Bilder von der anderen Seite
Fotografien von Luc Saalfeld in der SLUB
Bilder schaffen eine Bühne, auch und gerade dann, wenn sie das zeigen, was unseren Blicken eigentlich entzogen ist: Museumsdepots, Theaterkulissen, Sammlungsarchive. All diese Räume sind Denkraum, Lager, Werkstatt und Imaginationsraum zugleich. Sie bewahren die Objekte und Spuren unseres kulturellen Erbes und Tuns, bilden eine Art Schutzraum, Schatzkammer und kreative Brutstätte, aus der nicht nur Forschende, Museumsleute, Kuratorinnen und Kuratoren schöpfen, sondern auch Künstlerinnen und Künstler.
Einer von ihnen ist der 1975 geborene Dresdner Fotograf Luc Saalfeld, ein »Regular« des Verschlossenen, der häufig Archiv-, Museums- und Sammlungsdepots besucht und sich ihrem geheimnisvollen Innenleben in seriell angelegten aufschlussreichen Werkreihen widmet, die viel über unser Verständnis von Geschichte und Gegenwart, von Differenz und Ordnung verraten. Vier dieser Serien sind in der aktuellen, von Simone Fleischer kuratierten Ausstellung in der Bib Lounge der SLUB Dresden zu sehen, wo sie einen ebenso sehenswerten wie treffenden Einblick in die Arbeitsweise und Bildauffassung des Künstlers geben.
Luc Saalfelds Schwarz-Weiß-Fotografien aus und von Depoträumen rücken zum einen jene im Verborgenen schlummernden Objekte in den Blick, jenseits der sonst üblichen sorgfältig geplanten und inszenierten Ausstellungspräsentation. Vor allem aber interessieren ihn jene geheimnisumwitterten Arsenale selbst, die die Objekte beherbergen, mit all ihren Werkzeugen der Archivierung, Erfassung und Konservierung.
Der Zyklus »Museum ohne Bilder« aus den Jahren 2003 bis 2005 entstand während der Umbauarbeiten des Dresdner Stadtmuseums. Statt die große Bewegung von einem zum anderen Ort einzufangen, bannt Saalfeld hier einzelne, angeschnittene Details ins Bild: ein Stück Folie, die Verschlussschleife eines Objektkastens, ein alter Kartenschrank, Falten werfende Planen. In den wenigsten Fällen sehen wir etwas von den Exponaten, um die es eigentlich geht. Im Mittelpunkt steht die Infrastruktur des Bewahrens und Ordnens.
Man könnte meinen, die Umkehrung dieser Schwerpunktsetzung suggeriere der Titel der Bildserie »Bilder ohne Museum« aus dem Zeitraum 2005 bis 2012. Doch auch in diesen, im Depot des Kunstfonds der Staatlichen Kunstsammlungen entstandenen Arbeiten, stehen nicht die Sammlungsstücke selbst im Zentrum, sondern ihre Hüllen und Räume. Dass auch hier nichts statisch ist, darauf verweisen die in den Bildern gezeigten Europaletten, Hubwagen, Verpackungsmaterialien und Ziehwände, die permanente Veränderung suggerieren, wiewohl die Bewahrung hier der Zweck allen Handelns ist.
Wechsel ist auch das Thema der im Rahmen des Umzugs der Sammlung Egidio Marzona/Archiv der Avantgarden nach Dresden 2016 entstandenen Serie »Räume der Kunst«. Sie gibt wiederum einen Eindruck von Kunst als beweglichem Gut – keineswegs ein leicht zu bewegendes. Schließlich gilt es, Tausende von Objekten, die gewöhnlich streng geordnet sind, so zu verfrachten und zu transportieren, dass sie diese Ordnung auch nach und während des Domizilwechsels beibehalten. Ordnung ist sinnstiftend, darauf verweisen die Arbeiten, in denen immer wieder Kontraste wie Überfülle und Leere, Serialität, Raster und Verwischung und so fort in ein und demselben Bildraum miteinander konfrontiert werden, ohne die Gegensätze wirklich miteinander versöhnen zu wollen.
Der neueste Zyklus stammt aus dem Jahr 2020 und wurde eigens für diese Ausstellung geschaffen. Die Serie rückt das Negativarchiv der Deutschen Fotothek in den Fokus, deren Archiv der Fotografen sich der Sammlung und Vermittlung fotografischer Werke und Nachlässe von in Deutschland arbeitenden Fotografen verschrieben hat. Stärker als die anderen drei Serien werden die Strukturen des Sammelns und Verwahrens hier zum eigenständigen Bildthema, der Dokumentationsgedanke tritt vollkommen zurück: Zwei Arbeiten sezieren in körnigen Nahaufnahmen die Oberflächen von Fotohüllen und Ordnern, deren geometrische Formen zusammen mit dem schwarzen oder weißen Hintergrund selbst zum abstrakten Bild werden und vergessen lassen, was hier eigentlich zu sehen ist. Eine Bildmontage zeigt in Erstbelichtung die Abstufungen einer Grauskala, in Zweitbelichtung den Blick entlang der Regalwände mit eingelagerten Negativen. Übereinandergeblendet erscheinen sie wie ein Symbol für das nimmermüde Bestreben des Menschen, die Welt ordnend bis ins Letzte zu durchdringen und zu kontrollieren, und offenbaren doch das Absurde dieses Unterfangens, weil das entstandene Bild wiederum voller Geheimnisse ist.
Solange die Ausstellung in der SLUB nicht zugänglich ist – und darüber hinaus – bietet die für die Deutsche Fotothek von Jens Bove herausgegebene Begleitpublikation einen Einblick in die Bildwelt Luc Saalfelds. Der Katalog, Teil 2 der Reihe #loungeaffairs, erschienen im Verlag der Kunstagentur Dresden, kommt als Archivbox mit 25 hochwertigen Prints daher und wird von einem lesenwerten Text der Kuratorin Simone Fleischer eingeleitet.
Teresa Ende
Luc Saalfeld – Backstage. SLUB Dresden, Bib-Lounge
Zur Ausstellung ist eine Begleitpublikation in Form einer Archivbox in einer Auflage von 250 Exemplaren zum Preis von 10 Euro erschienen. 25 Vorzugsexemplare enthalten zusätzlich einen signierten Print von Luc Saalfeld (180 Euro).