kammer_flimmern
Die 14. Ostrale zeigt sich in der Robotron-Kantine
Schutzräume und was ihr schmerzhaftes Fehlen für den Menschen bedeutet – so lautet grob der Untertitel der diesjährigen 14. Ostrale, es ist ein »kammer_flimmern« in der alten Robotron-Kantine. Von den zahlreichen Menschen auf Rollen im Skatepark vor dem Gebäude darf man sich nicht beirren lassen – über die Freitreppe erreicht man problemlos seit dem 10. Juni und noch bis zum 1. Oktober den Eingang zum Empfang und den Ausstellungsräumen. Aber schon im Außenbereich ist, mit den transparent verhüllenden Kunstwerken von Asynchrome (seit 2020 erstellt) und Plakaten von Klaus Staeck (ab 1972) bereits ein Entrée zur Ausstellung gegeben.
Das Kuratorenteam Andrea Hilger, Antka Hofmann und Lisa Uhlig ist seit dem letzten Jahr beisammen und hat circa 350 Werke von 101 Künstlern versammelt. Nicht umhin kam man natürlich, die Ansichten und dargestellten Auswirkungen des Raumes durch in den letzten Jahren erfolgte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie des SARS-Cov-2 Virus bewirkt zu sehen. Nicht in den Hintergrund geraten sollten zudem Positionen zu schwindender Unversehrtheit und Versammlungsfreiheit in einigen Ländern sowie ökologische Mahnungen, ebenfalls in Bezug auf verbleibende Mitbestimmung der umweltlichen Gestaltung.
Ein zerstörter Wohlfühlraum stellt die Frage nach seiner Wiederkehr, so in zahlreichen Gemälden, Schnitten und Drucken in der ersten Hälfte der Ausstellung – Bearbeitungen von Bargeld in Form von Geldscheinen von Philipp Valenta finden Ihren Platz (und führen so eine Dresdnerische Tradition fort) sowie Scherenschnitte alter Leipziger Hallen (Carsten Busse). In Bildern sieht man skulpturale Darstellungen, was noch an lebendige Körper erinnert, doch beispielsweise bei Jürgen Höritzsch ins Mechanisch-Tempelhafte gerückt wird oder bei Stepahnie Abben, Christian Krieter sowie Michael Johansson reduzierte Formen findet. Die menschliche Gestalt ist entstellt, jedoch gleicht die unübliche Pose einer vorbereiteten Aktion in der neuen Umgebung.
Fragmentierter und in abstrakten Teilen bis hin zu schwarzer Fläche sind weitere Gemälde, etwa von Konstantine Kakabadze gestaltet. Eine Serie verlassener Raumszenen – teilweise mit einzelner, einsamer Person – flankiert einen Raum für urwaldhafte Darstellungen in handwerklicher wie animierter Form. Mit verblichenen Erinnerungen an Schreinkonstruktionen und Souvenirstilleben werden Rousseau-hafte Malerei und Stickerei verknüpft. Diese sind kontrastiert durch Maschinenmusik von stationären oder mobilen Robotern, mit denen sich anzufreunden allerdings nur kurz dauerte.
Konkreter sind fotografische Szenerien in langer Belichtung, die bisweilen in der Manier Hofers an schwindende Zusammenkünfte erinnern, oder Malerei zum Thema atomare Gesundheit und Protest.
Skulpturen sind in der Ausstellung von unterschiedlicher Ausprägung zu sehen; es sei hier verraten, dass man sich bauend, hangelnd und drückend beteiligen darf, manche aber auch selbstverständlich frei für sich stehen beziehungsweise hängen. Büchern muss man dabei nicht ausweichen, krasser noch als die Darstellung von 1.000 Texten ist jedoch die Komponente der menschlich entstellten Figur, die nicht nur in den Bildern auftaucht, sondern auch in manchen verzerrten Figuren. Juliane Hundertmarks großformatige Grimassen und Harlekine erinnern ein wenig an Geisterotik (von gleichem Genre auch die Unterglasurmalerei gegenüber), dagegen sind Alica Khaets Zeichnungen ähnlich Gerichtszeichnungen realistische Darstellungen neuer Betretenheit, neuer Pässe und gehetzter Menschen mit Gesichtsbedeckungen.
Noch viele weitere Werke sind zu entdecken, beispielsweise porträthafte Malerei (etwa Tanja Pohl, Kai Savelsberg) oder auch abstrakt-schwindende Landschaften (Inna Artemova, Stepahnie Abben) und Bauten (Jeroen Robert Kramer, Nora Mesaros) sind zu entdecken. Aufgrund der Innenstadtlage und vorhandener Verpflegung ist ein Besuch der Schau auch für ein Intermezzo stets gut geeignet.
Es bleibt, die Interventionen zu erwähnen, die sich in Form von schonungslosen Fotos (Christian Roosen) oder dergleichen Selbstbehandlung eines Tattoo Artists mit fortlaufend gestochenen Fremdbetitelungen seit 2017 zeigen. Zum Ende der Ausstellung wird dieser, wie bereits zur Eröffnung, in Aktion Rede und Antwort stehen. Weitere Events in Form von konzertanten Lesungen oder Diskussionen sind in Planung und werden jeweils auf der Homepage veröffentlicht.
Zur Finanzierung der nächsten Ostrale kann aufgrund der mangelnden Verhandlungen in Gremien und Räten der Stadt wenig gesagt werden, außer, dass sich durch die Involvierung des Kunsthauses Dresden ein Verkauf desselben in der Rähnitzgasse auf Finanzierung und Erhaltung der Kantine auswirken würde. Aber dieser Verkauf wird keineswegs durchgehend befürwortet – ganz im Gegenteil. Auch die Frage eines Neubaus oder aber der Einrichtung eines jüdischen Museums in vorhandenen Räumlichkeiten wird diskutiert. Aber dazu ein anderes Mal mehr.
M.O.
Ostrale - Biennale für zeitgenössische Kunst bis 1. Oktober, Robotron-Kantine, Zinzendorfstraße 5/Ecke Lingnerallee, 01069 Dresden, Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 19 Uhr, www.ostrale.de