After Life
Ricky Gervais als verzweifelter Mann
Das Sterben und die Folgen. In pandemischen Zeiten eine leider häufiger als gewohnt auftretende Problematik, die Thema der hochgelobten Serie »After Life« ist, bei der Ricky Gervais für Idee, Buch, Regie und die Hauptrolle des Tony Johnson zuständig ist. Ausgangspunkt der Handlung: Tonys Frau Lisa ist an Krebs gestorben. Zurück bleibt ein bis in die Tiefen der Seele verzweifelter Mann, der seiner großen Liebe nur deshalb nicht sofort in den Tod folgt, weil er Schäferhündin Brandy versorgen muss (ein Versprechen an Lisa).
Da Tony aber seinen unfassbaren Schmerz rauslassen muss, terrorisiert er sein soziales Umfeld mit Sarkasmus, Zynismus, Verachtung und Hass. Vom Briefträger bis zur Lokalredaktion, in der er als Reporter arbeitet, bleibt niemand verschont. Zwischendurch leistet sich Tony aber Momente der Menschlichkeit – etwa, wenn er Sexarbeiterin Roxy nicht zum Kopulieren, sondern zum Putzen bestellt, Zwiegespräche mit der Witwe Ann auf dem Friedhof führt oder täglich seinen dementen Vater im Pflegeheim besucht, wo wiederum Pflegerin Emma in sein Leben tritt. Aber dann sieht er sich wieder ein Video von Lisa an – und schon ist die große Dunkelheit wieder da.
In zwei Staffel zu je zwölf knapp halbstündigen Folgen hat Ricky Gervais – den meisten wohl durch das britische Original von »The Office« bekannt – das Traueruniversum des Tony Johnson ausgebreitet. Und er zeigt sich hier mit allem was er hat: Brachialität, Seelenpein, dunklem Humor und einem Spiel, das mit kleinste Gesten und Regungen große Wirkung erzeugt. Das Ensemble um ihn herum wirkt zwar zunächst wie ein Kuriositätenkabinett, doch mit der Zeit schließt man alle mit ihren Schrullen und Problemen ins Herz. Letztendlich ist »After Life« ein furioser Stoff vom Überleben – eine dritte Staffel wird kommen.
Uwe Stuhrberg
After Live Großbritannien 2019–2020
Regie: Ricky Gervais
2 Staffeln, je 12 Folgen, Netflix