Liebe auf den ersten Blick
Das Restaurant Heiderand
Der Heiderand in Dresden-Bühlau … Um dieses Haus ranken sich unzählige Geschichten und Anekdötchen, fand hier doch regelmäßig der legendäre »Tanz für Alleinstehende« statt – mit allem, was dazu gehörte. Ausspähen – Anpirschen – Auffordern – Engtanzen. Solide Partnersuche halt. Aber das ist lange her. Seit Beginn des vergangenen Jahres ist der Heiderand wieder belebt und bietet einen äußerst gelungenen Mix aus Tradition und moderner Küche. Martin Walther, der vorher schon in Sterne-Restaurants sein Können unter Beweis stellte, kocht nun in geschichtsträchtigem Umfeld, denn seine Eltern lernten sich im Heiderand kennen. Dieser Fakt fließt auch in die Küche des in vierter Generation geführten Hauses ein. Dem Gast offenbart sich so feine Melange aus sächsischer und schlesischer Hausmannskost in zeitgemäßer Auslegung. Qualität ist oberstes Gebot und wird durch frische Produkte regionaler Lieferanten gewährleistet.
Die Karte offenbart viel der Saison angepasste Finesse. Gegrillte Auberginen, Maissuppe mit Geflügelleber, in Buttermilch mariniertes Backhendl … die Auswahl klingt verlockend und macht Einzelentscheidungen etwas schwerer als gedacht. Und genau hier kommt eine nicht nur extrem weiterhelfende, sondern auch noch streitschlichtende Idee des Hauses zum tragen. Während früher der lukullische Frieden am Tisch durch die Feststellung »Dein Essen sieht besser aus als meins. Lass mich mal kosten« oft zusammenfiel wie ein verkühltes Soufflé, bietet der Heiderand neben Essen à la carte die Variante »Sharing is Caring«.
Das Konzept dabei ist so einfach wie brillant: Ein Sharing-Menü beinhaltet sechs Gänge (45 Euro pro Person), die ohne einzuhaltende Gangfolge für Tischgenossenschaften ab zwei Personen serviert werden. Eigentlich bekommt jeder Gast dabei drei Gerichte für sich, drei weitere werden zum Teilen gereicht. Aber wenn der Abend ganz entspannt laufen soll, ist die Variante »alles auf dem Tisch wird geteilt« eine sichere Bank.
Dann wird aufgetischt! Erst folgen Tellerchen und Schälchen und Tässchen mit Vorspeisen. Ein köstliches Maissüppchen wird am Tisch auf zart gebratene Geflügelleber aufgegossen, Lauterbacher Ziegenmousse versteckt sich unter einer feinen Zitronencreme und hauchfein geschnittenem Kohlrabi, gebeizte Fjordforelle entfaltet ihren rauchig-zarten Geschmack mit einem Kürbis-Limetten-Sud. Herrlich!
Die Portionen erscheinen auf den ersten Blick – und wenn man den Faktor »hungrige Tischnachbarn« noch hinzurechnet – als relativ übersichtlich. Aber keine Sorge, die Hauptgänge folgen ja auch noch. Nun überzeugt eine gegrillte Aubergine mit Pilzen und Spinat und einer großartigen schaumigen Haselnusssauce. Dazu wird hauseigenes Focaccia gereicht, welches – ganz neutral bewertet – »einfach himmlisch« schmeckt und deshalb höchst gerecht aufgeteilt wird. Hier will niemand weniger bekommen. Ein weiteres zum Hauptgang zählendes Gericht ist auf Holzkohle gegrilltes Simmentaler Roastbeef, zu dem ein auf der Zunge zergehendes Kartoffelgratin gereicht wird. Das Fleisch kommt auf einer Herbsttrompeten-Trüffel-Sauce, die eine faszinierende Geschmacksvielfalt offenbart. Was ist da wohl noch alles drin? Unsere angenehm aufmerksame Bedienung des Abends erzählt, dass es sich bei der Herbsttrompete um einen seltenen Pilz mit großartigen Geschmack handelt.
Bei unserem Menü erfahren wir bei jedem zum Tisch gebrachten Gericht kurz etwas zur Zubereitung und Darreichungsform. Weitere Fragen werden auch gern und verständlich erklärt. Da haben wir neben gutem Essen auch gleich noch was fürs Allgemeinwissen getan. Der nächste Quizabend kann kommen. Genauso, wie der nun anstehende Dessert-Teil. Küchenchef Martin Walther höchstselbst serviert ein süß-würziges Sorbet aus geschmorten Aprikosen und Thymian, welches er mit hausgemachtem Vanille-Eierlikör übergießt. Mehr braucht es eigentlich nicht, um beglückt die Augen zu rollen, aber dann kommt auch noch ein French Toast mit Kirschen, Amaretto-Sabayon und Orangeneis! Diese zart-süß-sahnig-knusprig-köstliche Kreation ist der krönende Abschluss des Menüs – und einfach der Hammer!
Alle Gaumenfreude hat ihren Preis – und der ist im Heiderand selbstredend der gastronomischen Höchstleistung und Vielfalt angepasst. Da aber genau diese Leistung seit Eröffnung des Restaurants von Beginn an gut ankommt, ist es deshalb ratsam, sich unbedingt einen Tisch zu reservieren.
Bei vielen neuen oder neugestalteten Restaurants heißt es oft »Da ist gastronomisch noch (viel) Luft nach oben« – im Heiderand jedoch hält man sich gleich von Beginn an nicht mit den Mühen der Ebene auf, sondern arbeitet völlig schwindelfrei in von anderen kaum erreichten Höhen. Auch dem Gast tut diese Höhenluft sehr gut, schwebt man hier in puncto Gaumenkitzel doch recht schnell auf Wolke sieben.
K. Racho
Heiderand Ullersdorfer Platz 4, 01324 Dresden, Telefon 2683166
Mittwoch bis Sonntag 17.30 bis 22.30 Uhr, www.heiderand.restaurant