt zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. Hinweise auf kulturhistorische, soziale oder politische Entwicklungen findet man kaum, auch Menschen kommen fast ausschließlich als Ausflügler vor. Das wirkt, selbst wenn man die Entstehungszeit der Texte berücksichtigt, reichlich antiquiert, und oft auch mit wenig konkretem Ortsbezug, Beiträge wie zum Beispiel über den alten Eliasfriedhof oder die Heide könnten auch auf andere Orte übertragen werden.

Lediglich »Die schöne Straße«, ein Text über die Entstehung der Prager Straße deutet an, wie über das Schwelgen in Impressionen hinaus auch Stadtentwicklung verdeutlicht und damit Gewinn für den heutigen Leser erreicht werden könnte. Aus ihrer Liebe zur Idylle macht Johanna M. Lankau keinen Hehl (was ihr nicht vorzuwerfen ist), Kritik meldet sich manchmal mit leiser Ironie, etwa, wenn das Verschwinden eines weinbewachsenen Bahnwärterhäuschens beim Neubau des Hauptbahnhofes mit den Worten kommentiert wird, die »malerische Unkultur« habe »höheren Zwecken weichen« müssen. Letztlich aber entsteht an der Stelle des Schönen immer nur Schönes. Und wer heute die offenen Elbwiesen in der Stadt als positives Beispiel für Dresden empfindet, liest mit Verwunderung Sätze wie diese: »Die schlammigen, ungesunden Ufer sind verschwunden, massige Kaimauern umwallen und vertiefen das Wasser, das in engerem, aber vollerem Bette rascher dahinschießt. Jeder Stein, zahllose Sandbänke werden ihm aus dem Wege geräumt, ein großer, schöner Hafen sagt von der eifernden Liebe der Dresdner und der Opferfreudigkeit von Stadt und Land.«
wonne

Johanna M. Lankau: Dresdner Spaziergänge Notschriften Verlag, 13,90 Euro, www.notschriften.com