An Mut sparet nicht noch Mühe
Ein Buch über das Kabarett in der DDR
Zwölf Berufskabarettbühnen gab es in der DDR. Die bekanntesten von ihnen agierten in Berlin, Leipzig und Dresden. Sie nannten sich Distel, Pfeffermühle, academixer oder Herkuleskeule. Doch auch die Magdeburger Kugelblitze und Erfurts Arche machten gehörig von sich reden. Zu schweigen von den reichlich sechshundert existierenden satirischen Kleinkunstunternehmen des Volkskunstschaffens, von denen allerdings, um der Wahrheit die Ehre zu geben, nur die schlappe Hälfte als »spielfähig« beziehungsweise »bühnentauglich« eingestuft werden konnten. Die aber wurden vom Publikum ebenso geliebt und gefeiert wie die Profis. Tatsächlich lagen ihnen pro Jahr ca. 1,5 Millionen Zuschauer unter Lachkrämpfen zu Füßen. Dass bei den, gleichviel ob von Profis oder Amateuren, geboten und meist ausverkauften Veranstaltungen stets an den richtigen Stellen klassenstandpunktmässig gelacht oder gepfiffen wurde, musste selbstverständlich nicht nur gewährleistet, sondern auch penibel kontrolliert und ideologisch unterfüttert werden. Dieser anspruchsvollen Aufgabe stellten sich aufopferungsvoll die an sich eher humorlosen Tschekisten des Ministeriums für Staatssicherheit und der entsprechenden Bezirksbehörden.
Eine jüngst publizierte lesenswerte Dissertation widmet sich akribisch und in großer Ausführlichkeit dem Thema »Das Kabarett in der DDR zwischen MfS und SED«. Den Kern der Arbeit bilden Studien zur »MfS-Überwachung der Berufsensembles und ihrer Akteure« und zum »Einfluss von Kulturfunktionären, Staatssicherheit sowie weiterer Personen und Institutionen auf die künstlerischen Prozesse«. Für hiesige Kleinkunstfanatiker ganz sicher von besonderem Interesse dürfte die Lektüre des Kapitels »Kabarettautoren im Visier des Staatssicherheit« sein, in dem ausführlich der Dresdner Herkuleskeule und beispielhaft des Autorenduos Ensikat/Schaller gedacht wird. Denn »Im Phänomen des Autorenduos … zeigt sich der oft widersprüchliche Umgang mit Kabarett und Kabarettisten in der DDR auf besonders zugespitzte Weise. Mit ihren vier Programmen … wurden sie die mit Abstand meistgespielten Kabarettautoren des Landes«, was ihnen im Oktober 1988 den Nationalpreis einbrachte, sie andererseits zwei Monate später nicht daran hindern konnte ihre beliebte Schauspielkollegin von der Bühne herab dem Publikum hintersinnig zu verkünden: »Dass wir über zwei Stunden Ihres Lebens verfügen, ist kein Eingriff in Ihre Freiheit. Sie müssen ja bleiben. Und wie wollen wir in etwas eingreifen, was Sie gar nicht haben« (langer Zwischenapplaus)
Nota bene: Wohltuend ins Auge fällt auch die für ein Sachbuch ungewöhnliche, bemerkenswert erfrischende Gestaltung des Einbandes, den das Umschlagsbild eines uralten Distel-Programmheftes ziert, gewidmet der Aufführung »An Mut sparet nicht noch Mühe« aus dem Jahre 1986. Die Karikatur von Manfred Bofinger zeigt einen unfallsicher kompakt verpackten Hochseilgänger mit Sturzhelm. Unterm Seil ein Netz, auf dem Rücken ein Motor mit Propeller, um den Knöchel die Fangseilschlinge …
Li Lien
Christopher Dietrich: Kontrollierte Freiräume. Das Kabarett der DDR zwischen MfS und SED
bebra verlag Berlin, 36 Euro
www.bebra-wissenschaft.de