Pieces of a Woman
Eine schauspielerische Tour de Force. Ein filmischer Faustschlag
Das geht hart an die Nieren: Fast 30 Minuten ohne Schnitt dauern die Qualen einer gewünschten Hausgeburt, in Großaufnahme das Gesicht der Frau mit ihrem Schmerz, ihrem Kraftaufwand, ihrem Stöhnen, ihrem Schreien. „Pressen, pressen“ fordert die unsicher und fast panisch wirkende Ersatzhebamme, daneben der überforderte Vater, der nicht weiß, was er tun soll. Und dann kommt das kleine Wesen zur Welt, ein kurzer Glücksmoment mit dem Baby im Arm, zu später Notarzteinsatz, die schreckliche Gewissheit, nach einigen Atemzügen ist das Kind tot. An dieser Tragödie zerbricht die Beziehung, zerspringt ihr Leben in Tausend Stücke.
Die schauspielerische Tour de Force von Vanessa Kirby (Netflix-Serie „The Crown“, „Mission Impossible – Fallout“) wurde beim Filmfestival in Venedig mit der Coppa Volpi für die Beste Schauspielerin belohnt, ein Oscar sollte in Reichweite sein. Als taffe Geschäftsfrau Martha an der Seite von Shia LaBeouf als Ehemann Sean, der gemeinsam mit ihr Tod und Trauer verarbeiten, den Alptraum überwinden und zur Liebe zurückkehren will, geht sie an Grenzen. Aber es gibt Wunden, die nie heilen.
Das in Boston angesiedelte Drama basiert auf eigenen Erfahrungen des ungarischen Regisseurs Kornél Mundruczó und seiner Partnerin und Drehbuchautorin Kata Wéber und fragt, wie man so eine Tragödie überleben kann. Bald zeichnet sich Enfremdung zwischen dem Paar ab, sie flüchtet sich in Job und kühles Verhalten und lässt niemanden an sich heran, er vertieft sich in juristische Kämpfe, um die „Schuldige“ vor Gericht zu zerren, greift wieder zum Alkohol. Alles nur Gesten des Scheiterns und der Verzweiflung, Zeichen der Ohnmacht, emotionale Eiszeit. Wie mit dem Verlust umgehen, mit der Sprachlosigkeit, mit dem unendlichen Leid? Der schonungslose Trip in eine Welt der Trost- und Sprachlosigkeit tut weh. Ein filmischer Faustschlag.
Margret Köhler
Pieces of a Woman Kanada/Ungarn 2020, Regie: Kornél Mundruczó
Mit Vanessa Kirby, Shia LaBeouf, Ellen Burstyn, Molly Parker, Sarah Snook, Benny Safdie
Zu sehen auf Netflix.